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„Großartig kannst du das!“ sagte Eilonwy. „Das ist sicher mehr wert, als wenn man sich unsichtbar machen kann.“ Der Zwerg gab ihr keine Antwort, er blickte sie nur verdrossen an. Taran polsterte den Boden des Käfigs mit Blättern aus und setzte den Gwythaint vorsichtig hinein. Dann nahmen sie den Marsch wieder auf. Doli schlug eine raschere Gangart an, um die verlorene Zeit einzubringen. Er hastete die Berghänge hinab, ohne sich im mindesten darum zu scheren, ob Taran und die anderen überhaupt imstande waren, ihm zu folgen. Während des Tages erholte sich der Gwythaint zusehends. Bei jedem Halt fütterte ihn der Junge und flößte ihm etwas von seinem Kräutersud ein. Gurgi war noch immer so verstört, daß er es nicht wagte, sich dem Käfig zu nähern. Fflewddur hingegen machte den Versuch, mit dem Vogel Freundschaft zu schließen. Als er jedoch den Finger durchs Gitter steckte, zuckte der Gwythaint zurück und hieb mit dem Schnabel nach ihm. „Das führt zu nichts Gutem!“ rief Doli. „Ich warne euch! Aber ihr braucht euch an meine Warnung ja nicht zu halten.“

Bei Einbruch der Dunkelheit schlugen sie das Nachtlager auf und besprachen die Pläne für den nächsten Tag. Der Gwythaint hatte sich vollends erholt. Gierig verschlang er die Bissen, die Taran ihm durch das Gitter reichte. Nach der Fütterung ließ er sich auf dem Boden des Käfigs nieder; den Kopf aufgerichtet, spähte er in die Runde und verfolgte mit seinen Blicken jede Bewegung. Taran wagte es schließlich, einen Finger durch das Gitter zu schieben und dem Gwythaint den Kopf zu kraulen. Das Tier zischte ihn nicht mehr an und versuchte auch nicht, ihm weh zu tun. Der Gwythaint erlaubte es nun sogar Eilonwy, ihn zu füttern; doch auch ein neuerlicher Versuch des Barden, Freundschaft mit ihm zu schließen, schlug fehl.

„Er scheint sich gemerkt zu haben, daß du fürs Kopfabschlagen gewesen bist“, sagte Eilonwy. „Wenn jemand dafür gestimmt hätte, daß man mir den Kopf abschlägt, und hinterher käme er, um sich bei mir anzubiedern – auf den würde ich auch loshacken.“

„Gwydion hat mir erzählt, daß Arawn die Gwythaints von klein auf zum Bösen abrichte“, sagte Taran. „Ich wünschte, der Fürst wäre hier und zeigte uns, wie man das Tier behandeln muß, um ihm die Bosheit zu nehmen. Nun, vielleicht gibt es einen guten Falkner in Caer Dathyl, der sich auf solche Dinge versteht und uns weiterhilft …“

Am nächsten Morgen war der Käfig leer. Doli, der vor den anderen aufgestanden war, hatte es als erster entdeckt. Wütend hielt er Taran den Käfig unter die Nase. Der Gwythaint hatte die Rutenstäbe des Gitters mit seinem Schnabel in Stücke gehackt. „Da hast du nun die Bescherung!“ schrie Doli. „Ich hab’ dir’s ja gleich gesagt, aber du hast ja nicht auf mich hören wollen. Jetzt ist der Bursche gewiß schon auf halbem Weg nach Annuvin – und wenn Arawn bisher nichts von uns gewußt haben sollte: Nun weiß er es bald! Ich muß sagen, das hast du schlau gemacht, mehr als schlau. Darauf kannst du dir was einbilden, du Narr!“ Taran konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Fflewddur sagte nichts, aber er blickte grimmig drein.

„Ich habe wieder einmal, wie gewöhnlich, das Falsche getan“, gestand Taran niedergeschlagen. „Doli hat recht, ich bin wirklich ein unverbesserlicher Narr.“

„Das mag sein“, stimmte Eilonwy zu, und ihre Bemerkung war nicht gerade dazu angetan, den Jungen aufzuheitern. „Aber“, fuhr sie fort, „ich kann Leute nicht ausstehen, die immer behaupten: ›Das habe ich gleich gesagt!‹ Das ist schlimmer, als wenn einer kommt und dir das Essen wegschnappt, bevor du dich richtig zu Tisch gesetzt hast. – Nun ja“, fügte sie im gleichen Atem hinzu, „Doli meint es natürlich gut mit uns, auch wenn er ein bißchen ruppig tut. Er kommt mir vor wie ein Stachelschwein, das nach außen von Stacheln strotzt; aber wenn man es auf den Rücken dreht, ist es sehr kitzlig. Wenn er doch endlich aufhörte, sich unsichtbar machen zu wollen! Ich bin überzeugt, daß dies seiner Laune gewaltig zugute käme.“

Es blieb ihnen keine Zeit zu weiteren Auseinandersetzungen, Doli drängte zu raschem Aufbruch. Sie folgten bis gegen Mittag den Höhenzügen im Osten des Ystrad-Tales und wandten sich dann nach Westen, zum Fluß hinüber. Der Himmel hatte sich zunehmend verfinstert, heftige Windstöße peitschten das Land. Melyngar wieherte ängstlich auf. Hen Wen, die bis dahin gelassen und freundlich gewesen war, begann die Augen zu rollen und knurrte unentwegt vor sich hin. Während die Gefährten eine kurze Rast hielten, ging Doli ein Stück voraus, um das Gelände zu erkunden. Dann führte er Taran und seine Begleiter an eine Stelle, wo sie das Tal des Ystrad gut überblicken konnten. Flach auf dem Boden liegend, hielten sie Ausschau. Das Bild, das sich ihnen bot, war entmutigend. In der Niederung wimmelte es von Kriegern zu Roß und zu Fuß. Schwarze Banner wehten im Wind, Waffen klirrten und Hufe klapperten. An der Spitze des Heeres ritt der Gehörnte König.

Mit seiner Riesengestalt überragte er alle Reiter. Das schwarze Geweih mit den mächtigen Schaufeln war weithin sichtbar. Plötzlich, so schien es dem Jungen, wandte der Kopf des Gehörnten sich langsam zu ihm herüber. Taran fühlte, wie ihm der Atem stockte. Der König, davon war er überzeugt, vermochte ihn nicht zu sehen. Dennoch war es ihm, als richte er seine glühenden Augen auf ihn und stoße ihm seine Blicke wie Dolche ins Herz.

„Sie haben uns eingeholt“, sagte Taran mit matter Stimme.

„Schnell!“ rief der Zwerg. „Jetzt ist nicht die Zeit, um zu jammern und mit dem Schicksal zu hadern! Wir haben bis Caer Dathyl einen knappen Tagesmarsch – wie sie auch. Doch zum Unterschied von ihnen können wir uns rascher fortbewegen. Hätten wir mit dem Gwythaint kurzen Prozeß gemacht, so wären wir jetzt bedeutend weiter als sie. Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!“

„Wir sollten die Waffen griffbereit halten“, meinte der Barde. „Vielleicht sind die Kundschafter des Gehörnten Königs näher, als wir vermuten.“

Taran schnallte die Waffen von Melyngars Rücken los. Jeder bekam einen Bogen, einen Köcher mit Pfeilen und einen kurzen Speer. Gurgi gürtete sich ein Schwert um. Von allen Gefährten war er am meisten aufgeregt. „Ja, ja!“ schrie er. „Nun ist auch der kühne, tapfere Gurgi ein mächtiger Krieger! Er hat einen Speer und ein Schwert. Jetzt kann’s losgehen mit Hauen und Stechen und Knochenbrechen, der mutige Gurgi ist darauf vorbereitet!“

„Und ich auch!“ erklärte Fflewddur. „Nichts auf der Welt vermag dem Angriff eines Fflam zu widerstehen – insbesondere dann, wenn er zornig ist!“ Der Zwerg schlug die Hände über dem Kopf zusammen und knirschte mit den Zähnen. „Hört auf mit dem dummen Gerede, bewegt euch lieber!“ drängte er. Diesmal war er so wütend, daß er nicht einmal daran dachte, die Luft anzuhalten.

Taran hängte Bogen und Köcher über die Schulter. Hen Wen duckte sich zu Boden und grunzte verstört. „Ich weiß, du hast Angst“, meinte Taran verständnisvoll. „Doch bald sind wir in Caer Dathyl, und dort bist du in Sicherheit.“

Das Schwein folgte ihnen nur widerwillig. Immer wieder blieb es zurück, sein Rüssel zitterte vor Angst, seine Augen irrten unstet hin und her. Taran mußte ihm unentwegt gut zureden, damit es nicht vollends den Mut verlor.

Beim nächsten Halt stellte Doli den Jungen zur Rede. „Mach nur so weiter!“ rief er. „Erst hält uns ein Gwythaint auf, und jetzt dieses weiße Schwein.“

Taran versuchte dem ärgerlichen Zwerg klarzumachen, daß man es Hen Wen beim besten Willen nicht übelnehmen könne, wenn sie verschreckt sei. „Sie spürt die Nähe des Gehörnten Königs“, sagte er achselzuckend, „das lähmt sie.“