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»Aber - «, begann ich.

»Ha!« unterbrach er mich erneut. »Sieh nur! Während wir jetzt reden, haben die Fische wieder angefangen zu beißen.«

Er deutete auf drei Bambusstangen, die sich aufgerichtet hatten, einen wilden Tanz vollführten und anzeigten, daß drunten an den Leinen Fische am Haken hingen, die sich heftig wehrten. Als er sich nach seinem Paddel bückte, brummte er in meine Richtung:

»Natürlich weiß ich es. Die neununddreißig Lavasteine liegen immer noch dort. Du kannst sie selbst zählen, wann immer du willst. Natürlich weiß ich es, und ich weiß es ganz genau.«

DIE STARKE BRANDUNG

Den Touristinnen unter dem Laubdach der Hau-Bäume, die den Strand vor dem Moana-Hotel säumen, blieb die Luft weg, als Lee Barton und seine Frau Ida aus den Umkleidekabinen traten. Und als das Paar an ihnen vorbei zum Sand hinunterging, rangen sie immer noch um ihre Fassung. Nicht etwa, daß Lee Barton etwas an sich gehabt hätte, das ihnen den Atem raubte. Diese Damen waren nicht von der Sorte, denen beim Anblick eines nur mit einem Badeanzug bekleideten männlichen Körpers der Atem stockte, gleichgültig mit welchen prächtigen Proportionen und schwellenden Muskeln so ein Körper auch ausgestattet sein mochte. Dennoch würde der Anblick seiner Gestalt Trainer und Sportlehrer zu einem anerkennenden Schnauben verleitet haben. Nur hätten sie nicht so wie die Frauen nach Luft geschnappt, bei denen diese Reaktion Ausdruck moralischer Entrüstung war.

Ida Barton war die Ursache ihrer mißbilligenden Irritation. Bereits der erste Blick, den sie von ihr erhaschten, löste dieses tiefe Mißfallen aus. Sie dachten - mit solcher Inbrunst betrogen sie sich selbst -, daß sie über ihren Badeanzug entrüstet wären. Doch Freud hat aufgezeigt, wie manche Menschen immer dann, wenn Erotik ins Spiel kommt, dazu neigen, eine Sache durch eine andere zu ersetzen und an diesem Ersatz so heftig Anstoß zu nehmen, als liefere er den wahren Grund.

Ida Bartons Badeanzug war, was Damenbadeanzüge angeht, sehr hübsch. Aus feinster, dichtgewebter schwarzer Wolle mit weißem Besatz und einem weißen Gürtel, war er hochgeschlossen, kurzärmelig, mit angesetztem kurzen Rockchen. Ebenso kurz wie der Rock war auch die Beinbekleidung. Und doch waren viele der Damen am Strand vor dem angrenzenden Outrigger-Club, die ins Wasser gingen oder wieder herauskamen, ohne daß jemand bei ihrem Anblick nach Atem rang, viel gewagter gekleidet. Ihre Badeanzüge mit kurzen Beinen und Röcken paßten ihnen wie angegossen, waren jedoch ärmellos, wie es bei Herrenbadeanzügen üblich ist, mit tiefausgeschnittenen Armlöchern, und zeigten durch die entblößten Achselhöhlen, daß die Trägerinnen mit dem 1916 üblichen Dekollete vertraut waren.

Es war also nicht der Badeanzug Ida Bartons, wenn die Damenwelt sich auch gerne dieser Täuschung hingeben wollte. Es waren in erster Linie ihre Beine, oder sagen wir, es war ihre gesamte Erscheinung, dieses süße und funkelnde Juwel ihrer Weiblichkeit, das die Anwesenden aus dem seelischen Gleichgewicht brachte. Ob Witwe, verheiratete Frau oder junges Mädchen, die allesamt ihre schlaffen Muskeln schonten oder ihren Treibhausteint im Schatten des Laubdaches der Hau-Bäume pflegten, sie alle empfanden die unmittelbare Herausforderung, die von ihr ausging. Denn sie war auch eine Bedrohung und mit ihrer Überlegenheit ein Angriff auf den von ihnen gewählten, mehr oder weniger erfolgreichen Lebensplan.

Doch sie sprachen es nicht aus. Sie erlaubten sich nicht einmal, es zu denken. Sie glaubten, es sei der Badeanzug, und sagten das auch den anderen gegenüber, ohne die zwanzig viel gewagter gekleideten, aber nicht so gefährlich schönen Frauen zu beachten. Hätte man aus den Seelen dieser mißbilligenden Geschöpfe herausfiltern können, was der Verdammung von Idas Badeanzug zugrunde lag, so wäre man auf den von sexueller Eifersucht erfüllten Gedanken gestoßen, daß es keiner Frau, die so schön war wie diese, gestattet sein dürfte, ihre Schönheit zu zeigen. Es war ihnen gegenüber einfach nicht fair. Welche Chance blieb ihnen bei einer so unübersehbar gefährlichen Rivalin schließlich noch, Männer zu erobern?

Sie hatten recht. Denn Stanley Patterson sagte zu seiner Frau, die sich wie er im Sand neben dem kleinen Süßwasserbach trocknen ließ, den die Bartons auf ihrem Weg zum Strand des Outrigger-Clubs durchwateten:

»Großer Gott, Herr über alles, was Modell sitzt, schau sie dir an! Meine Liebe, hast du je eine kleine Frau mit einem solchen Paar Beine gesehen? Schau nur, wie rund und wohlgeformt sie sind. Es sind Knabenbeine. Ich habe Federgewichte im Boxring mit solchen Beinen gesehen. Und dabei sind es doch auch unverkennbar Frauenbeine. Da besteht kein Zweifel. Die geschwungene Linie dieses Oberschenkels auf der Vorderseite! Und die sie genau ergänzende Fülle auf der Rückseite! Und wie sich die einander gegenüberliegenden Kurven zum Knie hin verjüngen, zu einem Knie, das wirklich ein Knie ist! Mich juckt es in den Fingern. Wenn ich jetzt etwas Ton hier hätte.«

»Es ist ein vollkommenes menschliches Knie«, stimmte ihm, nicht weniger überwältigt, seine Frau zu, denn wie ihr Mann war auch sie Bildhauerin. »Schau nur, wie sich das Gelenk unter der Haut bewegt. Es hat Form und ist glücklicherweise nicht unter einer Fettschicht begraben.« Sie schwieg und seufzte, als sie an ihre eigenen Knie dachte. »Es ist fehlerfrei und schön und zierlich. Welch eine Anmut! Wenn ich je die Anmut eines Körpers gesehen habe, dann jetzt. Wer sie wohl ist?«

Stanley Patterson, der sie immer noch gebannt anstarrte, übernahm wieder seinen Part des Chorus.

»Hast du gesehen, daß bei ihr die runden Muskelkissen auf der Knieinnenseite, die die meisten Frauen x-beinig erscheinen lassen, fehlen. Es sind Knabenbeine, fest und trittsicher - « »Und doch reizende Frauenbeine, weich und rund«, beeilte sich seine Frau hinzuzufügen. »Und schau, Stanley! Sieh nur, wie sie auf den Fußballen geht. Sie wirkt dadurch so leicht wie eine Schwanendaune. Jeder Schritt scheint ein wenig über der Erde zu schweben, und jeder weitere hebt sie noch ein bißchen höher, bis man den Eindruck erhält, sie fliege oder sei gerade im Begriff, aufzusteigen...«

Soweit Stanley Patterson und seine Frau. Aber sie waren Künstler und sahen sie deshalb mit anderen Augen, während die Spießruten der anderen Blicke Ida Barton überall auf den Lanais (Veranden) des Outrigger-Clubs und im Schatten der Hau-Bäume des dicht angrenzenden Seaside-Hotels verfolgten. Der größte Teil des Publikums im Outrigger bestand nicht aus Touristen, sondern aus Clubmitgliedern und Leuten, die schon seit langem auf Hawaii lebten. Und sogar diese Frauen rangen nach Atem.

»Es ist einfach unanständig«, meinte Mrs. Black zu ihrem Mann Hanley. Sie selbst war eine um die Taille herum viel zu füllige Matrone von fünfundvierzig, die auf den Hawaii-Inseln geboren war und nie etwas von Ostende gehört hatte.

Hanley Black bedachte die strafbare Formlosigkeit seiner Frau und ihren prallen vorsintflutlichen Badeanzug mit einem vernichtenden Blick. Sie waren lange genug miteinander verheiratet, so daß er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt.

»Der Badeanzug dieser fremden Dame läßt deinen eigenen unanständig aussehen. Du erscheinst wie ein Geschöpf, das sich schmählich bemüht, unter einem grotesken Gewand irgendeine geheime Scheußlichkeit zu verbergen.«

»Sie hat die Körperhaltung einer spanischen Tänzerin«, sagte Frau Patterson zu ihrem Mann, denn die beiden waren in dem kleinen Bach hinter ihrem Traumbild hergewatet.

»Beim heiligen Georg, das ist wahr«, stimmte Stanley Patterson ihr bei. »Sie erinnert mich an Estrellita. Der Torso gerade ausgeprägt genug, schlanke Taille, nicht zu mager in der Bauchgegend, mit Muskeln wie ein junger Boxer, der seinen Leib gestählt hat, um die Schläge nicht fürchten zu müssen. Sie braucht sie, um sich so zu halten und als Gegengewicht zur Rückenmuskulatur. Sieh nur diese muskulöse Rückenlinie! Wie bei Estrellita.«