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Doch um auf das zurückzukommen, was ich eingangs erwähnte: Hawaii ist die Heimat schanghaiter Männer und Frauen, die nicht durch einen Knüppelhieb über den Kopf oder eine mit einem Betäubungsmittel vermischte Flasche Whisky, sondern durch Liebe zum Bleiben veranlaßt worden sind. Hawaii und die Hawaiianer sind ein liebevolles und liebenswertes Land und Volk. An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen - und in welchem anderen Land als diesem ist die gebräuchlichste Grußformel nicht »Guten Tag« oder »Wie geht’s«, sondern »Liebe«? Dieser Gruß lautet Aloha - Liebe, ich liebe dich, alles Liebe für dich. Guten Tag - was ist an einer derartigen unpersönlichen Bemerkung über das Wetter schon dran? Wie geht es - das ist eine zwar persönliche, doch eher beiläufige Frage. Aber Aloha! Das ist die positive Versicherung der eigenen herzlichen Zuneigung. Alle meine Liebe für dich! Ich liebe dich! Aloha!

Dann versuchen Sie sich einmal ein Land vorzustellen, das so lieblich und liebevoll ist wie ein solches Volk. Hawaii vereint all das in sich. Nicht vollkommen tropisch, sondern eher subtropisch, im Auslaufgebiet des Nordostpassats (der unter den Winden die Stellung einnimmt, die der Wein unter den Getränken besitzt) gelegen, mit einer Landschaft, die von palmenbestandenen Korallenstränden bis zu schneebedeckten, viertausend Meter hohen Gipfeln aufsteigt; nie waren so viele unterschiedliche Klimazonen auf einem einzigen Fleckchen Erde zu finden. Die Einwohner halten noch wie zu alten Zeiten, ja heute noch mehr, an dem Brauch fest, ein Stadthaus, ein Haus am Meer und ein Berghaus zu besitzen. Alle drei Häuser sind mit dem Automobil vielleicht nur eine halbe Stunde voneinander entfernt, und doch entsprechen sie in ihren klimatischen und landschaftlichen Unterschieden einem Haus an der Fifth Avenue oder dem Riverside Drive, einem Lager im Adirondack-Gebirge und einem Winterdomizil in Florida. Dazu kommt noch ein zwölfmonatiger Jahreszeitenzyklus, der in jeden einzelnen Tag hineingepackt ist.

Ich will versuchen, das zu verdeutlichen. Der New Yorker muß für die Adirondacks bis zum Sommer, für den Strand von Florida bis zum Winter warten. Doch auf Hawaii, sagen wir auf der Insel Oahu, kann ein Einwohner von Honolulu täglich entscheiden, in welchem Klima und in welcher Jahreszeit er den Tag verbringen will. Er hat die freie Auswahl. Ja, und mehr noch: Er kann in seinen Adirondacks aufwachen, in seiner Stadt zu Mittag essen, die Einkäufe erledigen und in den Club gehen, den Nachmittag an seinem Palm Beach zubringen und dort zu Abend speisen und dann zum Schlafen in die beißende Kälte seines Adirondack-Lagers zurückkehren.

Und was für Oahu gilt, gilt auch für die anderen großen Inseln dieser Gruppe. Klima und Jahreszeit können nach Belieben gewählt werden, mit zahllosen überraschenden Variationen als Dreingabe. Nehmen wir an, jemand ist leidend und sucht ein für einen Kranken zuträgliches Klima. Eine Nachtfahrt auf einem Dampfer von Honolulu aus wird ihn zu der leewärts gelegenen Küste der Hauptinsel bringen. Dort, zwischen den Kaffeebäumen auf den Hängen von Kona, etwa dreihundertfünfzig Meter über Kailua und der sich kräuselnden See, wird er das perfekte Klima für einen Schonungsbedürftigen finden. Es ist das Land der morgendlichen Windstille, des nachmittäglichen Regenschauers und der abendlichen Ruhe. Nie gehen rauhe Lüfte. Ein- oder zweimal im Jahr bläst vierundzwanzig oder achtundvierzig Stunden lang eine steife Brise von Süden, Kona-Wind genannt. Sonst gibt es keinerlei Turbulenzen, zumindest keine Luftbewegungen, die kräftig genug wären, um diesen Namen zu verdienen. Es sind nicht einmal leichte Brisen. Es ist ein Fächeln, das am Tag und in der Nacht seine Richtung ändert. Unter der Sonne erwärmt sich das Land und saugt die milde Seeluft an. Nachts strahlt das Land die Hitze schneller ab, die See bleibt wärmer und holt sich die schwach mit Blumenduft getränkte Bergluft zurück.

So ist das Klima von Kona, wo niemand im Traum daran denkt, auf ein Thermometer zu schauen, wo jeden Nachmittag ein erfrischender Frühlingsregen fällt und wo man weder Frost noch Hitzschlag kennt. All das wird durch die hochaufgetürmten Bergstöcke des Mauna Kea und Mauna Loa ermöglicht. Auf ihrer anderen Seite, den windwärts gelegenen Hängen der Hauptinsel entlang der Hamakua-Küste, bläst der Passat oft genug mit einer Stärke von fünfundsechzig Kilometern in der Stunde. Sollte ein »Wasserfrosch« aus Oregon Heimweh nach dem gewohnt feuchten heimischen Wetter bekommen, wird er triefende Linderung an den windwärts gelegenen Küsten Hawaiis und Mauis finden, angefangen von Hilo im Süden mit einer durchschnittlichen jährlichen Regenmenge von dreihundertachtzig Zentimetern bis hin zum Nahiku-Distrikt im Norden hinter Hana, wo eine Niederschlagsmenge von zehneinhalb Metern innerhalb eines einzigen Jahres belegt ist. Auch beim Regen hat man die Wahl zwischen fünfhundert, fünfzig, dreizehn und zweieinhalb Zentimetern. Ja, und außerdem kann es vierundsechzig Kilometer von Nahiku entfernt, an den leewärts gelegenen Hängen des House of the Sun, der der größte erloschene Vulkan der Erde ist, vorkommen, daß es innerhalb von einem Dutzend Jahren nicht ein einziges Mal regnet. Das Vieh verbringt sein Dasein, ohne je eine Pfütze zu sehen, und Pferde scheuen bei fließendem Wasser oder versuchen, es mit den Zähnen zu zermahlen.

All diese Beispiele wären beliebig zu vermehren, und die Behauptung, daß nirgends sonst so viele Klimazonen an einem Ort vereint sind, ließe sich noch mit der Feststellung ergänzen, daß man nirgendwo so viele Landschaftsformen auf einem Fleck findet. Die Vielfalt ist unendlich groß, von den Lavaküsten des südlichen Puna bis hin zu den mit Booten übersäten Sandstränden Kauais. Auf jeder Insel können halsbrecherische Kletterpartien zuhauf unternommen werden. Man kann jenseits der Baumgrenze auf den schneebedeckten Gipfeln des Mauna Kea oder des Mauna Loa vor Kälte zittern, umkommen vor Hitze unter den Banyan-Bäumen im verschlafenen, alten Lahaina, im klaren Ozeanwasser schwimmen, das an zehntausend Stränden wie Champagner perlt, oder Nacht für Nacht in Decken eingehüllt auf den Bergwiesen der großen Weidegebiete verbringen, um jeden Morgen vom Gesang der Lerchen und dem frischen, lebhaften Frühlingslüftchen geweckt zu werden. Aber nie und nimmer wird man, wohin man sich auch wendet, auf unserem Hawaii einen Hurrikan, einen Tornado, einen Schneesturm, Nebel oder fünfunddreißig Grad im Schatten erleben. Derart unangenehme Wetterlagen sind meteorologisch unmöglich, versichern uns die Experten. Als Hawaii als das Paradies des Stillen Ozeans bezeichnet wurde, hat man ihm nicht den Namen gegeben, der ihm tatsächlich gebührt. Zum Stillen Ozean sollte man noch die restlichen sieben Meere samt den darinliegenden Inseln hinzufügen. »Neapel sehen und sterben« - hier muß es heißen: Hawaii sehen und leben.

NACHWORT

Es ist die Südsee, die um 1620 Francis Bacons Schiffsreisende auf ihrem imaginären Weg von Peru nach Japan und China durchqueren müssen: eine unerforschte Region mit mythischer Ausstrahlung, in der sie - man hätte es fast erwarten können -auf einen utopischen Staat, Neu-Atlantis nämlich, stoßen. Während der nächsten Jahrhunderte vermuten waghalsige Seefahrer dort in allem Ernst die legendäre »Terra Australis Incognita«, und unzählige »Robinsone«, so Immanuel Kant in seinem Kommentar zu J. J. Rousseau, treibt die Suche nach dem »reinen Genuß eines sorgenfreien in Faulheit verträumten oder mit kindischem Spiel vertändelten Lebens«, treibt der Wunsch »zur Rückkehr in jene Zeit der Einfalt und Unschuld« eines »goldenen Zeitalters«. Ohne Zweifeclass="underline" Europäer fühlen sich - von Montaigne über Chateaubriand und Herder bis zu Stevenson und Gauguin - immer wieder fasziniert von der -vermuteten oder selbst erfahrenen - vermeintlichen Ursprünglichkeit und Wildheit, die sich inmitten der südpazifischen Wasserwüste plötzlich auftut. Allerdings: von Anfang an treibt unerschrockene Seefahrer und Entdeckungsreisende auch die Suche nach neuen kolonialen Märkten in die Südsee, und sind sie gefunden, strömen nicht nur die sprichwörtlichen Europamüden in die paradiesischen Refugien, sondern auch Missionare und Händler, die nach dem Rechten sehen. Der eine oder andere muß dann wohl auch das Schicksal jenes Captain James Cook erleiden, der die Neuen Hebriden, die Salomonen und 1778 schließlich die nach seinem aristokratischen Freund und Gönner benannten Sandwich-Inseln entdeckt, um - als er 1779 noch einmal zur größten dieser Inseln vulkanischen Ursprungs, nach Hawaii, zurückkehrt - von Eingeborenen erschlagen zu werden. Andere, wie Herman Melville, dessen autobiographischer Erstlingsroman Taipi. Ein Blick auf polynesisches Leben (1846) die Lektüre der Cookschen Berichte und der Schilderungen des Tahiti-Entdeckers Louis-Antoine de Bougainville verrät, vermitteln zwar das Bild eines sorglosen und sexuell freizügigen Lebens; aber das Paradies der Südsee hat auch bei Melville neben dem Reiz des Exotisch-Fremden seine düsteren Seiten: den Kannibalismus, wie sein Held ahnt.