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»Ha!« kicherte er. »Und du, der du kein Bier getrunken hast, der du noch nicht einmal geboren warst, als ich schon ein alter Mann war, der du gestern mit der Sonne und den Hühnern schlafen gegangen bist - du bist heute völlig am Boden zerstört. Kannst du mir das erklären. Meine Ohren dürsten danach, das zu erfahren, so wie meine Kehle gestern abend dürstete. Und sieh einer an, ich bin heute, wie jener Engländer mit seiner Jacht zu sagen pflegte, in sehr guter Form, in verteufelt guter Form.«

»Ich geb’s auf mit dir«, entgegnete ich achselzuckend. »Nur eins ist klar, nämlich daß der Teufel dich nicht haben will. Der Ruf deiner Singerei ist dir vorausgeeilt.«

»Nein«, antwortete er nach sorgfältiger Überlegung. »Das ist es nicht. Der Teufel wird sich über mein Kommen freuen, denn ich habe einige sehr schöne Lieder für ihn und Skandal- und Klatschgeschichten von den hohen Aliis, die ihn zum Lachen bringen werden. Deshalb laß mich dir das Geheimnis meiner Geburt erklären. Die See ist meine Mutter. Ich wurde während eines von Kona kommenden Sturmes im Kanal von Kahoolawe in einem Doppelkanu geboren. Von ihr, der See, meiner Mutter, erhielt ich meine Kraft. Immer wenn ich wie heute in ihre Arme zurückkehre, um mich von ihr an die Brust drücken zu lassen, werde ich wieder stark, und zwar unverzüglich. Sie ist für mich die Milchspenderin, die Quelle des Lebens - «

»Erinnert an Antaeus!« dachte ich.

»Eines Tages«, fuhr der alte Kohokumu in seiner Erzählung fort, »wenn ich wirklich alt bin, werden die Leute von mir berichten, ich sei im Meer ertrunken. Aber das wird nur ein Hirngespinst der Menschen sein. In Wahrheit bin ich dann in die Arme meiner Mutter zurückgekehrt, um dort unter ihrem Herzen bis zu meiner Wiedergeburt zu ruhen, wenn ich als feuriger, strahlender Jüngling wie einst Maui selbst in seiner goldenen Jugend wieder zum Sonnenlicht emporsteigen werde.«

»Eine seltsame Religion«, bemerkte ich.

»Als ich jünger war, habe ich mir meinen armen Kopf über seltsamere Religionen zerbrochen«, entgegnete mir der alte Kohokumu. »Aber höre, du junger Weiser, auf die Weisheit meines Alters. Das eine weiß ich: Nun da ich älter werde, suche ich weniger nach der Wahrheit, die von außen kommt, und entdecke mehr von der Wahrheit, die in mir selbst liegt. Weshalb ist mir der Gedanke gekommen, daß ich zu meiner Mutter zurückkehre und von dort dem Licht wiedergeboren werde? Du weißt es nicht. Auch ich weiß es nicht, außer daß dieser Gedanke ohne ein gedrucktes Wort und ohne mir von einer Menschenstimme eingeflüstert worden zu sein, ohne jede Eingebung von anderswoher in mir selbst entstanden ist, in den Tiefen meines Innern, das so tief ist wie die See. Ich bin kein Gott. Ich erschaffe keine Dinge. Deshalb habe ich auch diesen Gedanken nicht erschaffen. Ich kenne weder seinen Vater noch seine Mutter. Er stammt aus alten Zeiten, bevor es mich gab, und deshalb ist er wahr. Der Mensch erschafft keine Wahrheit. Der Mensch, sofern er nicht blind ist, erkennt die Wahrheit nur, wenn er sie sieht. Ist dieser Gedanke, den ich gedacht habe, ein Traum?«

»Vielleicht bist du es, der ein Traum ist«, lachte ich. »Und ich und der Himmel und das Meer und das felsenfeste Land sind Träume, lauter Träume.«

»Ich habe mir das oft überlegt«, versicherte er mir ganz ernsthaft. »Es kann gut sein. Letzte Nacht träumte mir, ich sei eine Lerche, eine wunderschön singende Lerche am Himmel, wie die Lerchen über den Hochlandweiden des Haleakala. Und ich flog empor, der Sonne entgegen und sang, sang, wie der alte Kohokumu niemals gesungen hat. Ich erzähle dir jetzt, daß mir träumte, ich sei eine Lerche, die in den Lüften sang. Aber kann nicht ich, mein wahres Ich, die Lerche sein? Und kann nicht das, was ich dir jetzt erzähle, der Traum sein, den ich, die Lerche, gerade träume? Wer bist du, um mir das zu bejahen oder zu verneinen? Wagst du es, mir zu sagen, daß ich keine Lerche bin, die schläft und träumt, sie sei der alte Kohokumu?«

Ich zuckte die Schultern, und er fuhr triumphierend fort.

»Und woher willst du wissen, ob du nicht der alte Maui selbst bist, der schläft und träumt, er sei John Lakana und unterhalte sich mit mir in einem Kanu? Und kann es nicht sein, daß du selbst als der alte Maui aufwachst und dich vor Lachen ausschüttest und sagst, du hättest einen komischen Traum gehabt, in dem dir träumte, du seist ein Haole?«

»Ich weiß nicht«, gab ich zu. »Außerdem würdest du mir nicht glauben.«

»In Träumen steckt viel mehr, als wir wissen«, versicherte er mir mit großem Ernst. »Träume gehen weit, weit zurück, vielleicht bis zu der Zeit vor allem Anbeginn. Vielleicht hat der gute Maui nur geträumt, er habe Hawaii vom Meeresgrund heraufgezogen? Dann wäre dieses Land Hawaii nur ein Traum, und du und ich und der Krake dort kämen nur in Mauis Traum vor? Und die Lerche auch?«

Er seufzte und ließ den Kopf auf die Brust sinken.

»Und ich zerbreche mir den Kopf über Geheimnisse, die nie gelüftet werden können«, fuhr er fort, »bis ich müde werde und vergessen möchte, und deshalb trinke ich Bier und gehe zum Fischen und singe alte Lieder und träume, ich sei eine Lerche, die hoch oben in den Lüften singt. Das gefällt mir am besten von allem, und das träume ich oft, wenn ich viel Bier getrunken habe - «

In sehr niedergeschlagener Stimmung spähte er durch das Nautiskop in die Lagune hinunter.

»Eine Weile wird nichts anbeißen«, verkündete er. »Die Haie streifen auf der Suche nach Beute umher, und wir werden warten müssen, bis sie fort sind. Und damit die Zeit nicht zu lang wird, will ich dir das Lied an Lono beim Kanuanlanden singen. Du erinnerst dich daran:

>Gib mir den Baumstamm, o Lono!

Gib mir die Hauptwurzel des Baumes, o Lono!

Gib mir das Gehör des Baumes, o Lono!<«

»Um der Barmherzigkeit willen, singe nicht!« unterbrach ich ihn. »Ich habe Kopfschmerzen, und dein Gesinge tut mir weh. Du magst ja heute in verteufelt guter Form sein, aber deine Kehle ist eingerostet. Da ist es mir lieber, wenn du über Träume sprichst oder mir irgendwelche Lügenmärchen auftischst.«

»Es ist schade, daß du krank bist, dabei bist du noch so jung«, gab er gutgelaunt nach. »Und ich werde auch nicht mehr singen. Ich werde dir etwas erzählen, das du nicht kennst und wovon du noch nie gehört hast; etwas, das kein Traum und keine Lüge ist, sondern von dem ich weiß, daß es sich wirklich ereignet hat. Vor nicht allzulanger Zeit lebte hier am Strand bei eben dieser Lagune ein kleiner Junge, der Keikiwai hieß, was, wie du weißt, Kind des Wassers heißt. Er war wirklich ein Kind des Wassers. Seine Götter waren die Meeres- und Fischgötter, und er verstand von Geburt an die Sprache der Fische, was die Fische nicht wußten, bis es die Haie eines Tages herausfanden, als sie ihn sprechen hörten.

Das trug sich folgendermaßen zu. Schnelle Läufer hatten die Nachricht gebracht, daß der König eine Reise um die Insel machen würde, und die Einwohner von Waihee angewiesen, ihm ein Luau, ein Festmahl, zu bereiten. Wenn der König eine Reise machte, war es für die wenigen Einwohner solch kleiner Ortschaften immer sehr mühsam und schwierig, die Mägen seiner vielen Begleiter zu füllen. Denn er kam stets mit seiner Gemahlin und deren Damen, mit seinen Priestern und Zauberern, seinen Tänzern, Flötenspielern, Hulasängern, Kriegern und Dienern sowie seinen Oberhäuptlingen und deren Frauen und Zauberern und Kriegern und Dienern.

Manchmal hatte seine Reiseroute in kleinen Ansiedlungen wie Waihee Abmagerung und Hunger zur Folge. Doch ein König muß bewirtet werden, und es ist nicht gut, ihn zu erzürnen. So vernahm Waihee die Nachricht von seinem Kommen wie die Warnung vor einer Katastrophe, und alle, die Nahrung von Feld, Teich, Gebirge oder aus dem Meer lieferten, waren eifrig dabei, Vorräte für das Festmahl herbeizuschaffen. Und siehe, alles wurde zusammengetragen, vom erlesensten königlichen Taro bis zu den Zuckerrohrsprossen zum Braten, von Opihis bis zum Limu, vom Geflügel bis zu wilden Schweinen und mit Poi gefütterten jungen Hunden - alles, außer einem. Die Fischer konnten keinen Hummer fangen.