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Wir, die wir uns schon daran gewöhnt haben, verhalten oder gar nicht zu lachen.

Und wann wird es endlich vorbei sein, denke ich, wann können wir uns verabschieden, damit es wieder so ist wie vorher, aber ich weiss noch, dass der feine Wind im Restaurant fühlbar war, die warme Sommerluft, die die Wangen streichelte und uns zum Bleiben zu ermuntern schien, was hat Janka denn erzählt, in jenem August 1984? Sicher von der Schule, dass sie gerade das Abitur gemacht hat, von ihrem Freund hat sie wahrscheinlich nichts erzählt, und ihre Mutter hat sie bestimmt nicht erwähnt. Von ihren Plänen wird sie erzählt haben, ihrem Traumberuf, sie wird uns gezeigt haben, dass sie sich über unser Geschenk freut, über den Kassettenrecorder, ein Modell, das bei uns noch gar nicht erhältlich ist, wird sie gesagt haben, in zehn Jahren können wir vielleicht für so was Schlange stehen, so wird sie gestrahlt haben, all das wird so gewesen sein; aber die Trauerweiden haben für uns ein Lied gesungen, ich habe es genau gehört, sie haben für uns die müden, ausgedorrten Blätter in den Fluss hängen lassen, damit wir uns verstehen in unserem kleinen Kummer, der doch die Welt bedeutet, und obwohl ich mir den Text merken wollte, habe ich ihn vergessen, auch das habe ich vergessen.

Darf ich euch mal besuchen, fragt Janka zum Abschied, ich würde euch zu gern wiedersehen, sagt Janka, und die Schweiz, das soll ja das Land sein, in dem Milch und Honig fliessen, sagt sie, ich möchte von dieser berühmten Spezialität kosten, die ihr habt, wie heisst sie schon wieder? Oh, und niemand kann Janka antworten, weil wir nicht wissen, welche berühmte Spezialität sie meint, ja, wir werden dir alles zeigen, sagt Vater, du wirst staunen, was es bei uns alles gibt, und Janka lacht mit ihren verbotenen Zähnen, verkleidet den Kassettenrecorder wieder mit dem knirschenden Styropor, bevor sie uns der Reihe nach umarmt, und dann fängt sie wirklich an zu heulen, sie kann doch tatsächlich ihre Tränen nicht zurückhalten, meine Schwestern, sagt sie leise, wir werden uns doch bald wiedersehen, oder? Und es wäre mir lieber gewesen, sie hätte ihr Herz verschlossen, weil Nomi und ich wegen ihr so tun müssen, als seien wir aus Stein (und ich muss an die Attrappen denken, die als Fischköder ausgeworfen werden, damit sich der richtige, grosse Fisch in sie verbeisst), wir müssen sogar härter sein als der Grenzpolizist, sonst hätten wir möglicherweise auch geweint, unser Herz wäre so weich geworden, dass man es hätte aufs Butterbrot schmieren können, sonst hätten wir uns nicht wieder in unseren Mercedes gesetzt, Nomi und ich hätten uns nicht auf den Rücksitz gekniet, um Janka nachzuschauen, wie sie in ihrem zitronengelben Kleid allein dasteht, uns mit einer Hand und kleinen Bewegungen nachwinkt, jetzt sieht sie ganz verloren aus, sagt Nomi, und wir knien noch lange auf dem Rücksitz, auch als unsere Halbschwester längstens nicht mehr zu sehen ist.

Es war im gleichen Sommer, als wir Janka getroffen haben, ziemlich sicher, sonst war es ein Jahr später, Mutter und Vater sind bei Onkel Móric und Tante Manci zu Besuch, und Nomi und ich, wir helfen Mamika im Garten, Tomaten und Bohnen ernten, Kartoffeln, erzählen Sie uns etwas über Vater, sagt Nomi, Sie können wir ja fragen, Vater nicht, Mamika, die einen Moment lang innehält, ihre halb gefüllte Schürze mit gelben Bohnen, ihre schief getretenen, dreckigen Gartenschuhe, was willst du deinen Vater fragen, mein Mädchen, und Mamika leert ihre Schürze über der Emailleschüssel aus. Wegen dieser anderen Frau, wie war das, und warum hat er unsere Mutter kennengelernt? Und warum hat Gott die Welt erschaffen, sagt Mamika, lacht, richtet sich ihr Kopftuch, nicht ganz einfach, das zu erzählen, sagt sie, kommt, das reicht schon fürs Mittagessen, ihr helft mir beim Kochen, und ich erzähle euch etwas über Miklós, das, was ich weiss, und so viel ist das nicht.

Wir stehen um den winzigen Tisch in Mamikas Küche, neben dem Gasherd, Mamikas Küche, die gleichzeitig auch ihr Badezimmer ist, ein Lavabo mit einem winzigen Spiegel, eine Wanne mit Füsschen, die Mamika aber nie benützt (die reinste Wasserverschwendung), und unter der Wanne steht der blaue Nachttopf, in den wir manchmal nachts reinpinkeln, wenn wir uns nicht aufs Klo trauen, und zwischen der Wanne und dem Lavabo ist ein Fenster, das im Sommer meistens offen steht, ein am rechten unteren Eck gerissenes Moskitonetz, durch das die Mücken schlüpfen, ich muss doch endlich diesen Durchgangsverkehr unterbinden, meint Mamika, ihr Küchen- und Badezimmerfenster, das ich "mein schönes Fenster" nenne, weil ich da zum ersten Mal, an einem frühen Morgen, gesehen habe, wie schön das Licht sein kann, wenn es auf den Flickenteppich leuchtet, in eine ficke des Spiegels hinein; wir schälen Kartoffeln, putzen Petersilienwurzeln, und Mamika erzählt uns von Vater, von ihrem Miklós, und ich weiss gar nicht, ob es recht ist, weil er euch ja offenbar nichts erzählt hat über seine erste Frau, aber warum sollt ihr das nicht wissen? und während Mamika gleichmässig und ruhig spricht, schaut sie immer wieder Nomi an, mich, als müsste sie prüfen, ob sie ihre Erzählung fortsetzen kann.

Und so erfahren Nomi und ich, dass Vater irgendwas mit einer Frau anfing, die Ibolya hiess, nur die Ansichten, was Vater mit ihr hatte, gingen auseinander. Onkel Móric behauptete, Miklós habe sie angefasst und geküsst, nach einem Tanzabend, Miklós müsse jetzt konsequent sein und Ibolya heiraten, Onkel Móric, der nach dem frühen Tod von Grossvater, von Papuci, das Familienoberhaupt war, etwas, das Vater nie akzeptieren wollte, warum soll einer, nur weil er mein Bruder und sechs Jahre älter ist, über mein Leben bestimmen? Ibolya sagte, Miklós habe sie geküsst, aber sie wolle daraus keine Geschichte machen, sie sicher nicht, wenn Miklós sie nicht wolle, stünde sie ab von ihrem Recht und die Sache sei damit für sie erledigt. Miklós tobte, war wütend, was sich der Móric wieder einmische, der Móric kenne wahrscheinlich den Unterschied nicht zwischen Händchen halten und küssen, obwohl er ja schon längstens verheiratet sei, er jedenfalls wisse, was mit Ibolya vorgefallen sei, die Zigaretten hätten ihm geschmeckt, der Schnaps sei gut gewesen, und sie habe feine Hände, das sei schon alles (ihr wisst ja auch, wie euer Vater reden kann), also, es war nie klar, was da genau vorgefallen ist, und irgendwie schien sich die Sache zu verlaufen, aber dann, ein paar Monate später, setzte sich Miklós hier in meine Küche und sagte, er wolle die Ibolya heiraten, Mamika, die Vater gefragt hat, ob sie sich wieder versöhnt hätten und ob er sich denn in seiner Entscheidung sicher sei, Vater, der aufgestanden ist, um sich die Hände zu waschen, er kam gerade von der Arbeit, und als er sich dann wieder hinsetzte, sagte er, Ibolya und er hätten sich einfach aus den Augen verloren, und beim letzten Jahrmarkt seien sie sich wieder über den Weg gelaufen, und ja, er habe sich in sie verliebt, seine Entscheidung stehe fest. Wenn du meinst, sagte Mamika, ich will dir sicher nicht im Weg stehen.

Ein paar Monate nach der Hochzeit ging Vater immer seltener nach Hause. Er betrank sich, wo auch immer, bei Freunden, nach der Arbeit, Onkel Móric suchte ihn, prügelte ihn nach Hause, weisst du nicht, wo der Platz eines verheirateten Mannes ist? Und Mamika hat sich nicht eingemischt, erst, als Onkel Móric Vater so zugerichtet hat, dass er mit blutendem Gesicht auf der Strasse liegen blieb und sie jemand aus der Nachbarschaft mitten in der Nacht weckte, sie zu ihrem Sohn holte, den sie fast nicht erkannte und der immer noch nicht bei Sinnen war, den sie dann zu dritt in ihr Haus schleppten und den sie tagelang pflegte, bis er einigermassen wieder auf den Beinen war; Mamika, die ihre Söhne dann zu sich bestellte, sie im Namen von Papuci um eine Aussprache bat, sie, die sich ja sonst nicht einmische, aber jetzt, nach diesem Vorfall sehe sie sich dazu gezwungen. Aber die beiden, so erzählt Mamika und schneidet gleichzeitig die Kartoffeln in Hälften, schauten mich bloss an mit blöden Gesichtern, anders könne sie es nicht nennen, und haben geschwiegen. Die haben mir etwas verheimlicht, sagt Mamika, keine Banalität, sondern etwas ganz Grundsätzliches, und ich habe nie herausbekommen, was es war. Eure Tante Manci, die mich einmal, als wir uns zufällig auf dem Friedhof getroffen haben, zu einem Kaffee eingeladen hat, an einem Tag, wo der Wind zu warm war, Tante Manci schenkte Kaffee ein, ihre Zunge drehte sich so schnell, dass ich davon und von diesem Wetter Kopfweh bekam, mein Kopf platzt jetzt dann, liebe Manci, dann kannst du deine Wörter wieder einsammeln, habe ich gesagt, vor lauter Erschöpfung, und wisst ihr, was sie dann gesagt hat, einfach so, ohne Ankündigung? Der Móric sei in diese Ibi verliebt gewesen, das sei doch sonnenklar, aber er sei halt schon mit ihr verheiratet gewesen, und weil das so gewesen sei, habe er sich als Ehrenretter aufgespielt, aber mit Ehre undsoweiterundsofort habe das nichts zu tun, sie habe da ihre Kontakte, und der Miklós, der habe, als er das selbst gemerkt habe, seinem grossen Bruder eins auswischen wollen, und sie verstünde das, dem Móric müsse man, wenn man jeden Tag mit ihm zu tun habe, irgendwann mal eins auswischen, das wünsche sie sich schon lange. So, und was bist du für eine, wenn du der Mutter deines Mannes so etwas erzählst, habe ich zu Manci gesagt, und ich war dann überrascht, was mir die Manci geantwortet hat, das ist mir lange im Ohr geblieben, nämlich, gegenüber ihrer Mutter hielten die Geschwister wie Pech und Schwefel zusammen, aber sie, die Ehefrau, sei ja ein blindes, stummes Ding, dem man alles erzählen könne, die ganze Wahrheit. Welche Wahrheit, habe ich Manci gefragt. Mamika, jetzt wollen Sie, dass ich mich versündige, aber das tue ich nicht. Sie haben mir soeben noch gesagt, ich hätte schon genug geplaudert, von mir erfahren Sie nichts mehr!