Nun muß man wissen, daß Hummer des Königs Lieblingsspeise war. Er zog ihn jedem anderen Kow-kow [Essen] vor, und seine Läufer hatten besonders darauf hingewiesen. Und da gab es nun keine Hummer, und es ist nicht gut, den Bauch eines Königs zu erzürnen. Zu viele Haie hielten sich innerhalb des Riffs auf. Das war das Problem. Ein junges Mädchen und ein alter Mann waren schon von ihnen gefressen worden. Und von den jungen Männern, die es wagten, nach Hummern zu tauchen, war einer verschlungen worden, und ein anderer verlor eine Hand und einen Fuß.
Doch da war Keikiwai, das Kind des Wassers, erst elf Jahre alt, aber selbst ein halber Fisch und der Sprache der Fische mächtig. Die Häuptlinge kamen zu seinem Vater und baten ihn inständig, das Kind des Wassers nach Hummern auszuschicken, um den Bauch des Königs zu füllen und seinen Zorn abzuwenden.
Was nun geschah, wurde miterlebt und beobachtet. Denn die Fischer und ihre Frauen, die Taropflanzer, die Vogelfänger und die Häuptlinge und ganz Waihee, sie alle kamen herbei und traten von der Felskante zurück, auf der das Kind des Wassers stand und zu den Hummern tief unten am Meeresgrund hinunterblickte.
Und ein Hai, der mit seinen Katzenaugen hinaufschaute, beobachtete ihn und holte mit dem Signal >Frisches Fleisch< in der Haisprache alle Haie in der Lagune herbei. Denn auf diese Weise arbeiten die Haie zusammen, deshalb sind sie auch so stark. Und die Haie kamen dem Ruf nach, bis vierzig von ihnen versammelt waren, lange und kurze, magere und dicke, vierzig an der Zahl; und sie sprachen miteinander und sagten: >Seht euch diesen Leckerbissen von einem Kind an, diese köstliche Portion süßen Menschenfleisches, ohne das Salz des Meeres, dessen wir schon überdrüssig sind, schmackhaft und gut verträglich, ein köstlicher Genuß, der unter unseren Herzen nur so schmelzen wird, wenn unsere Bäuche ihn aufnehmen und ihm seine Süße entziehen.<
Sie sagten noch viel mehr: >Er ist gekommen, um Hummer zu fangen. Wenn er hineinspringt, gehört er einem von uns. Er ist nicht wie der Greis, den wir gestern fraßen, vor Alter zäh und trocken, und auch nicht wie die jungen Burschen, deren Gliedmaßen zu harte Muskeln hatten, sondern zart, so zart, daß er uns im Schlund zergehen wird, ehe er in den Magen gelangt. Wenn er hinabtaucht, werden wir uns auf ihn stürzen, und der Glückspilz unter uns wird ihn bekommen und, schwupps, wird er, mit einem Biß und auf einmal geschluckt, im Bauch des Glücklichsten unter uns verschwunden sein.<
Und Keikiwai, das Kind des Wassers, hörte die Verschwörung, da er die Sprache der Haie verstand; und er richtete in der Hai-Sprache ein Gebet an Mokuhalii, den Gott der Haie, und die Haie hörten es und winkten einander mit ihren Schwanzflossen zu und zwinkerten mit ihren Katzenaugen zum Zeichen, daß sie seine Rede verstanden. Und dann sagte er: >Ich werde nun nach einem Hummer für den König tauchen. Und mir wird nichts geschehen, weil der Hai mit dem kürzesten Schwanz mein Freund ist und mich beschützen wird.<
Und mit diesen Worten hob er einen Brocken Lavagestein auf und warf ihn mit einem mächtigen Plumps einige Meter entfernt ins Wasser. Die vierzig Haie schwammen eiligst zu der Stelle, während er tauchte, und als sie entdeckten, daß sie ihn verfehlt hatten, war er schon auf dem Grund gewesen, wieder hochgekommen und kletterte aus dem Wasser zurück an Land, in der Hand einen dicken Hummer, einen Wahine-Hummer voller Eier für den König.
>Ha!< machten die Haie, höchst verärgert. >Da ist ein Verräter unter uns. Dieser Leckerbissen von einem Kind, dieses süße Häppchen, hat es bestätigt und hat den einen unter uns bloßgestellt, der ihn gerettet hat. Laßt uns nun die Länge unserer Schwänze messen!<
Was sie dann auch taten, in einer langen Reihe, Seite an Seite, wobei die mit den kurzen Schwanzflossen schwindelten und sich streckten, um länger zu erscheinen, und die mit den längeren schwindelten und sich streckten, um nicht ihrerseits übervorteilt und an Länge übertroffen zu werden. Sie waren sehr wütend auf den einen mit dem kürzesten Schwanz und stürzten sich von allen Seiten auf ihn und fraßen ihn auf, bis nichts mehr von ihm übrig war.
Wieder lauschten sie, während sie darauf warteten, daß das Kind des Wassers hineinsprang. Und wieder richtete das Kind des Wassers sein Gebet in der Sprache der Haie an Mokuhalii und sagte: >Der Hai mit dem kürzesten Schwanz ist mein Freund und wird mich beschützen.< Und wieder warf das Kind des Wassers einen Lavabrocken ins Meer, diesmal etliche Meter weit auf die andere Seite. Die Haie stürzten darauf zu und stießen in ihrer Hast zusammen. Dabei peitschten ihre Schwanzflossen und spritzten so heftig, daß das Wasser voller Schaum war und sie nichts sehen konnten, und jeder dachte, ein anderer verschlinge den Leckerbissen. Und das Kind des Wassers kam herauf und kletterte abermals mit einem dicken Hummer für den König heraus.
Und die neununddreißig Haie maßen ihre Schwänze und fraßen den mit dem kürzesten auf, so daß es nur noch achtunddreißig Haie waren. Und das Kind des Wassers fuhr fort mit dem, was ich geschildert habe, und auch die Haie machten weiter so, wie ich es erzählt habe, und für jeden Hai, den seine Brüder fraßen, wurde wieder ein dicker Hummer für den König auf den Felsen gelegt. Natürlich gab es viel Zank und Streit unter den Haien, als sie ihre Schwänze maßen. Doch am Ende war alles korrekt und mit rechten Dingen zugegangen, denn als nur noch zwei Haie übrig waren, waren es auch die beiden größten der ursprünglich vierzig Haie.
Und das Kind des Wassers behauptete wieder, daß der Hai mit dem kürzesten Schwanz sein Freund sei, narrte die beiden Haie erneut mit einem Lavabrocken und brachte noch einen Hummer herauf. Jeder der beiden Haie bezichtigte den anderen, er besitze den kürzeren Schwanz, und sie kämpften miteinander, um sich gegenseitig aufzufressen, und der mit dem längeren Schwanz gewann - «
»Halt, o Kohokumu!« unterbrach ich ihn. »Vergiß nicht, daß dieser Hai bereits - «
»Ich weiß, was du sagen willst«, schnitt er mir das Wort ab. »Und du hast recht. Er brauchte sehr lange, um den neununddreißigsten Hai zu fressen, denn in dem neununddreißigsten Hai steckten schon die neunzehn anderen Haie, die er gefressen hatte, und in dem vierzigsten Hai die neunzehn anderen Haie, die er verschlungen hatte, und er hatte auch nicht mehr den gleichen Appetit wie zu Anfang. Aber du darfst nicht vergessen, daß er schon von vornherein ein sehr großer Hai war.«
Er brauchte so lange, um den anderen Hai und die neunzehn Haie, die dieser im Bauch hatte, zu fressen, daß er immer noch fraß, als die Dunkelheit hereinbrach und die Leute von Waihee mit all den Hummern für den König heimgingen. Und fanden sie nicht den letzten Hai am nächsten Morgen tot am Strand? Sein Leib war von der Völlerei geplatzt und klaffte weit.
Kohokumu kam nun zu Ende und hielt meinem Blick mit seinen verschmitzten Augen stand.
»Halt, o Lakana!« kam er den Worten zuvor, die mir auf der Zunge lagen. »Ich weiß, was du als nächstes sagen willst. Du willst sagen, daß ich das ja nicht mit meinen eigenen Augen gesehen habe und daß ich deshalb nicht sicher weiß, was ich dir erzähle. Aber ich weiß es doch und kann es dir auch beweisen. Mein Vater kannte den Enkel des Onkels von Keikiwais Vater. Außerdem ist dort auf der Felsspitze, auf die ich mit meinem Finger zeige, die Stelle, wo das Kind des Wassers stand und von wo es hinuntersprang. Ich habe dort selbst nach Hummern getaucht. Es ist ein ausgezeichneter Platz für Hummer. Ich habe dort auch oft Haie bemerkt. Und dort am Grund sind, was ich am besten wissen muß, weil ich sie gesehen und gezählt habe, die neununddreißig Lavabrocken, die das Kind des Wassers, wie ich es dir schilderte, hineingeworfen hat.«