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„Gurgi hat sich für seine Freunde tapfer geschlagen!“ schrie er. „Voll Wut und Mut bis aufs Blut! Welch ein Getümmel im Kampfgewimmel! Püffe und Knüffe von allen Seiten für Gurgi und Schwerthiebe auf sein armes, zartes Haupt. Aber der tapfere Gurgi ist nicht davongelaufen, o nein!“

Taran lächelte, er war tief bewegt. „Tut mir leid um dein zartes Haupt“, sagte er und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Schlimm, daß du meinetwegen verwundet wurdest!“

„Macht nichts! Der grimmige Gurgi hat es den Kriegern des bösen Königs heimgezahlt. Er hat sie mit Zittern und Zagen erfüllt und mit lautem Wehklagen!“

„Stimmt aufs Wort“, sagte Fflewddur. „Er war der Tapferste von uns allen – doch auch mein stämmiger kleiner Freund aus dem Zwergenland hat erstaunliche Dinge mit seiner Axt vollbracht!“

Doli lachte zum erstenmal, seit sie ihn kannten. „Hab’ mich gewaltig in euch getäuscht“, gab er zu. „Hielt euch am Anfang alle für Muttersöhnchen und Hasenfüße. Hoffe, ihr werdet es mir verzeihen!“

„Wir haben die feindlichen Krieger aufgehalten, bis ihr weit genug weg gewesen seid“, sagte Fflewddur. „Manche von ihnen dürften in Zukunft allen Grund haben, schlecht von uns zu denken.“ Das Gesicht des Barden leuchtete auf. „Wir haben wie Löwen gekämpft, obgleich wir hoffnungslos in der Minderzahl waren. Aber ein Fflam streckt niemals die Waffen! Nie! Ich hab’ mich mit dreien zugleich herumgeschlagen: Hieb und Stoß ging das, Stoß und Hieb! Da griff mich ein vierter von hinten an, dieser feige Schuft! Aber ich schleuderte ihn von mir. Wir haben sie alle abgeschüttelt. Mit tödlichen Streichen haben wir uns den Weg gebahnt, mitten durch einen Wall von Feinden.“

Taran rechnete jeden Augenblick damit, daß an Fflewddurs Harfe ein paar Saiten reißen mußten. Zu seinem Erstaunen blieben sie alle ganz.

„Nun ja“, schloß der Barde achselzuckend seinen Bericht. „So war das also. Eigentlich gar nichts dabei, wenn man’s hinter sich hat. Ich war ohnehin fest davon überzeugt, daß nichts schiefgehen konnte. Das stand für mich außerhalb jeden Zweifels.“

Erst jetzt riß mit lautem Scheppern eine der Saiten entzwei. Da beugte sich Fflewddur zu Taran herunter und flüsterte ihm ins Ohr: „Um ehrlich zu sein – es war gräßlich! Niemand konnte erwarten, daß wir es schaffen würden.“

Eilonwy packte Fflewddur am Arm und drängte ihn zur Tür. „Hinaus!“ rief sie. „Fort mit euch allen! Seht ihr nicht, daß er Ruhe braucht?“ Sie schob Gurgi, den Zwerg und den Barden hinaus auf den Gang. „Und jetzt bleibt ihr draußen! Niemand darf ohne meine Erlaubnis zu ihm herein!“

„Auch ich nicht?“

Beim Klang dieser neuen Stimme fuhr Taran hoch. Träumte er, oder war er wach? Im Türrahmen stand Fürst Gwydion. Im ersten Augenblick hätte Taran ihn fast nicht wiedererkannt – in dem prächtigen, reichbestickten Gewand mit der kunstvoll geschmiedeten Sonnenscheibe aus purem Gold auf der Brust. Kraft und Zuversicht strahlten aus seinen grünen Augen. Genauso hatte der Junge sich Gwydion immer vorgestellt – damals, zu Hause in Caer Dallben. Ohne auf seinen verwundeten Arm zu achten, sprang er vom Lager auf.

Gwydion schritt auf ihn zu. Übermannt von der Würde und Hoheit, die von ihm ausgingen, beugte Taran das Knie und stammelte: „O mein Fürst!“

„Begrüßt so der Freund den Freund?“ Gwydion reichte dem Jungen die Hand und zog ihn empor. „Was ist mit dir? Fürchtest du wieder, ich könnte die Absicht haben, dich zu vergiften?“

Taran suchte nach Worten. „Ihr… lebt?“ stieß er keuchend hervor. „Ihr lebt wirklich?“ Er beugte sich über Gwydions Hand und weinte, ohne sich dessen zu schämen.

„Ich habe den Eindruck, daß ich im Augenblick weitaus lebendiger bin als du“, sagte Gwydion. Jetzt erst bemerkte der Junge das Schwert in der schwarzen Scheide an seiner Hüfte.

„Woher – habt Ihr es?“ fragte er leise. „Ein königliches Geschenk“, antwortete Gwydion. „Das Geschenk einer jungen Dame.“

„Er hat es von mir“, sagte Eilonwy; und zu Taran gewandt, fuhr sie fort: „Ich hatte dich doch gewarnt, es zu ziehen – aber du hast ja nicht hören wollen!“

„Deine Kraft hat zum Glück nicht ausgereicht“, sagte Gwydion zu Taran. „Wäre es dir gelungen, das Königsschwert ganz aus der Scheide zu reißen – die Flamme Dyrnwyns hätte dich getötet. Dyrnwyn, das hat Eilonwy richtig erkannt, ist ein Schwert der Macht. So alt ist es, daß ich die Kunde davon für ein Märchen hielt. Große Geheimnisse ranken sich um Dyrnwyn, sein Verschwinden hat Spiral Castle zerstört und Arawn einen schweren Schlag versetzt.“

Mit einer raschen, kraftvollen Bewegung zog Gwydion die Klinge blank und reckte sie hoch. Gleißendes Licht erfüllte den Raum. Erstaunt und erschrocken wich Taran zurück und hob schützend den Arm vor die Augen. Gwydion schob die flammende Waffe rasch wieder in die Scheide.

„Als ich den Fürsten Gwydion sah“, bekannte das Mädchen, „da wußte ich: Er und kein anderer ist der Mann, dem das Schwert aus der Gruft des Königs gebührt. Ehrlich gesagt – ich bin gar nicht böse darüber, das plumpe Ding endlich los zu sein.“

„Was redest du ständig dazwischen?“ fuhr Taran sie an. „Ich brenne darauf, daß mein Freund mir erzählt, was ihm widerfahren ist – und du läßt ihn kaum zu Wort kommen!“

Gwydion brachte den Jungen zurück auf sein Lager und deckte ihn zu.

„Ich möchte dir nicht mit einer langen Geschichte zur Last fallen“, sagte er. „Daß wir den Angriff Arawns für diesmal abwehren konnten, weißt du ja. Wie und wann er das nächstemal zuschlagen wird, vermag niemand zu sagen – doch brauchen wir ihn im Augenblick kaum zu fürchten.“

„Und Achren?“ fragte Taran. „War sie in Spiral Castle, als es zusammenstürzte?“

„Nein“, sagte Gwydion. „Bald nachdem man uns voneinander getrennt hatte, ließ sie mich aus der Zelle holen und auf ein Pferd binden. Dann brachte sie mich, von den Kesselkriegern begleitet, zum Turm der Schrecken.“

„Zum – Turm der Schrecken?“ fragte Taran.

„Ein befestigter Stützpunkt Arawns“, sagte Gwydion, „unweit von Spiral Castle gelegen. Ich konnte mir denken, was mich in diesem Gemäuer erwartete. Doch bevor sie mich ins Verlies stießen, faßte Achren mich am Arm und rief: Warum wählst du den Tod, Fürst Gwydion, da du aus meiner Hand doch ein ewiges Leben empfangen könntest – und unermeßliche Macht dazu? Ich habe Arawn zum Herrscher über Annuvin gemacht; ich war es, die ihm Gewalt und Reichtum verliehen hat. Er aber, falsch und undankbar, hintergeht mich seit langem aufs allerschändlichste. Dafür muß er bestraft werden: Es bedarf eines einzigen Wortes von dir, und sein Platz auf dem Thron von Annuvin ist dein!“

„Was habt Ihr Achren geantwortet?“

„Daß ich nichts lieber täte, als Arawn zu stürzen – doch sie mit ihm. Da ließ sie mich in den tiefsten Kerker werfen, und nie bin ich meinem Tod näher gewesen als dort.“

Gwydion blickte zu Boden.

„Wie lang ich im Kerker lag, weiß ich nicht“, fuhr er fort. „Eine Woche in jenem Schreckensturm zählt für zwanzig Jahre. Achren ließ mich grausam foltern, an Leib und Seele. Die qualvollste aller Martern war die Verzweiflung. Doch selbst in der tiefsten Verlassenheit gab ich die Hoffnung nie gänzlich auf. Dies nämlich ist das Geheimnis des Turms der Schrecken: Wenn du in aller Anfechtung standhaft bleibst, dann entschleiern sich deinem Blick selbst die Rätsel des Todes.“

„Und Ihr?“ fragte Taran atemlos.

„Am Ende wurde mir vieles offenbar, was zuvor dunkel gewesen war“, sagte Gwydion. „Doch genug davon! Es mag hinreichen, wenn ich dir sage, daß ich das Wesen von Leben und Tod erkannte, von Lachen und Weinen, von Ende und Anfang. Ich habe die Wahrheit der Welt geschaut – und keine Kette vermochte mich länger zu halten. Die eisernen Bande lösten sich auf wie Träume, die Mauern meines Gefängnisses schmolzen wie Schnee an der Sonne dahin.“