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Es ist ein hübscher und gewagter Trick, den man sich nicht an einem Tag aneignen kann. Er kann überhaupt nicht ohne den einen oder anderen sanften Aufprall auf dem Meeresboden gelernt werden, wobei mancher einer Schädelfraktur oder einem Genickbruch nur um Haaresbreite entgangen ist. Hier an dieser Stelle, wo die Bartons so traumhaft schön ins Wasser sprangen, hatte sich zwei Tage zuvor ein Leichtathlet von der Stanford Universität das Genick gebrochen. Er hatte den Zeitpunkt des Steigens und Absinkens einer Wahine-Welle falsch eingeschätzt.

»Eine Berufssportlerin«, kommentierte Mrs. Black spöttisch Ida Bartons Bravourstück.

»Irgend so eine Sensationsdarstellerin vom Variete«, war eine der vergleichbaren Bemerkungen, mit denen die im Schatten lagernden Damen einander selbstzufrieden beruhigten; sie fanden durch den sonderbaren geistigen Vorgang der Selbsttäuschung Genugtuung in der allein vom Geld bestimmten gesellschaftlichen Unterscheidung zwischen jemandem, der für sein Essen arbeiten mußte, und ihnen, die das nicht zu tun brauchten.

An diesem Tag herrschte in Waikiki eine hohe Brandung. Die Wahine-Brandung war sogar für die geübten Schwimmer rauh genug. Doch weiter hinaus, in die Kanaken- oder Männerbrandung, wagte sich niemand. Nicht daß den zwanzig oder mehr jungen Wellenreitern, die am Strand herumlagen, der Mut fehlte; vielmehr wußten sie nur zu gut, daß selbst ihre größten Auslegerkanus vollaufen und ihre Surfbretter in dem Sichbrechen und Herabstürzen der donnernden Wassermassen umschlagen würden. Sie selbst, jedenfalls die meisten von ihnen, hätten schwimmen können, denn es ist möglich, Brecher zu durchtauchen, die man mit Kanus und Surfbrettern nicht bewältigen kann. Doch sie waren von Honolulu nach Waikiki gekommen, um auf den Wellen zu reiten, sich aus dem Schaum zu erheben, um aufrecht in voller Größe frei über dem Wasser zu stehen und gleichsam beflügelt oder wie dahinstürmende Rosse auf den Strand zuzurasen. Nur das reizte sie.

Der Steuermann des Kanus Nummer Neun, selbst ein langjähriges Mitglied des Outrigger-Clubs und mehrmaliger Medaillengewinner im Langstreckenschwimmen, hatte nicht gesehen, wie die Bartons ins Wasser gesprungen waren und erspähte sie erst hinter der letzten Girlande der Badenden, die sich an den Halteleinen anklammerten. Von da an ließ er sie von seinem günstigen Posten auf dem oberen Lanai nicht mehr aus den Augen. Als sie an dem Stahlgerüst vorbeischwammen, wo ein paar der kühnsten Kunstspringer sich vergnügten, murmelte er verärgert »Verdammte Malihinis!« vor sich hin.

Nun heißt >Malihini< soviel wie Neuankömmling, Greenhorn, und trotz ihres eleganten Schwimmstils wußte er, daß nur Malihinis sich in die Rinne hinter der Sprungplattform wagen würde. Deshalb war der Bootsführer der Nummer Neun so verärgert. Er ging zum Strand hinunter, ließ hier und da ein leises Wort fallen und stellte eine Mannschaft aus den kräftigsten Wellenreitern zusammen. Dann kehrte er mit einem Fernglas bewaffnet zu seinem Lanai zurück. Eher beiläufig trug die sechsköpfige Besatzung die Nummer Neun dicht an das Wasser, sah nach, ob die Paddel und alles andere in Ordnung waren, um schnell ablegen zu können, und streckte sich dann wieder unbekümmert auf den Sand. An ihnen lag es, daß niemand bemerkte, daß irgend etwas im Gange war, wenn sie auch ab und zu verstohlene Blicke hinauf zu ihrem Steuermann warfen, der angestrengt durch sein Fernglas schaute.

Der Kanal war durch den Zufluß von Süßwasser entstanden. Korallen können nicht im Süßwasser leben. Was die starke Strömung verursachte, die in dieser Rinne herrschte, war der ungeheure, landeinwärts gerichtete Wellengang des Meeres. Da das hochaufgetürmte Wasser vom Strand aus zurückflutete und doch durch den unaufhörlichen Ansturm der Kanaken-Brandung jedesmal wieder zurückgetrieben wurde, gelangte es nur durch den Kanal und in Form einer Widersee unter den Brechern hindurch zurück ins Meer. Selbst im Kanal türmten sich die Wellen, jedoch nicht zu der herrlichen Schreckensgröße wie rechts und links davon. Deshalb konnte ein Kanu oder ein verhältnismäßig kräftiger Schwimmer sich in den Kanal wagen. Doch mußte der Schwimmer wirklich kräftig sein, um gegen den Sog anzukommen. Das war auch der Grund, weshalb der Steuermann der Nummer Neun seine Wache fortsetzte und weiterhin gemurmelte Verwünschungen gegen die Malihinis ausstieß. In seiner Verärgerung war er sicher, daß diese beiden Malihinis ihn dazu zwingen würden, die Nummer Neun zu Wasser zu lassen, um sie zu retten, sobald sie merkten, daß die Strömung zu stark war, um an Land zu schwimmen. Hätte er sich in ihrer mißlichen Lage befunden, dann würde er nach links abgeschwenkt sein und auf den Diamond Head zugehalten haben, um sich von den Wellenbergen der Kanakenbrandung an Land spülen zu lassen. Aber er war auch ein ganzer Kerl, ein bronzefarbener Herkules von zweiundzwanzig, der reinrassigste Weiße, der je von einer subtropischen Sonne mahagonibraun gefärbt worden war und dessen wohlproportionierter und muskulöser Körper den herrlichen Formen des Fürsten Kahanamoku glich. Auf einer Strecke von hundert Metern hätte ihn der amtierende Weltmeister um genau eine Sekunde geschlagen, aber bei einer Entfernung von mehreren Kilometern konnte er dafür den Champion ständig umkreisen.

Außer dem Bootsführer und seiner Mannschaft wußte keiner von den vielen Hunderten von Menschen am Strand, daß die Bartons die Sprungplattform hinter sich gelassen hatten. Alle, die sie beim Hinausschwimmen beobachtet hatten, gingen davon aus, daß sie sich zu den anderen auf der Plattform gesellt hatten.

Plötzlich sprang der Bootsführer auf das Verandageländer, hielt sich mit einer Hand an einem Pfeiler fest und visierte die beiden punktgroßen Köpfe erneut durch sein Glas an. Seine Vermutung bestätigte sich. Die beiden Narren waren aus dem Kanal heraus in Richtung Diamond Head abgedreht und befanden sich genau seewärts vor der Kanakenbrandung. Noch schlimmer, gerade, als er hinsah, schickten sie sich an, durch die Kanakenbrandung hindurch an Land zu schwimmen.

Er warf einen raschen Blick hinunter auf das Kanu, und als er noch hinschaute und die scheinbar müßig herumliegende Mannschaft ruhig aufstand und ihre Plätze neben dem Kanu einnahm, um es zu Wasser zu lassen, fällte er seine Entscheidung. Ehe das Kanu in dem Kanal auf gleicher Höhe sein konnte, würde es mit dem Mann und der Frau schon vorbei sein. Und angenommen, das Kanu erreichte sie, so würde es in dem Augenblick, da es sich in die Brandung wagte, vollschlagen, und selbst der beste Schwimmer unter ihnen hätte wenig Aussicht, einen Menschen zu retten, den die Wucht der großen Sturzseen auf dem Meeresgrund zu Brei zerstampfte.

Der Steuermann sah, wie die erste Kanakenwoge, zwar groß an sich, jedoch klein im Vergleich mit ihren Genossen, sich seewärts hinter den beiden winzigen Schwimmern erhob. Dann sah er sie Seite an Seite kraulen, lang ausgestreckt auf der Oberfläche, mit den Gesichtern unter Wasser, während ihre Füße wie Propeller wirbelten und ihre Arme mit schnellen Schlägen wie Dreschflegel arbeiteten, als sie versuchten, Tempo zu machen, um sich der Geschwindigkeit der sie einholenden Welle anzupassen, so daß sie von ihr erfaßt und mitgenommen wurden, anstatt hinter ihr zurückzubleiben. Auf diese Weise würden sie, wenn sie kaltblütig und geschickt genug waren, vor dem Kamm auf der Welle zu reiten, anstatt hochgeschleudert und zerschmettert oder kopfüber in den Abgrund gestürzt zu werden, auf den Strand zustürmen, getrieben nicht von ihrer eigenen Kraft, sondern von der Gewalt der Woge, mit der sie eins geworden waren.

Und sie schafften es! »Was für Schwimmer«, sagte der Steuermann der Nummer Neun leise zu sich selbst. Gespannt beobachtete er sie weiter. Die besten Schwimmer könnten sich bis zu etwa hundert Meter weit auf so einer Welle halten. Aber konnten sie das? Wenn ja, dann hätten sie ein Drittel ihres Weges durch jene Gefahrenzone bewältigt, der sie sich selbst ausgeliefert hatten. Die Frau jedoch, er hatte so etwas erwartet, blieb zuerst zurück, da ihr Körper dem Wasser nicht so eine große Angriffsfläche bot wie der ihres Mannes. Nach etwa zwanzig Metern ging sie unter. Von dem Tonnengewicht des über ihr zusammenschlagenden Wassers wurde sie nach unten gedrückt und war nicht mehr zu sehen. Ihr Mann folgte ihr, und beide kamen, hinter der Welle schwimmend, die sie verloren hatten, wieder zum Vorschein.