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„Es ist wegen Hen Wen“, erwiderte Taran. „Ich hätte wissen müssen, daß ich sie nicht aufhalten kann. Nun ist sie fort, und mich trifft die Schuld daran. Ich bin nämlich der Hilfsschweinehirt…“

„Fort ist sie?“ Gwydions Züge spannten sich. „Was ist mit Hen Wen geschehen? Wo steckt sie?“

„Ich weiß es nicht“, sagte Taran. „Sie muß irgendwo hier im Wald sein.“ Er berichtete von den merkwürdigen Ereignissen dieses Morgens, und Gwydion hörte ihm aufmerksam zu.

„Das konnte ich nicht voraussehen“, murmelte er, als Taran geendet hatte. „Wenn ich das weiße Schwein nicht finde, ist alles verloren.“ Er wandte sich unvermittelt dem Jungen zu. „Ja“, sagte er, „auch ich suche Hen Wen.“

„Ihr?“ rief Taran verwundert aus. „Wie kommt Ihr dazu?“

„Weil ich Auskünfte von ihr brauche, die sie allein besitzt“, sagte Gwydion. „Ihretwegen bin ich seit einem Monat von Caer Dathyl unterwegs. Verfolgt bin ich worden, bespitzelt, gejagt – und nun ist sie weggelaufen! Sehr schön! Aber ich werde sie finden, ich muß alles von ihr erfahren, was sie über den Gehörnten König weiß!“ Gwydion zögerte einen Augenblick. „Übrigens fürchte ich“, fügte er düster hinzu, „daß auch er nach ihr sucht. Hen Wen muß gespürt haben, daß er nach Caer Dallben unterwegs war – und deshalb hat sie das Weite gesucht …“

„Wir müssen ihn aufhalten!“ rief Taran. „Wir werden ihn angreifen und zusammenschlagen! Gebt mir ein Schwert, ich streite an Eurer Seite!“

„Langsam, langsam!“ erwiderte Gwydion. „Ich will nicht behaupten, mein Leben sei mehr wert als das eines anderen Mannes, aber ich schätze es trotzdem hoch. Glaubst du, ein einzelner Krieger und ein Hilfsschweinehirt dürften es wagen, den Gehörnten König mit seinem Gefolge anzugreifen?“

Taran prahlte: „Ich fürchte mich nicht vor ihm!“

„Dann bist du ein Narr“, sagte Gwydion. „Er ist der gefährlichste Mann in ganz Prydain. Soll ich dir etwas zeigen, was ich unterwegs gelernt habe – etwas, worauf sich noch nicht einmal Dallben versteht?“ Gwydion kniete ins Gras nieder. „Kennst du die Kunst des Webens? Faden zu Faden, bis das Gewebe fertig ist…“ Während er sprach, pflückte er ein paar lange Grashalme ab und verknotete sie zu einer Art Netz.

„Wie geschickt Ihr seid!“ Voll Bewunderung blickte Taran auf Gwydions schnelle Finger. „Laßt sehen!“

Gwydion schob das Grasnetz in die Rocktasche. „Auch König Arawn, der Herr von Annuvin, versteht sich aufs Netzeknüpfen“, sagte er. „Du mußt wissen, daß es in aller Welt vornehme Herren gibt, die von der Machtgier getrieben werden, als hetze man sie mit Hunden. Einigen von ihnen verspricht Arawn Reichtümer und Besitz. Er spielt mit ihrer Habsucht wie ein Barde auf seiner Harfe und macht sie sich Untertan. Fortan dienen sie ihm selbst außerhalb von Annuvin, weil sie ihm hörig sind.“

„Auch der Gehörnte König?“

Gwydion nickte. „Auch er hat Arawn die Treue geschworen. Wieder einmal wird Prydain von den finsteren Mächten Annuvins bedroht.“

Taran war sprachlos und staunte.

Gwydion wandte ihm das Gesicht zu. „Wenn die Zeit reif ist, werden der Gehörnte König und ich im Kampf aufeinandertreffen, und einer von uns wird sterben. Darauf habe ich einen Eid geschworen. Doch die Ziele des Gehörnten sind dunkel und unbekannt, deshalb muß ich Hen Wen befragen.“

„Sie kann nicht weit sein!“ rief Taran. „Ich glaube, daß ich die Stelle wiederfinde, wo sie verschwunden ist. Kommt mit! Es war nahe dem Dickicht, aus dem der Gehörnte König hervorbrach…“

Gwydion lächelte streng und fragte ihn: „Hast du Eulenaugen? Wie willst du den Weg finden, wenn es dunkel wird? Laß uns hier schlafen, beim ersten Morgenlicht will ich mich dann auf die Suche machen.“

„Und ich?“ unterbrach ihn Taran. „Hen Wen ist mir anvertraut. Ich habe sie ausreißen lassen, ich muß sie auch wieder einfangen!“

„Die Aufgabe ist wichtig – und nicht, wer sie ausführt“, erwiderte Gwydion. „Oder meinst du, ich ließe mich von einem Hilfsschweinehirten behindern, der offenbar den Hang hat, sich ständig in Schwierigkeiten zu bringen?“ Er hielt inne und musterte Taran mit schiefem Blick. „Und trotzdem! Wenn ich es recht bedenke, so scheint es mir, daß mir nichts anderes übrigbleibt, als dich mitzunehmen. Wenn der Gehörnte König nach Caer Dallben reitet, kann ich dich nicht allein zurückschicken. Aber ich kann es mir auch nicht leisten, mit dir zu gehen und einen ganzen Tag zu verlieren. Du darfst nicht allein in den Wäldern bleiben. Aber vielleicht gibt es einen Ausweg …“

„Ich schwöre, daß ich Euch nicht behindern will!“ rief Taran. „Laßt mich mit Euch gehen! Coll und Dallben sollen sehen, daß ich das schaffe, was ich mir vornehme.“

„Habe ich eine andere Wahl?“ meinte Gwydion. „Es scheint mir, wir müssen dem gleichen Pfad folgen, Taran von Caer Dallben – für eine Weile wenigstens.“

Das weiße Roß kam herbeigetrottet und beschnupperte Gwydions Hand. „Melyngar erinnert mich daran, daß es Zeit zum Essen ist“, sagte der Fürst. Er holte etwas von seinen Vorräten aus den Satteltaschen. „Wir wollen heut nacht kein Feuer anmachen“, schlug er vor. „Möglich, daß die Späher des Gehörnten Königs in der Nähe sind.“

Hastig verschlang Taran sein karges Mahl. Die Wunde war angeschwollen, er konnte sich nur unter Schmerzen auf den Wurzeln und Steinen niederlassen. Bisher war es ihm nie in den Sinn gekommen, ein Held könnte mitunter auch gezwungen sein, auf der nackten Erde zu schlafen.

Gwydion saß mit angezogenen Knien da, den Rücken gegen den Stamm einer mächtigen Ulme gelehnt, und wachte. In der hereinbrechenden Dunkelheit konnte Taran den Mann kaum vom Baum unterscheiden. Es war, als sei Gwydion ganz und gar im Wald versunken. Nur seine grünen Augen schimmerten im Glanz des aufgehenden Mondes.

Lange Zeit saß er still und gedankenverloren da. „Du bist also Taran von Caer Dallben“, sagte er schließlich; seine Stimme klang ruhig und fest aus dem Dunkel herüber. „Wie lange bist du schon bei Dallben, wer sind deine Verwandten?“

Taran zog den Mantel dichter um die Schultern. „Ich habe von klein auf in Caer Dallben gelebt“, sagte er. „Ich glaube nicht, daß ich irgendwelche Verwandte habe. Wer meine Eltern gewesen sind, weiß ich auch nicht, Dallben hat es mir nie gesagt.“ Er kehrte sein Gesicht von Gwydion ab und fügte hinzu: „Manchmal scheint es mir fast, daß ich nicht einmal weiß, wer ich selber bin.“

„Das muß, in gewisser Hinsicht, jeder für sich allein herausfinden“, antwortete Gwydion. „Ein Glück, daß ich dich getroffen habe. Du hast mir den Umweg nach Caer Dallben erspart. Vielleicht ist es mir vom Schicksal bestimmt, daß mir ein Hilfsschweinehirt bei der Erfüllung meiner Aufgabe helfen soll – oder verhält es sich etwa umgekehrt?“

„Wie meint Ihr das?“ fragte Taran. „Ich bin mir nicht sicher“, erwiderte Gwydion. „Außerdem tut es nichts zur Sache. Schlaf jetzt, morgen müssen wir zeitig weiter!“

3. Gurgi

Als Taran erwachte, hatte Gwydion schon das Roß gesattelt. Der Junge kroch unter dem Mantel hervor, der naß vom Tau war. Von der Nacht auf dem harten Boden schmerzten ihn alle Glieder. Der Fürst drängte zum Aufbruch, zog Taran hinter sich in den Sattel und erteilte Melyngar mit ruhiger Stimme einen Befehl. Das weiße Roß trabte los, in den aufkommenden Nebel hinein. Gwydion suchte nach der Stelle, an der Taran das Zauberschwein zum letztenmal gesichtet hatte. Nach einer Weile zügelte er das Roß und saß ab. Dann kniete er nieder und untersuchte den Rasen. „Das Glück ist mit uns“, sagte er und zeigte auf eine Stelle, an der das Gras niedergetrampelt war. „Hier hat sie geschlafen, es ist noch nicht lange her.“