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„Davon möchte ich nichts mehr hören!“ entgegnete Eilonwy.

Taran ließ sich nicht irremachen. „Glaub mir, ich hatte wirklich Sorge um dich“, beteuerte er. „Dein Pfeilzauber hat mich einfach vergessen lassen, das zu erwähnen. Wie du den Kesselkriegern entgegengetreten bist, das war tapfer von dir, alle Achtung!“

„Du hast ganz schön lang gebraucht, um mir das zu sagen“, erwiderte Eilonwy voller Genugtuung. „Nun, ich stelle mir vor, daß so was bei einem Hilfsschweinehirten langsamer geht als bei anderen Leuten. Offenbar hängt das mit deinem Beruf zusammen.“

„Damit kannst du recht haben“, meinte Taran. „Ich habe mir zuviel zugetraut, und nun sehe ich ein, daß ich nichts ohne fremde Hilfe vermag. Dem Schicksal sei Dank, das mir euch zu Gefährten gab – sonst käme ich nie im Leben nach Caer Dathyl!“

„Ach, da liegt der Hund begraben!“ rief Eilonwy so heftig aus, daß Fflewddur erschrocken aufschnarchte. „Du brauchst uns, damit wir dir weiterhelfen! Irgendwer muß dir die Pfeile und Schwerter schleppen und alles, was sonst zu tragen ist; wer es tut, ist dir gleichgültig. Weißt du was? Wir sind fertig, ich habe dir nichts mehr zu sagen!“ Wütend zog sie den Mantel über den Kopf und stellte sich schlafend.

Taran wußte nicht, was er von ihren Worten halten sollte. „Zu Hause ist nie was geschehen, und nun geschieht alles auf einmal“, dachte er. „Irgendwie hab’ ich den Eindruck, daß ich es niemandem recht machen kann…“ Seufzend machte er den Bogen schußbereit und begann mit der Wache. Allmählich kam schon der Tag herauf.

Am Morgen mußte der Junge feststellen, daß Gurgis Bein über Nacht viel schlimmer geworden war. Er verließ den Lagerplatz, um den Waldrand nach Heilpflanzen abzusuchen. Wie gut, daß Coll ihn auch in der Kräuterkunde unterwiesen hatte! Er machte einen feuchten Umschlag zurecht und wand ihn um Gurgis Bein.

Fflewddur hatte inzwischen begonnen, mit dem Dolch eine neue Landkarte in den Boden zu ritzen. Die Kesselkrieger, so erklärte er den Gefährten, hätten sie weit in das Ystrad-Tal abgedrängt. Wenn sie nun auf den ursprünglichen Pfad zurückkehren wollten, kostete sie das zwei volle Tage. „Da wir schon einmal so weit im Norden sind“, führte er weiter aus, „sollten wir lieber gleich den Ystrad überqueren und den Weg durch die Berge nehmen. Dort sind wir vor dem Gehörnten König sicher; und wenn wir gut ausschreiten, werden wir Caer Dathyl trotzdem früher erreichen als er.“

Taran stimmte dem neuen Plan zu. Melyngar sollte das Mädchen und den fiebernden Gurgi tragen, während Fflewddur und er die Waffen schleppten. Eilonwy vergaß ihren Vorsatz, nie mehr mit Taran zu sprechen, und sie bestand darauf, den Weg zu Fuß fortzusetzen. In einem Tagesmarsch erreichten sie die Uferhöhen des Ystrad. Taran pirschte sich an den Rand des Steilhangs vor und erspähte im Tal eine mächtige Staubwolke, die sich von Süden heranbewegte. Als er den Gefährten davon berichtete, klopfte Fflewddur ihm auf die Schulter und sagte: „Wir sind ihnen zuvorgekommen! Ich hatte schon befürchtet, wir würden die Nacht abwarten müssen, um den Ystrad zu überqueren. Nun haben wir einen halben Tag gewonnen. Schnell jetzt, dann können wir noch vor Sonnenuntergang in den Adlerbergen sein!“ Die Harfe über den Kopf haltend, watete Fflewddur ins Wasser, die anderen folgten ihm. Zum Glück war der Ystrad an dieser Stelle ziemlich seicht, sie durchschritten ihn ohne Schwierigkeiten. Als sie am anderen Ufer ankamen, waren sie dennoch bis auf die Haut durchnäßt, und die untergehende Sonne vermochte sie weder zu trocknen noch zu erwärmen.

Jenseits des Flusses klommen sie einige steile Felsenhänge empor. Vielleicht bildete Taran es sich bloß ein – doch je weiter sie in die Adlerberge vordrangen, desto leichter ließ es sich atmen. Dankbar sog er den trockenen, würzigen Duft der Fichten ein. Ursprünglich hatte er gehofft, sie würden während der ganzen Nacht weiterwandern können, aber Gurgis Zustand verschlechterte sich von Stunde zu Stunde so sehr, daß sie schließlich anhalten mußten. Der Tiermensch sah elend aus, er schüttelte sich im Fieber. Nicht einmal von der Aussicht auf Reißen-und-Beißen ließ er sich ermuntern. Selbst Melyngar zeigte Mitleid mit ihm und leckte ihn zärtlich hinter dem Ohr ab. Taran wagte es, ein kleines Feuer anzumachen. Mit Fflewddurs Hilfe legte er Gurgi daneben ins Moos. Während Eilonwy den Kopf des armen Burschen hielt und ihm einen Schluck aus der Lederflasche einflößte, schlichen Taran und Fflewddur beiseite, um zu beratschlagen.

„Ich hab’ alles getan, was ich kann und weiß“, sagte der Junge sorgenvoll. „Es steht schlimm um Gurgi. Das bißchen, das von ihm übrig ist, kann man fast wegblasen wie ein welkes Blatt.“

„Es ist nicht mehr weit bis Caer Dathyl“, sagte Fflewddur. „Trotzdem fürchte ich, daß unser Freund es nicht lebend erreichen wird.“

In der Dunkelheit jenseits des Feuers begannen Wölfe zu heulen.

Den ganzen nächsten Tag folgten ihnen die Wölfe nach. Von Zeit zu Zeit bellten sie auf, als ob sie sich miteinander verständigten. Sie blieben stets außer Bogenschußweite, Taran erspähte sie hie und da zwischen den Bäumen.

„Solang sie nicht näher herankommen, brauchen wir keine Angst zu haben“, sagte er.

„Angreifen werden sie nicht“, meinte Fflewddur. „Jedenfalls jetzt noch nicht. Wenn sie wissen, daß jemand verwundet ist, können sie eine unheimliche Geduld an den Tag legen.“ Er warf einen besorgten Blick auf Gurgi. „Für die ist das bloß eine Sache des Abwartens.“

„Sollten sie angreifen, werden wir uns zur Wehr setzen“, sagte der Junge ruhig. „Auf keinen Fall dürfen wir jetzt den Mut verlieren – so dicht vor dem Ziel!“

„Ein Fflam verliert nie den Mut!“ rief der Barde. „Her mit euch, ihr verdammten Biester, euch will ich heimleuchten!“

Trotzdem wurde es den Gefährten mit der Zeit unbehaglich, als die grauen Räuber nicht davon abließen, ihnen zu folgen. Selbst Melyngar begann unruhig zu werden. Er schüttelte die goldene Mähne, er blähte die Nüstern, er rollte die Augen.

Zu allem Überfluß stellte Fflewddur fest: „Ich fürchte, wir müssen uns weiter nach Norden halten, wenn wir uns nicht in den Bergen verrennen wollen! Ich hatte mit einem Paß gerechnet – es gibt keinen, wie mir scheint!“

„Die Wölfe sind besser dran“, sagte Eilonwy. „Denen fällt es nicht schwer, ihren Weg zu finden!“

„Mein liebes Mädchen“, entgegnete Fflewddur nicht ohne Entrüstung, „wenn ich in der Lage wäre, auf vier Beinen zu laufen und mein Fressen auf eine Meile Entfernung zu wittern, dann hätte ich bestimmt auch keine Schwierigkeiten mit dem Weg.“

Eilonwy kicherte. „Du auf vier Beinen – das muß man sich vorstellen!“

„Aber wir haben doch jemand, der auf vier Beinen läuft!“ rief Taran, einer plötzlichen Eingebung folgend. „Heißt es nicht, jedes Pferd finde den Weg nach Hause, in seinen Stall? Wenn uns jemand nach Caer Dathyl führen kann, ist es Melyngar.“

Fflewddur Fflam schnalzte mit den Fingern. „Du sagst es!“ pflichtete er dem Jungen bei. „Das ist einen Versuch wert!“

„Für einen Hilfsschweinehirten hast du zuweilen ganz brauchbare Einfälle“, meinte auch Eilonwy. Taran gab Melyngar frei. Mit Gurgi, der quer über seinem Rücken lag, trottete das weiße Roß festen Schrittes davon. Der Junge mit Fflewddur und Eilonwy folgte ihm. Um die Mitte des Nachmittags entdeckte Melyngar einen Paß, den selbst Fflewddur übersehen hätte, wie er offen zugab. Der Schimmel führte sie einen schmalen Pfad entlang, durch Felsenschluchten und über steile Geröllhalden. Den Gefährten blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Als er in eine enge Klamm hineintrabte, verlor Taran ihn für kurze Zeit aus den Augen. Er eilte ihm nach und sah gerade noch, wie er scharf um eine vorspringende Felskante bog.

„Rasch mir nach!“ rief der Junge dem Barden und Eilonwy zu und folgte dem weißen Roß. Plötzlich erstarrte er. Links von ihm kauerte auf einer Felsenstufe ein riesiger grauer Wolf mit bernsteinfarbenen Augen und weit aus dem Rachen hängender Zunge. Ehe Taran das Schwert ziehen konnte, sprang das magere Tier ihn an.