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Mutter, die hinters Buffet kommt, mir sagt, ich solle ins Büro, die Menütafel schreiben, und Ildi, bitte, es gibt keine Unterhaltung über diesen Vorfall, ja klar, sage ich, gebe Mutter meine Schürze, nehme mir noch einen Kaffee mit, ins Büro, und ich setze mich hin, an den braunen Tisch, zünde mir eine Zigarette an, werfe einen Blick auf den Jahreskalender, der an der Wand hängt und bei dem ich immer zuerst auf das Logo schauen muss, Vertretergeschenke, denke ich und lange nach der weissen Kreide, Dalibor, schreibe ich auf die Tafel, Dalibor Dalibor Dalibor, bis sie vollgeschrieben ist, und ich lehne mich zurück, schaue mir den Namen an, denke daran, dass ich zusammengezuckt bin, sofort an Vater gedacht habe, als Dalibor mir sagte, er sei Serbe, ein Serbe aus Kroatien, ausgerechnet? ich bespucke den Schwamm, wische mit ihm über den schwarzen Schiefer.

"Hausgemachte Lasagne mit gemischtem Salat", soll ich auf die Tafel schreiben, hat Mutter gesagt, "Gemüseteller mit Spiegelei" (habe ich an Vater gedacht, weil ich mir ausgemalt habe, wie er reagieren würde, wenn ich ihm Dalibor vorstellen würde, ein Serbe, würde er sagen, ausgerechnet!), heute Abend werde ich mit Vater reden, und ich schreibe den Satz auf die Tafel, damit ich ihn nicht vergesse, zünde mir noch eine Zigarette an, ich werde Vater fragen, ob er nicht auch einen netten Serben kennt (und ich weiss, dass die nette Ausnahme ein schlechtes Argument ist, oft nur die verabscheuungswürdige Regel bestätigt), Mutter, die ihren Kopf zur Tür hineinstreckt, was machst du so lange? und ich, die die Tafel verdeckt, damit Mutter meinen Vorsatz nicht sieht.

Wir sitzen allein am Esstisch, Mutter und ich, Vater sitzt auf seinem Sessel vor dem Fernseher, er schnappt nach der Fernbedienung, als Mutter sagt, komm jetzt endlich, Vater zappt, kein Hunger, brummelt er, steht auf, öffnet den Schrank, langt nach der Flasche, Mutter und ich, wir essen schweigend, Nomis Platz, der gedeckt ist, sie kommt bestimmt bald, sagt Mutter, Vater antwortet nicht, verschwindet in der Küche, Mutter, die mich mit erhobenen Augenbrauen anschaut, weisst du, wo sie ist, flüstert, während Vater fluchend das Eis aus dem Behälter klopft, wahrscheinlich im Wohlgroth, antworte ich, oder bei Dave, aber einen Tag und eine Nacht wegbleiben, das hat sie noch nie gemacht. Ja stimmt, antworte ich, laut genug, damit Vater es hört, ein Mal ist immer das erste Mal, und wir sind doch alt genug, oder? Mutter, die ganz bleich wird, ihre schönen Augen, die verschiedene Geschichten erzählen, die aber alle denselben Inhalt haben: bitte keinen Streit jetzt! Sei still, er könnte uns hören! ich ertrage es nicht, wenn es laut wird. Ein Streit ist wie ein schlechtes Essen, es verdirbt den Magen! Und ich höre, wie Vater aus der Küche tritt, und ich beuge mich etwas nach vorne, lange nach einem Stück Brot, aber Vater geht an mir vorbei, an meinem Rücken, die Eiswürfel klingen hell, als er sich wieder in seinen Sessel setzt, den Fernseher lauter stellt; Mutter und ich, wir essen noch ein paar Bissen, bevor wir damit aufhören und auf unseren Stühlen sitzen bleiben, als würden uns der Tisch und die Stühle brauchen, wir sitzen, und es fällt uns keine Unterhaltung ein, weil wir einzig da sind, um zu registrieren, was Vater tut, eine Zigarette nach der anderen rauchen, aufstehen, die Hausbar öffnen, das Glas auffüllen, in der Küche FJs holen, das Eisfach zuknallen, sich wieder hinsetzen, und Vaters Stille wird unüberhörbar, es gibt Menschen, die sind so laut, wenn sie still sind, denke ich, möchte aufstehen, um die Teller abzuräumen, den Käse einzupacken, den Schinken, aber ich, die sich nicht rühren kann, denke an Nomi, dass sie eigentlich die ältere ist von uns beiden, dass sie Dinge tut, die ich nie wagen würde (Nomi, die nicht aus einem Konzept heraus, sondern aus einer Laune heraus unangepasst ist, auf eine frische Art gedankenlos, schon damals, in der Primarschule, als sie sich getraute, einen violetten Overall anzuziehen, obwohl eine Clique von vier steinreichen Mädchen in ihrer Schule den Ton angab, vorgab, wann was in war, weder violett noch Overall waren angesagt, als Nomi ihn trug, bei den tonangebenden Mädchen war sie deshalb unbeliebt, aber genau deswegen auch beliebt, sogar umschwärmt, weil sie mit ihrem eigenen Kopf, ihrer unverkrampften Art, ihn durchzusetzen, "etwas" hatte, etwas, dem sich niemand entziehen konnte, Nomi, die bis weit in ihre Augen lachte, wenn die Clique von ihr behauptete, sie sei eine Bubenschmöckerin, eine, die den Jungs nachhängt).

Es ist nach zehn, als Vater zu reden anfängt, er flucht über die beiden Hühner, dass man sich ja fragen müsse, wenn zwei Hühner sich in die grosse Politik einmischten, als hätten sie eine Ahnung, eine Ahnung wie ein Süsswasserfisch vom Meer, nämlich keine! und ich begreife erst jetzt, dass Vater von Dragana und Glorija spricht, sich nochmals darüber ereifert, dass sie es wagen konnten, so laut zu streiten, es gibt nichts Schlimmeres als zwei Hühner, die aufeinander loshacken, flucht Vater, und Mutter atmet durch, weil sie glaubt, Vater sei wenigstens einen Moment lang abgelenkt vom Warten auf Nomi, und natürlich werden die Gäste darauf aufmerksam, wenn sich zwei Hühner auf Serbisch alles Schändliche sagen, Vater, der dem Fernsehsprecher zuprostet, der Meili von der Gemeinde hat mich heute Nachmittag gefragt, ob wir denn alle Jugos seien, und ich musste dem Meili erklären, dass wir Ungarn sind, warum weiss der Meili das nicht? könnt ihr da vorne eigentlich den Gästen nicht erklären, was der Unterschied ist zwischen Slawen und Ungarn? dass Ungarisch und Serbisch so viel miteinander zu tun haben wie ein Huhn mit einem Hühnerauge, das müsste doch allen klar sein! Mutter, die nochmals durchatmet, sich einen Ruck gibt, auf steht, die Butter, den Käse, den Schinken in die Küche trägt, so, wie es eine professionelle Serviertochter tut, und wahrscheinlich denke ich, dass es nicht der ideale Abend ist, um von Dalibor zu erzählen, Mutter, die mit raschen Schritten wieder ins Wohnzimmer kommt, die Teller geräuschvoll übereinander stellt; du musst mich jetzt noch stören, ruft Vater, kannst du diese blöden Teller nicht da lassen, wo sie sind? was willst du damit sagen, dass du jetzt anfängst aufzuräumen? Vater steht wieder auf, füllt das Glas, trinkt jetzt ohne Eis, und ich, die immer noch sitzt, glaube, dass Nomi nicht mehr kommt, dass sie klammheimlich ausgezogen ist, und ich würde gern in ihr Zimmer gehen, um nachzuschauen, ob sie ihre Kleider mitgenommen hat, ihre Lieblingsbücher, aber ich sitze fest, auf meinem Stuhl, unter der Wohnzimmerlampe, mein Gesicht, festgefroren, im Fenster der Veranda, irgendetwas haben wir falsch gemacht, irgendetwas müssen wir falsch gemacht haben, sagt Vater, spricht in derselben Lautstärke wie der Fernseher, würde ich sonst hier sitzen und auf meine Tochter warten? (ich, die geahnt hat, dass die Hühner nur ein Einstieg sind, ich höre, wie Mutter abwäscht, lauter als sonst, der scharfe Strahl des Wasserhahns, das klirrende Geschirr), worauf wartest du denn, Miklós? sagt Vater, dass eine so ist, wie du es dir erhofft hast? einen Dreck ist sie wert, die Hoffnung, und Vater lässt sein Glas gegen den Wohnzimmertisch knallen, ein falscher Stern! und Vaters Stimme saust nach oben, ohhhhh jaaa, als nächstes bringen sie ihre Männer unter mein Dach, und dann soll ich der Kollege sein von den Männern meiner Töchter, mit ihnen Duzis machen, per du, froit mil, sagt Vater und schüttelt eine Hand in der Luft (und mir fällt ein, dass mir bei einem Klassenausflug, ich war noch nicht lange in der Schweiz, meine erste Wurst, die ich in meinem Leben grillierte, ins Feuer fiel, dein Stecken war zu dünn, sagte die Lehrerin, als ich zu weinen anfing), und das Leben, wissen sie denn, was das Leben wert ist, wenn es aus einem einzigen Zwang besteht, wenn man nicht einmal seinen gottverdammten Beruf wählen kann? Irgendein dahergelaufener Kommunist, der dir vorschreibt, was du für eine Lehre machst, wie dein Name geschrieben wird, wie du furzen sollst, dass dein Furz gegen das System gerichtet ist (und ich, ich sehe mich draussen sitzen, auf meinem Stuhl im Gras, neben mir die aufgebundenen Rosenstöcke, die Stiefmütterchen im Beet, violette und gelbe, die ich nie gemocht habe), und deine Töchter mit ihren konfusen Köpfen, die eine interessiert sich nicht für die Schule, hat was im Kopf, aber braucht ihn für alles andere, und die zweite, was tut sie? sie studiert Geschichte, antworte ich, Vater, der mich nicht hört, aufsteht, die Bar öffnet, die Flasche herausnimmt, zum Einschenken ansetzt, das Glas in die Bar zurückstellt, aus der Flasche einen Schluck nimmt, sich mit ihr wieder in den Sessel setzt, sie kann sich nicht entscheiden, weil sie alle Möglichkeiten hat, Miklós, das ist doch zum Verrücktwerden oder zum Lachen — Mutter, die hinter ihr die Küchentür schliesst, mich an der Schulter fasst, geh ins Bett, sagt sie, und ich weiss nicht, ob Mutter mich oder Vater meint, was würden sie denn tun, wenn Krieg wäre, wenn es nichts nichts nichts nichts mehr gäbe, Vaters Stimme, die mit jedem "nichts" lauter wird, den Fernseher übertönt, Mutter, die hinter mir stehen bleibt, ihre Hand, die meine Schulter wärmt, geh ins Bett, sagt sie nochmals, und jetzt ist es offensichtlich, dass sie mich meint; ich, die, ohne zu antworten, sitzen bleibt, und Mutter, die sich wieder hinsetzt, mir gegenüber, mir dadurch die Sicht auf mich nimmt. Na, Rózsa, wir wollten doch, dass es die Kinder besser haben, wollten wir das oder nicht? ja, sie haben es besser, so gut wie die vollgefressenen Tiere im Zoo, genau, wie die Affen turnen sie auf unseren Köpfen herum, halten uns für blöd (ich habe euch nie für blöd gehalten, will ich sagen), na, Rózsa, würden wir das tun, was wir tun, wenn wir die Möglichkeiten gehabt hätten wie unsere Töchter? Hör auf, sagt Mutter, du bist betrunken. Ich bin betrunken, ich bin versoffen, ich bin ein Trinker, ich bleibe ein Trinker, und ich will nichts anderes sein als ein versoffener, stinkender Trinker, hörst du? (Vielleicht hätten wir früher schon offener sein sollen zu unseren Eltern, was unsere Männerfreundschaften anbelangt; Nomi und ich, wir glaubten lange Zeit, dass wir Mutter und Vater diesbezüglich schonen müssten; damit wir das tun konnten, was hier alle anderen auch taten, übersetzten wir "das heisse Thema" so auf Ungarisch, dass es uns in den Kram passte, ein Fest? das ist eine Geburtstagsfeier, wo wir alle gemeinsam Kerzen ausblasen, ein paar Spiele spielen… wir wussten, dass unsere Eltern uns nicht ganz glaubten, und sie wiederum wollten uns nicht sagen, dass sie es selber kannten, die Hitze im eigenen, im fremden Körper, obwohl sie in einer anderen Kultur aufgewachsen sind; ich, die aufstehen will, gehen, in die Nacht hinaus, die Sterne sind so schön, weil sie uns sagen, wir verstehen euch nicht, ihr seid zu weit weg, deswegen sind die Sterne so unfassbar schön, weil sie uns in Ruhe lassen, hat Dalibor gesagt.)