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»Kahekili war ein Alii, ein hoher Häuptling. Von ihm stammt deine Frau Kalama in gerader Linie ab. Sie ist eine Alii.« Der alte Vasall hielt inne und schürzte nachdenklich die schmalen Lippen. »Ich gehöre ihr, so wie alle meine Vorfahren ihren Vorfahren gehörten. Nur sie kann mir befehlen, die großen Geheimnisse zu offenbaren. Sie ist weise, zu weise, um von mir zu verlangen, dieses Geheimnis auszuplaudern. Dir, Kanaka Oolea, antworte ich nicht mit Ja und nicht mit Nein. Dies ist ein Geheimnis der Aliis, das selbst die Aliis nicht kennen.«

»Sehr gut, Kumuhana«, lobte Hardman Pool. »Doch du vergißt, daß auch ich ein Alii bin, und wenn meine gute Kalama von sich aus nicht zu fragen wagt, dann befehle ich es ihr. Ich kann auf der Stelle nach ihr schicken lassen und dich zwingen. Aber das wäre dumm, es sei denn, du zeigtest dich selbst doppelt so dumm. Erzähl mir dein Geheimnis, und sie wird nie davon erfahren. Die Lippen einer Frau müssen ausschwatzen, was immer ihr zu Ohren kommt. So sind die Frauen. Ich bin ein Mann, und ein Mann ist da ganz anders. Wie du wohl weißt, schließen sich meine Lippen über einem Geheimnis so fest wie die Saugnäpfe eines Tintenfisches am salzigen Felsen. Wenn du es nicht mir allein erzählen willst, dann wirst du es Kalama und mir zusammen sagen müssen, und ihre Lippen werden reden, so daß selbst der letzte Malihini über kurz oder lang erfahren wird, was sonst nur du und ich allein wissen würden.«

Lange saß Kumuhana schweigend da, überlegte hin und her und fand keinen Weg, sich der schlüssigen Logik dieser Beweisführung zu entziehen.

»Groß ist deine Haole-Weisheit«, räumte er schließlich ein.

»Ja oder nein?« nagelte ihn Hardman Pool fest.

Kumuhana sah sich erst nach allen Seiten um, dann blieb sein Blick auf dem Mädchen mit dem Fliegenwedel hängen.

»Geh«, befahl Pool der Kleinen. »Und komm erst wieder, wenn du mich in die Hände klatschen hörst.«

Hardman Pool sagte kein Wort mehr, selbst als das Mädchen im Haus verschwunden war, doch auf seinem Gesicht stand unerbittlich die Frage: »Liegen die sterblichen Überreste Kahekilis im Mausoleum? Ja - oder nein?«

Wieder blickte Kumuhana vorsichtig um sich, sah in das Geäst des Johannisbrotbaumes hinauf, als fürchtete er einen versteckten Lauscher. Seine Lippen waren ganz trocken. Mehrmals fuhr er sich mit der Zunge darüber, um sie zu befeuchten. Er setzte zweimal zum Sprechen an, brachte aber nur einen heiseren, unartikulierten Laut hervor. Und schließlich flüsterte er mit gesenktem Haupt so leise und feierlich, daß Hardman Pool seinen Kopf zu ihm herunterbeugen mußte, um ihn zu verstehen: »Nein.«

Pool klatschte in die Hände, und das kleine Mädchen kam bebend und aufgeregt aus dem Haus geeilt.

»Bring ein Glas Milch mit Gin für den alten Kumuhana«, ordnete Pool an; und zu Kumuhana gewandt: »Jetzt erzähle mir die ganze Geschichte.«

»Warte«, lautete die Antwort. »Warte, bis die kleine Wahine hier war und wieder fort ist.«

Und als das Mädchen verschwunden und Gin und Milch den dieser Mischung vorbestimmten Weg genommen hatten, wartete Hardman Pool ohne weiteres Drängen auf die Geschichte. Kumuhana preßte seine Hand gegen die Brust und hustete einige Male hintereinander hohl auf, um sich Mut zu machen; doch schließlich fing er von selbst an zu sprechen.

»Es war etwas Furchtbares in den alten Tagen, wenn ein Alii starb. Kahekili war ein großer Alii. Er wäre vielleicht König geworden, hätte er lange genug gelebt. Wer weiß? Ich war ein junger Mann, noch nicht verheiratet. Du weißt, Kanaka Oolea, wann Kahekili starb, und du kannst mir sagen, wie alt ich damals war. Er starb, als Gouverneur Boki hier in Honolulu das Hotel Blonde führte. Du hast davon gehört?«

»Ich war damals noch auf der Windseite von Hawaii«, erwiderte Pool. »Aber ich habe davon gehört. Boki richtete eine Schnapsbrennerei ein und pachtete Land in Manoa, um dort Zuckerrohr zu pflanzen, und Kaahumanu, der damals Regent war, annullierte die Pacht, riß das Zuckerrohr heraus und baute Kartoffeln an. Und Boki war wütend und bereitete sich auf einen Waffengang vor. Er versammelte seine Krieger und noch ein Dutzend Deserteure von Walfängern mit fünf Sechspfündern aus Bronze draußen in Waikiki - «

»Das war genau zu der Zeit, als Kahekili starb«, fiel ihm Kumuhana eifrig ins Wort. »Du bist sehr weise. Du weißt über vieles aus den alten Tagen besser Bescheid als wir alten Kanaken.«

»Das war 1829«, fuhr Pool selbstzufrieden fort. »Du warst achtundzwanzig Jahre alt, und ich war zwanzig und war gerade nach dem Brand der Black Prince mit dem offenen Boot an Land gekommen.«

»Ich war achtundzwanzig«, wiederholte Kumuhana. »Das hört sich richtig an. Ich erinnere mich noch gut an Bokis Bronzekanonen in Waikiki. Zu dieser Zeit starb auch Kahekili in Waikiki. Die Leute glauben bis heute, daß seine Gebeine in das Hale o Keawe, das Mausoleum von Honaunau, in Kona gebracht worden - «

»Und viel später in das Königliche Mausoleum hier in Honolulu überführt worden sind«, fügte Pool hinzu.

»Es gibt auch einige, Kanaka Oolea, die bis heute glauben, daß Königin Alice sie mit den übrigen Gebeinen ihrer Ahnen in den großen Gefäßen ihres Taburaumes aufbewahrt. Alle haben sie unrecht. Ich weiß es. Die heiligen Überreste Kahekilis sind verschwunden, für immer und ewig dahin. Sie ruhen nirgendwo. Es gibt sie nicht mehr. Und viele Kona-Winde haben die Brandung von Waikiki zum Schäumen gebracht, seit jemand vor Augen hatte, was von Kahekili übrig war. Ich allein lebe noch von diesen Menschen; ich bin der letzte, und ich bin nicht froh darüber, Zeuge gewesen zu sein.

Denn sieh! Ich war ein Jüngling, und mein Herz war wie weißglühende Lava für Malia entbrannt, die im Hause Kahekilis lebte. Ebenso weiß glühte auch das Herz Anapunis für sie, wenn auch sein Herz, wie du gleich hören wirst, ganz schwarz war. Wir - Anapuni und ich - waren zu der Zeit, als Kahekili starb, auf einem Trinkgelage. Anapuni und ich gehörten zum einfachen Volk, wie alle Kanaken und Wahines bei diesem Zechgelage mit den einfachen Matrosen und den Mannschaften der Walfänger. Wir lagen auf den Matten am Strand von Waikiki in der Nähe des alten Heiau [Tempel], nicht weit von der Stelle, wo heute Wilders Strandkneipe ist, und tranken. Damals wurde mir ein für allemal klar, welche Unmengen von Alkohol die Haole-Seeleute vertragen können.

Wir Kanaken hingegen bekamen von dem Whisky und Rum heiße, wirre Köpfe, die wie trockene Kürbisse rasselten.

Es war nach Mitternacht, ich erinnere mich noch gut, als ich Malia, die ich noch nie zuvor bei einem Zechgelage erblickt hatte, über den nassen, harten Sandstrand kommen sah. Mein Hirn brannte wie rotglühende Höllenasche, als ich bemerkte, wie Anapuni, der ihr am nächsten und im Kreis gegenüber saß, sie anblickte. Oh, ich weiß, es waren der Whisky und der Rum und meine Jugend, die mich so in Wallung brachten; aber damals, in jenem Augenblick, beschloß ich in meiner Tollheit: Wenn sie zuerst mit ihm spräche und ihm gestattete, mit ihr zu tanzen, dann würde ich meine beiden Hände um seinen Hals legen und ihn in die Wahine-Brandung dort hinten zerren, ihn untertauchen und ertränken und so das Hindernis beseitigen, das zwischen ihr und mir stand. Denn du mußt wissen, daß sie sich nie zwischen uns entschieden hatte, und er war schuld daran, daß sie nicht schon längst die Meine war.

Sie war eine prachtvolle Frau mit der üppigen Figur einer Häuptlingstochter und noch schöner, als sie jetzt im schimmernden Mondlicht über den feuchten Sand auf uns zu kam. Selbst die Haole-Matrosen schwiegen plötzlich und starrten sie mit offenen Mündern an. Ihr Gang! Ich habe dich, Kanaka Oolea, von der Frau Helena erzählen hören, die den trojanischen Krieg verursachte. Von Malia kann ich sagen, daß ihretwegen mehr Männer die Mauern der Hölle gestürmt haben würden, als damals gegen die alte Stadt angerannt sind, von der du immer viel und lang zu erzählen pflegst, wenn du zu wenig Milch und zu viel Gin getrunken hast.