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„Es gibt Unterirdische hier!“ rief er freudestrahlend, als Taran ihn fragend anblickte. „Bist du sicher?“

„Sonst würde ich es nicht sagen, Dummkopf!“ In höchster Aufregung schwang sich Doli vom Pony, und nachdem er ein paar Bäume beschnüffelt hatte, rannte er auf den Stamm einer riesigen hohlen Eiche zu. Er steckte den Kopf hinein und stieß ein paar unverständliche Schreie aus.

Taran und Eilonwy rannten ihm nach. Was war los mit ihm? Hatten die Angst und die Mühsal des Tages ihn um den Verstand gebracht? „Lächerlich“, knurrte Doli, indem er den Kopf aus dem hohlen Baum zurückzog. „Ich kann mich auf gar keinen Fall getäuscht haben!“ Er bückte sich, suchte den Boden nach Spuren ab, schien mit Hilfe der Finger Berechnungen anzustellen. Dann meinte er: „Jeder Zweifel ist ausgeschlossen! Ich werde es dem da unten verkümmeln, sich dumm zu stellen! Ich melde ihn König Eiddileg wegen Pflichtvergessenheit!“

Er versetzte dem Baum einen Fußtritt. „Hast du’s gehört, da unten? Ich werde dich zur Bestrafung dem König melden, dem König persönlich!“

„Laß mich mit ihm reden!“ Eilonwy drängte sich an dem Zwerg vorbei, nun schaute auch sie in den hohlen Stamm.

„Ich weiß zwar nicht, wer du bist“, rief sie. Aber wir sind hier oben, und Doli wünscht dich zu sprechen. Zumindest könntest du antworten, hörst du nicht?“

Eilonwy wandte sich kopfschüttelnd ab. „Wer immer dort unten sein mag“, sagte sie, „unhöflich ist er auf jeden Fall. Das ist ärgerlich und gehört sich nicht.“

Sie stampfte zum Zeichen des Unwillens mit dem Fuß auf. Unmittelbar danach ließ sich aus dem hohlen Baum eine Stimme vernehmen. Dünn klang sie, aber sehr bestimmt rief sie ihnen „Geht weg!“ zu.

Gwystyl

Doli stieß Eilonwy zur Seite und steckte abermals den Kopf in den hohlen Baum. Von neuem begann er zu rufen, aber seine Stimme klang so dumpf, daß Taran nichts von der Unterhaltung verstehen konnte, die hauptsächlich aus langen zornigen Ausbrüchen Dolis bestand, denen aus der Tiefe kurze, widerwillige Antworten folgten. Schließlich erhob sich Doli und wies die Gefährten an, ihm zu folgen. Eilig durchquerten sie den Wald, und nach etwa hundert Schritten gelangten sie an den oberen Rand einer steilen Böschung. „Hier müssen wir runter!“

Der Abstieg war für die Pferde nicht einfach, sie konnten sich kaum auf den Beinen halten. Vorsichtig stakten sie zwischen Steinen und Brombeerranken bergab. Islimach sträubte die Mähne und wieherte ungehalten; Fflewddurs Gaul wäre fast auf die Hinterbacken gefallen; selbst Melynlas bezeigte seinen Widerwillen gegen den schwierigen Weg durch heftiges Schnauben. Endlich erreichten sie wohlbehalten den Fuß des Hanges. Doli rannte zu einem mächtigen Brombeergestrüpp und rief: „Aufgemacht! Aufgemacht!“ Zu Tarans Verwunderung begannen die Brombeersträucher zu schwanken – und plötzlich gaben sie einen schmalen Einstieg frei.

„Ein Stützpunkt der Unterirdischen!“ rief das Mädchen. „Ich wußte, daß es dergleichen gibt; doch wer von uns, außer dem guten alten Doli, hätte es fertiggebracht, ihn aufzuspüren!“

Inzwischen hatte sich der Eingang so weit geöffnet, daß Taran die Umrisse einer Gestalt zu erkennen glaubte.

Doli ging darauf zu. „Ach, du bist es, Gwystyl!“ sagte er. „Das hab’ ich mir eigentlich denken können.“ „Ach, du bist es, Doli!“ antwortete eine traurige Stimme. „Ich wünschte, du hättest mir eine Warnung zukommen lassen.“

„Was heißt da Warnung! Ich werde dir mehr als eine geben, wenn du nicht aufmachst. Eiddileg wird davon hören. Wozu soll ein Stützpunkt gut sein, der einem verschlossen bleibt, wenn man in Not ist? Ich hoffe, du kennst das Gesetz. Es ist deine Pflicht, uns Unterschlupf zu gewähren – auch ohne daß man sich heiser zu brüllen braucht!“

Gwystyl stieß einen langen Seufzer aus und öffnete das Tor noch weiter. Obwohl beide dem Volk der Unterirdischen angehörten, hatte er nicht die mindeste Ähnlichkeit mit Doli. Er war nahezu doppelt so groß wie der Zwerg, aber außerordentlich dürr, und sein langes, schütteres Haar hatte die Farbe von schimmligem Flachs. Gwystyls von tausend Runzeln durchfurchtes Gesicht erweckte den Eindruck, als gedenke er jeden Augenblick in bittere Tränen auszubrechen. Um die schmalen Schultern trug er einen Umhang von schmutziger Farbe, an dem er unstet herumzupfte. Unter herzzerreißendem Seufzen und Stöhnen erklärte er sich bereit, Doli einzulassen.

Gurgi und Fflewddur waren nun gleichfalls herangekommen. Als Gwystyl sie erblickte, ließ er ein unterdrücktes Ächzen hören und sagte: „O nein, keine menschlichen Wesen! Vielleicht ein andermal. Tut mir leid, Doli – glaub mir, vielleicht ein andermal!“ „Sie sind meine Freunde“, erwiderte Doli ungerührt. „Ich beanspruche den Schutz der Unterirdischen auch für sie.“

Laut wiehernd brach Fflewddurs Pferd durch die Büsche. „Gäule!“ rief Gwystyl entgeistert. „Auch das noch! Bring deine Menschen herein, wenn du mußt – doch verschone mich mit den Gäulen! Ich kann keine Pferde ausstehen, Doli, ich mag sie nicht! All das Schnauben und Stampfen und ihre großen, knochigen Köpfe! Die Biester kommen mir hier nicht rein! Das ist eine Zumutung!“

„Wohin hast du uns da geführt, Doli?. fragte Ellidyr. „Erwarte von meinem Roß und mir nicht, daß wir uns voneinander trennen! Kriecht von mir aus in dieses Rattenloch – ich bleibe bei Islimach.“

„Wir können die Pferde nicht einfach draußen lassen“, erklärte Doli. „Schaff Platz für sie, Gwystyl, oder du kannst was erleben!“

Mürrisch den Kopf schüttelnd, öffnete Gwystyl den Durchgang zu voller Weite und seufzte: „Nun gut, führt sie alle herein, die verdammten Bestien! Habt ihr noch ein paar von der Sorte? Es macht mir nichts aus, mir ist das einerlei.“ Dem Jungen tat Gwystyl leid, er konnte ihn bis zu einem gewissen Grad verstehen. Nur unter beträchtlichen Schwierigkeiten gelang es Adaons Roß Lluagor, unter dem niedrigen Torbalken durchzukommen. Islimach rollte bedrohlich die Augen, als sie die Dornen an ihren Flanken spürte.

Sie gerieten in eine Art Tunnel, dessen rechte Seitenwand aus festem Erdreich bestand, während die linke aus einer undurchdringlichen Hecke von Zweigen und Dornenranken gebildet wurde.

„Hier könnt ihr die Gäule abstellen“, seufzte Gwystyl. „Ich habe den Gang erst kürzlich saubergefegt. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, er könnte sich eines Tages in einen Stall verwandeln. Aber was hilft es, man muß sich fügen.“

Nachdem sie die Pferde zurückgelassen hatten, führte Gwystyl seine Besucher durch einen schmalen Durchlaß in einen kreisrunden Raum. Ein Geruch von Fäulnis und welkem Laub schlug ihnen entgegen. Auf einem winzigen Herd flackerte ein Grasfeuer, dessen Rauch sie zum Niesen reizte. Die Einrichtung bestand aus einer schlampigen Strohschütte, einem wackligen Tisch und zwei Stühlen. Eine große Anzahl von Grasbüscheln hing zum Trocknen an den Wänden, durch die allenthalben verfilzte Wurzeln hereinragten. Obwohl es in dem engen Raum außerordentlich heiß war, hüllte sich Gwysiyl fröstelnd in seinen Umhang.

„Sehr gemütlich hier“, meinte Fflewddur, wobei er heftig hustete.

Gurgi eilte zur Feuerstelle und legte sich trotz des Rauches neben dem Herd auf den Boden. Adaon schien die Unordnung nicht zu beachten. Er trat auf Gwystyl zu und sagte: „Hab Dank für die Gastfreundschaft, die du uns erweist! Du mußt wissen, daß man uns hart verfolgt hat.“

„Gastfreundschaft!“ maulte Doli. „Noch haben wir herzlich wenig davon verspürt. Los, Gwystyl, schaff Essen und Trinken herbei!“

„Oh, gewiß doch, gewiß doch!“ murmelte Gwystyl. „Wenn ihr euch soviel Zeit nehmen wollt… Wann, sagtet ihr, müßt ihr weiter?“

Eilonwy klatschte in die Hände und rief begeistert: „Seht nur, er hat einen zahmen Raben!“

Der Rabe hockte unweit des Herdes auf einer Art Vogelstange. Er glich einer struppigen schwarzen Kugel mit abstehenden Schwanzfedern, die so sperrig waren wie Gwystyls Haar. Aber seine Augen blickten scharf und hell, und Taran hatte den Eindruck, als ob sie ihn durchdringend musterten.