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Weil ich viel Milchschaum brauche, heisse Milch sich nicht mehr schäumen lässt, muss ich ständig umleeren, der heissen Milch kalte zufügen, und ich denke daran, dass es sicher eine plausible chemische Begründung gibt, warum sich heisse Milch nicht mehr schäumen lässt, die kenne ich aber nicht. Dafür kenne ich den Trick mit dem Mineralwasser, ein kleines bisschen Mineralwasser in die Milch, schon lässt sie sich leichter schäumen; Mamika, die mir beigebracht hat, dem Palatschinkenteig nicht nur Milch, sondern auch Mineralwasser beizugeben, dann wird der Teig luftiger und brennt in der Pfanne nicht so leicht an.

Wenn ich mich zu sehr aufs Schäumen konzentriere, gelingt es garantiert nicht. Deshalb stelle ich die Milchkanne am Anfang unter den Dampfhahn, spanne in der Zwischenzeit den Kaffee ein, bereite das Tablett vor mit Untertassen und Löffeln, ich verlasse mich auf mein Ohr, das genau hört, in welchem Stadium sich die Milch befindet. Es ist ein charakteristisches Geräusch, das immer höher wird, je heisser die Milch ist, und mir, wenn es eine bestimmte Frequenz erreicht, anzeigt, dass ich die Kanne jetzt in die Hände nehmen muss, will ich die Milch noch zum Schäumen bringen — und ich schaue kurz aus dem Fenster, das sich vor mir, im Rücken der Gäste befindet, wo der nackte Kastanienbaum seine Fäuste zeigt.

Obwohl ich im Inserat "Schweizerinnen bevorzugt" geschrieben habe, haben sich ausschliesslich Ausländerinnen gemeldet (ich, die es geschrieben hat, denke an uns, an die Familie Kocsis, was es bedeutet, wenn wir Schweizerinnen bevorzugen. Nichts. Es bedeutet nichts, es ist einfach so, sage ich mir), Glorija, die von allen Bewerberinnen noch am ehesten als Schweizerin durchgeht, fast fliessend Deutsch spricht, also Dialekt, Vertrauen erweckende Augen und gute Arbeitszeugnisse hat, so Mutter, fängt Anfang März an, bei uns zu arbeiten, als Serviertochter, und Nomi und ich, wir teilen uns die zweite Serviceschicht auf, arbeiten ansonsten im Buffet. Und dein Studium, hat mich Mutter gefragt. Kann warten, eine Zeit lang.

Der Samstag ist normalerweise der hübsche Tag mit der rosaroten Schleife und dem toll aufgeschäumten Milchkaffee, so Nomi — aber heute ist nicht Samstag, sondern ein ganz normaler Mittwoch, an dem der Turnverein bei uns Jubiläum feiert, ich also Milchschaumberge fabriziere, hinter dem Buffet hantiere, ich, die übrigens eine schwarz-weiss gestreifte Bluse trägt und einen Jupe, der mich zum Trippeln zwingt. Ich sehe mir zu, ich, die in einer notwendigen Verkleidung bereitsteht, zeige, dass ich eine geeignete Buffettochter bin, ich, der Kuckuck hinter der Theke, glücklicherweise, denn im Service fühle ich mich vogelfrei, freie Sicht auf sie, die ich bin, aber heute nicht, heute schützt die armeegrüne Theke wenigstens den unteren Teil des Körpers, ja, ich bin jedes Mal froh, wenn ich mit Nomi den Dienst tauschen kann, sie für mich im Service arbeitet.

Great, darling, sagt Glorija, um mich für meine Arbeit auszuzeichnen, und wenn man wirklich great ist, kann man aus einem halben Liter Milch, Luft und Dampf drei cremige Cappuccini-Schäume mixen. Zum Abschluss bestäube ich die Milchschaumspitzen mit Schokoladepulver, und die Bewegung meiner Hand, mit der ich die Bestäubungsaktion vornehme, muss leicht und ruhig sein, sonst fallen die fragilen Berge in sich zusammen; ich frage mich wieder, welcher chemische Prozess diesen Zerfall hervorruft. Ich weiss nur, dass das Bestäuben ein feines, leicht zischendes Geräusch verursacht, wenn ich das Schokoladepulver in der richtigen Dosis, nämlich massvoll, brauche, und wenn ich von einer ruhigen Handbewegung, die für diese Tätigkeit erforderlich ist, gesprochen habe, dann meine ich ein behutsames Tippen des Zeigefingers an die gekippte Dose. Mutter und ihre Schwester, meine Tante Icu, die über Handarbeit gesagt haben, dass sich die Hände schön, in einem ruhigen Fluss bewegen sollen, egal, ob man einen Teig knetet, Konfitüre kocht, stickt, flickt, die Hände müssen angenehm warm werden, dann wird alles gelingen, auch der schwierige Strudelteig.

Und das ist es, was mich an dieser Arbeit interessiert, nämlich die erforderliche Handbewegung möglichst leicht, in einem immer schöneren, das heisst ruhigeren Schwung auszuführen, und ich möchte jeden Tag merken, dass meine Hände die Tätigkeiten des Ausspannens, Ausklopfens, Einspannens besser verstehen und somit der Kaffee mehr als eine solide Qualität erreicht, ich möchte das Zusammenspiel zwischen meinen Händen und der Cimbali, einer Drei-Kolben-Maschine mit Siebträgern, beheizter Tassenabstellfläche und Edelstahlfront — so steht es in der Bedienungsanleitung —, perfektionieren, obwohl ich weiss, dass es negative Einflüsse gibt wie feuchtes, windiges Wetter und Vollmond, gegen die ich nichts ausrichten kann. All dies bedingt, dass ich beim Arbeiten nicht abschweife, mich mit nichts anderem befasse als mit den eben beschriebenen Tätigkeiten.

Von unseren Verwandten könnte niemand hier arbeiten, im Mondial, denke ich an diesem kalten Märztag, ich, stundenlang Milch schäumend (so kommt es mir vor), weder im Service noch im Buffet könnten Tante Manci und Tante Icu arbeiten, egal wie gekonnt ihre Arbeit mit den Händen ist, und dieser Gedanke hat einen unangenehmen Ton, bin ich davon ausgegangen, dass sie irgendwann hier bei uns arbeiten? meine Onkel, die mit ihrem je speziell schadhaften Gebiss jeden Gast misstrauisch machen würden, denen wir unmöglich beibringen könnten, ihr Zahn-Zahnlücke-Lachen zu verstecken; Csilla, Tante Icus und Onkel Piris Tochter, die jetzt Mitte dreissig ist, an einer Hautkrankheit leidet, keinen einzigen Zahn mehr im Mund hat und auch kein Geld für ein Gebiss, wie uns Tante Icu irgendwann geschrieben hat (Csillas Zähne, die ein Dauerthema sind, da sie damals, als sie einen Sommer lang bei uns gearbeitet hat, in unserer ersten Cafeteria in der Schweiz, Mutter hoch und heilig versprochen hat, einen Teil des verdienten Geldes auf die Seite zu legen für schöne, neue Zähne, dann kannst du auch wieder richtig essen, du bist ja so dürr wie Herbstlaub, sagte Vater! Csilla, die damals in der Küche gearbeitet hat, im ersten Stock, unsichtbar für die Gäste, und mach ja deinen Mund nicht auf, auf der Strasse! haben wir zu ihr gesagt, Nomi und ich, sonst rennen alle vor dir davon, die Schweizer sind so was nicht gewohnt), und wohin mit Bela, frage ich mich, es wäre fast am Schwierigsten, meinen Cousin unterzubringen, Tante Icus und Onkel Piris Sohn, Belas Zähne, die zwar einigermassen in Ordnung sind, aber er wäre imstande, mit allen einen Streit anfangen, auch ohne ein einziges deutsches Wort zu sprechen, würde er alle provozieren, Bela, der minutenlang undurchdringlich schauen kann, es gar nicht merkt, wahrscheinlich deshalb, weil er normalerweise stundenlang in den Himmel schaut.

Glorija, die übrigens aus Kroatien stammt und perfekte Zähne hat (das haben wir sofort gesehen beim Bewerbungsgespräch), bestellt immer noch Cappuccini, und das an einem ganz normalen Mittwoch! und ich fabriziere weiterhin Milchschaumberge, bestäube die fragilen Spitzen, zeichne zwischendurch mit dem Rahmbläser ein spiralartiges Gebilde für einen Kaffee Melange, und Tante Icu könnte phantastische, schwindelerregende Torten backen, ich meine, Tante Icu würde mit ihren überdimensionierten, grossräumigen Torten alle in eine traumhafte Erregung versetzen, Schichten über Schichten aus Biskuit und Creme, und ja, es dauert eine Weile, bis man von der mit karamelisierten Zuckerzärtlichkeiten geschmückten Tortenoberfläche die unterste Schicht aus Biskuit erreicht, ich würde es ihnen gern erzählen, dem Verein oder sonst wem, dass Tante Icu Zuckerbäckerin und Gärtnerin ist und in einer Hanffabrik arbeitet, dass man sie eigentlich mit einer Concorde 787 einfliegen müsste, damit sie mit ihren beseelten Händen, wie Onkel Piri sagt, eine Creme aus natürlichen Sünden rühren könnte.