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Aber Eoppo schüttelte den Kopf und sprach: >Wir können Kahekili nicht nur mit den Tarospitzen auf seinen Weg schicken.<

>Ein halber Fisch ist besser als gar keiner<, zitierte Aimoku das alte Sprichwort.

>Nicht bei der Beisetzung eines Alii<, erwiderte der Priester prompt. >So will es das Gesetz. Wir können bei Kahekili nicht knausern und ihm nur die Hälfte des Opfers geben, das ihm zusteht.<

So wurde ich also in dem Augenblick, als der Sarg über Bord ging, nicht getötet. Und es war merkwürdig, wie ich mich sofort des Lebens zu freuen begann. Und Malia kam mir wieder in den Sinn, und ich fing an, Rachepläne gegen Anapuni zu schmieden. Und mit dem Blut, das mich frisch durchströmte, wurde mein Durst noch zehnmal stärker, und Zunge, Mund und Kehle schienen mir so sandig wie die Zunge des Harpuniers. Da der Sarg über Bord war, saß ich nun auf dem Boden des Kanus. Eine Kokosnuß rollte mir zwischen die Beine, und ich schloß sie über ihr. Als ich sie jedoch aufhob, schlug mir Aimoku mit der Paddelkante auf die Hand. Sieh nur!«

Er hielt die Hand hoch und zeigte zwei Finger, die ganz verkrümmt waren, da man sie ihm nicht wieder eingerenkt hatte.

»Ich hatte keine Zeit, an meinen Schmerz zu denken, denn Schlimmeres stand mir bevor. Alle Häuptlinge schrien laut auf vor Entsetzen. Der Sarg war nicht gesunken, das Kopfende ragte aus dem Wasser. Es tanzte achteraus auf den Wellen. Und da das Kanu ohne Führung war, wurde es von See und Wind auf den Sarg zugetrieben. Die Scheibe war gerade zu uns hergedreht, so daß wir Kahekilis Gesicht und Kopf durch das Glas sehen konnten; und er grinste uns durch das Fenster an. Er schien bereits in der anderen Welt zu leben und zornig auf uns zu sein und mit der Macht der anderen Welt seinen Zorn an uns auslassen zu wollen. Auf und nieder tanzte er, und das Kanu trieb immer näher und näher.

>Töte ihn!< >Laß ihn bluten!< >Stoß ihm das Messer ins Herz!< So riefen die Häuptlinge in ihrer Furcht Eoppo zu. >Über Bord mit den Tarospitzen!< >Gib dem Alii seinen halben Fisch!<

Eoppo, obgleich ein Priester, fürchtete sich ebenfalls, und der Verstand schwand ihm beim Anblick Kahekilis in dem Haole-Sarg, der nicht sinken wollte. Er packte mich beim Haar, zog mich hoch und hob das Messer, um es mir ins Herz zu stoßen. Und in mir regte sich keinerlei Widerstand. Wieder wußte ich nur, daß ich sehr durstig war, und dicht vor meinen Augen, die mir fast übergehen wollten, baumelte die sandbedeckte Zunge des Harpuniers.

Doch ehe das Messer niedersausen und mich durchbohren konnte, geschah das, was mich rettete. Akai, der Halbbruder des Gouverneurs Boki, wie du dich erinnern wirst, war Steuermann des Kanus und deshalb im Heck des Bootes dem Sarg und seinem Toten, der nicht sinken wollte, am nächsten. Außer sich vor Angst stieß er mit der Spitze des Paddels wild darauflos, um den eingesargten Alii, der darauf versessen zu sein schien, wieder an Bord zu kommen, abzuwehren. Die Paddelspitze traf das Glas. Das Glas zerbrach - «

»Und der Sarg sank sofort«, fiel Hardman Pool ein, »da die Luft, die ihn über Wasser gehalten hatte, durch die zerbrochene Glasscheibe entwich.«

»Der Sarg sank sofort, da er von dem Schiffszimmermann wie ein Boot gebaut worden war«, bestätigte Kumuhana. »Und ich, der ich ein Moepuu war, wurde wieder ein Mensch. Und ich lebte, wenn ich auch vor Durst tausend Tode starb, ehe wir den Strand von Waikiki erreichten.

Und daher, Kanaka Oolea, ruhen die Überreste Kahekilis nicht im Königlichen Mausoleum. Sie liegen auf dem Grund des Molokai-Kanals, wenn sie sich nicht schon längst in treibende Schlammschlieren verwandelt haben oder, von inzwischen selbst verendeten Korallentieren verzehrt, ihrerseits Teil des Korallenriffs geworden sind. Von den Menschen bin ich der einzige Lebende, der Kahekilis sterbliche Hülle im Kanal von Molokai versinken sah.«

In der Pause, die darauf folgte und in der Hardman Pool in tiefes Nachdenken versunken war, leckte sich Kumuhana immer wieder die Lippen. Schließlich brach er das Schweigen:

»Die zwölf Dollar, Kanaka Oolea, für den Esel und den gebrauchten Sattel und das Zaumzeug?«

»Die zwölf Dollar wären dein«, entgegnete Pool, und gab dem Alten sechseinhalb Dollar, »befände sich nicht unter dem Gerümpel in meinem Stall Zaumzeug und Sattel, wie du sie brauchst; und beides will ich dir geben. Mit diesen sechseinhalb Dollar kannst du dir den dazu passenden Esel von dem Pake [Chinesen] in Kokako kaufen, der mir erst gestern sagte, daß er so viel kosten würde.«

So saßen sie da. Pool, der in Gedanken immer wieder das Totenlied der Maori, das er gehört hatte, hersagte und besonders an der Zeile »So daß die Abenddämmerung heraufkam« Gefallen fand, die seinem Schönheitsempfinden vollkommen entsprach. Kumuhana, der sich die Lippen leckte und erkennen ließ, daß er noch auf etwas wartete. Schließlich brach er das Schweigen.

»Ich habe lange gesprochen, Kanaka Oolea. Die Feuchtigkeit in meinem Mund hält nicht mehr so lange vor wie in meiner Jugend. Mir scheint, der Durst, der mich quälte, als ich die Zunge des Harpuniers vor mir sah, hat mich erneut überfallen. Der Gin mit Milch, Kanaka Oolea, ist sehr gut für eine Zunge wie die des Harpuniers.«

Ein flüchtiges Lächeln huschte über Pools Gesicht. Er klatschte in die Hände, und das kleine Mädchen kam herbeigelaufen.

»Bring ein Glas Gin mit Milch für den alten Kumuhana«, befahl Hardman Pool.

DAS KIND DES WASSERS

Verdrossen hörte ich dem endlosen Gesang des alten Kohokumu zu; er handelte von den Taten und Abenteuern Mauis, jenes prometheischen Halbgotts Polynesiens, der mit am Firmament befestigten Haken trockenes Land aus den Tiefen des Ozeans heraufholte, der das Himmelszelt emporhob, unter dem die Menschen zuvor auf allen vieren kriechen mußten, weil nicht genug Platz da war, um aufrecht zu stehen, und der die Sonne mit ihren sechzehn, in Schlingen gefangenen Beinen zum Stehen gebracht und ihr die Einwilligung abgenötigt hatte, den Himmel langsamer zu durchwandern - denn die Sonne war offensichtlich eine Gewerkschaftlerin und für den Sechs-Stunden-Tag, während Maui für den nicht gewerkschaftlich organisierten Betrieb und eine Arbeitszeit von zwölf Stunden eintrat.

»Das ist jetzt«, sagte Kohokumu, »aus Königin Liliuokalanis eigenem Familien-Mele:

>Maui wurde unzufrieden und bekämpfte die Sonne Mit einem Fallstrick, den er legte.

Und den Winter gewann die Sonne,

Und den Sommer eroberte Maui.. .<«

Da ich selbst auf den Inseln geboren bin, kannte ich die hawaiischen Mythen besser als dieser alte Fischer, wenn ich auch nicht jenes phänomenale Gedächtnis besaß, das ihn befähigte, sie endlose Stunden lang vorzutragen.

»Und du glaubst das alles?« fragte ich ihn in der wohlklingenden hawaiischen Sprache.

»Es ist vor langer Zeit geschehen«, überlegte er. »Ich habe Maui nie mit eigenen Augen gesehen. Aber alle unsere Ahnen erzählen uns seit altersher diese Geschichten, so wie ich, ein alter Mann, sie meinen Söhnen und Enkeln erzähle, die sie wiederum an ihre Söhne und Enkel und alle künftigen Nachfahren weitergeben werden.«

»Du glaubst also«, wiederholte ich hartnäckig, »dieses Lügenmärchen, daß Maui die Sonne wie einen wilden Stier mit dem Lasso eingefangen hat, und auch diesen anderen Schwindel, daß er den Himmel von der Erde hochstemmte?«

»Ich gelte nicht viel, und ich bin nicht sehr gescheit, o Lakana«, entgegnete mein Fischer. »Und doch habe ich die hawaiische Bibel gelesen, die uns die Missionare übersetzt haben, und da stand geschrieben, daß euer Großer Mann, der ganz am Anfang steht, Erde und Himmel, Sonne, Mond und Sterne und alle Arten von Tieren, von den Pferden bis zu den Kakerlaken, von den Tausendfüßlern und Stechmücken bis zu den Meerasseln und Quallen, und Mann und Frau und alles übrige in nur sechs Tagen erschaffen hat. Nun, Maui hat bei weitem nicht so viel getan. Er hat überhaupt nichts erschaffen. Er hat die Dinge lediglich in Ordnung gebracht, und er hat viel, sehr viel Zeit gebraucht, um diese Verbesserungen durchzuführen. Und es ist jedenfalls viel leichter und viel sinnvoller, die kleine Lüge zu glauben als die große.«