Nach Stalingrad waren es also die Partisanen, die bei uns auftauchten und auf ihre Art wüteten. Sie waren ihrerseits vom Krieg fanatisiert, suchten überall, auf jedem kleinsten Hof, nach Faschisten, vergewaltigten unsere Waschfrau, quälten die Tiere, wenn sie Lust dazu hatten, betranken sich, frassen so viel, dass sie sich übergeben müssten. Meine Lieben, glaubt mir, ich könnte euch noch viele grausige Einzelheiten erzählen, aber wozu. Tatsache ist, dass fast jedes Jahr neue Schrecken brachte, und wir, und mit uns viele andere, wurden daran gehindert, unser einfaches Leben zu leben. Und wir müssten unseren Kindern Dinge erklären, für die wir selbst keine Erklärung hatten.
Weisst du es schon, wir leben in einem neuen Staat! So versuchten wir uns darüber lustig zu machen, dass unser Hof, der doch immer noch an derselben Stelle stand, wieder einmal zu einem neuen, besseren Land gehören sollte, zur Volksrepublik Jugoslawien. Wir müssen nirgendwohin, die unterschiedlichsten Regierungsformen kommen zu uns, als hätten wir sie gerufen. Die Monarchie! Der Faschismus! Und jetzt kommen die Roten, die auch etwas auf dem Herzen haben, was, das werden wir noch früh genug erfahren, sagte Papuci. Bis jetzt wissen wir nur, dass unser Staatsoberhaupt einen kurzen Namen hat, und wir wissen auch warum: Hat man je von einer Schokolade, von einem Waschmittel mit einem langen, komplizierten Namen gehört? Alles, was wir nicht unbedingt brauchen, soll sich mit blödsinnig plumpen Namen in unseren Köpfen einnisten. Aber wer hat eigentlich gesagt, dass man Politik braucht? Genügt das einfache Leben nicht?
Mamika zwinkerte uns zu, so konnte euer Papuci reden, wenn er einmal in Fahrt kam.
1946 fingen die Enteignungen an. Wieder tauchten auf unserem Hof Köpfe auf, diesmal aber solche, die wir kannten. Bourgeois Kocsis, du solltest, solange du noch kannst, Genosse werden, du solltest dein unrechtmässig erworbenes Land abgeben, eine neue Zeit bricht an. Jener, der das sagte, hatte bis vor kurzem bei uns gearbeitet. Geza, sagte Papuci, nichts weiter. Was sollen wir tun? fragte ich, nachdem Geza und seine Männer sturzbetrunken und mit vollgestopften Taschen wieder abgezogen waren. Nichts, antwortete Papuci.
In dieser Zeit träumte ich jede Nacht von unseren Pferden, die mich mit diesen Pferdeaugen anschauten, und jedes schien mit mir zu sprechen, und jede Geschichte endete mit dem Tod. An einen Traum kann ich mich besonders deutlich erinnern, weil ich danach ganz sicher war, dass etwas Schreckliches geschehen würde. Ich träumte, dass ich aus dem Tiefschlaf gerissen wurde, weil es sintflutartig regnete. Niemand ausser mir war im Haus, weder Papuci noch die Kinder. Ich sah, als ich aus dem Küchenfenster schaute, dass unser bestes Pferd am Akazienbaum festgebunden war. Es rührte sich nicht, obwohl es bereits knöcheltief im Wasser stand. In meiner Verzweiflung riss ich das Fenster auf, schrie in den Hof hinaus, wollte das Pferd ermutigen, sich loszureissen. Aber das Pferd schien ergeben auf seinen Tod zu warten, und ich konnte es nicht befreien, da ich keine Möglichkeit sah, die Wassermassen zu überwinden, nicht einmal die Tür hätte ich öffnen können. Im nächsten Moment hatte ich eine grosse Bürste in der Hand, ich bürstete die blossen Knochen des Pferdes, das ich soeben noch hatte retten wollen. Ich weinte, weinte, bürstete, hoffte, bat den Himmlischen, durch meine Reinigung mein geliebtes Pferd wieder lebendig werden zu lassen.
Ich erzählte Papuci nichts von meinen Träumen, aber als die "Besuche" der Kommunisten immer häufiger wurden, ich die unersättliche Gier unserer ehemaligen Freunde sah, die jetzt zur einzig richtigen Partei gehörten, die unverfrorene Art, ihre aufgekratzten Augen, mit denen sie jede Schublade, jeden Winkel inspizierten, da bat ich Papuci unterzutauchen. Mein Täubchen, sagte er, die wissen doch selber nicht, in welche Richtung sich ihre Nase gerade drehen soll, die werden sich schon wieder beruhigen.
Einige Tage später rannte der kleine Feri, der Junge vom Nachbarhof, in unsere Küche, erzählte atemlos, dass sie seinen Vater verhaftet hätten. Sie nehmen alles mit, sagte das Kind mit verwirrten Augen. Die Pferde schlügen aus, vor Panik, die Gänse hörten nicht mehr auf zu schnattern, der Hund, der sonst so friedlich sei, habe einen ins Bein gebissen, woraufhin sie ihn sofort erschossen hätten, und der Junge fuchtelte wild mit seinen Händen herum. Ich habe ihm die Stirn gestreichelt, habe versucht, ihn zu beruhigen, aber Feri trat von einem Bein aufs andere, weinte und schaute immer wieder in die Richtung, wo das Haus seiner Eltern stand. Wo ist deine Mutter? fragte ich endlich. In der Stadt, auf dem Markt. Sie verkauft ihre Äpfel und Birnen, und dem Jungen lief der Rotz aus der Nase.
Papuci stand auf, ging in die Vorratskammer, kam nach einer kurzen Weile wieder, mit einem kleinen, prall gefüllten Sack, sagte ganz ruhig, ich solle mit den Kindern in die Stadt fahren, zu meiner Schwester. Er fuhr Miklós und Móric mit der Hand übers Gesicht, küsste sie auf die Stirn, und ich werde nie vergessen, wie unsere beiden Buben in diesem Moment ausgesehen haben, sie hatten fahle, erschreckte Gesichter, als hätten sie geahnt, was in der nächsten Zukunft geschieht. Und nimm den Feri mit, rief Papuci mir noch zu, nachdem er mich umarmt hat und hinter der Küchentür verschwand.
Mamika machte hier eine längere Pause, schnauzte sich, bat mich, ihr einen Apfel zu schälen. Und als ich mich wieder neben Mamika setzte, sie winzige Bisse vom Apfel nahm, deutete sie auf das Marienbild, das über ihrem Kopf hing, schaut sie euch an! Eine mit Halsketten, Ringen, Armreifen und einem Diadem geschmückte Maria, die ihren Kopf leicht geneigt hielt, die lächelte und auch wieder nicht, und in ihrer Brust steckte ein am Griff mit Rubinen und Smaragden verzierter Säbel, dessen Spitze, und das ist mir am meisten in Erinnerung geblieben, hinter Marias Händen unsichtbar blieb. Sie erträgt den Schmerz, sagte Mamika, weil sie die Mutter von uns allen ist, sie ist unsere Hoffnung in den schlimmsten Zeiten. Und weder ich noch Nomi hätten widersprechen können, wir fühlten, wie unangemessen unser Zweifel war, in Anbetracht von dem, was Mamika erlebt hatte.
Sie haben Papuci ins Arbeitslager nach Pozarevac gebracht, nachdem er sich wochenlang in den Maisund Weizenfeldern versteckt hatte. Ein Bekannter, ein gern gesehener Bekannter muss ich sagen, hat Papuci denunziert, er hat es den Behörden eingeflüstert — so nannten wir damals diesen Akt der Denunziation — , dass Papuci nachts, jeweils zwischen elf und zwölf, bei den Särväris auftauche, um etwas zu essen und sich zu waschen. Zwei Tage später erzählte man mir, Papuci sei mit vier weiteren Männern auf einem Wagen abtransportiert worden, und Bori, die Dorfschönheit, beschimpfte sie auf dem Wagen lauthals als Ausbeuter, Kulaken! Kulaken! und riss ihnen die Schnauzhaare aus. Die Zeit zwischen 1946 und 1952 wurde später nicht umsonst die Zeit des Schnäuze-Ausreissens genannt.
Bevor sie Papuci zuerst nach Pozarevac und danach ins Kohlebergwerk nach Kostolac brachten, haben sie ihn im Keller des Schulhauses, wo Miklós zur Schule ging, tagelang verhört und geschlagen. Miklós hat Papuci gehört, stellt euch das vor, und der Lehrer hat ihn mit Müh und Not daran gehindert, in den Keller zu stürzen, in den sicheren Tod, das wollen die ja, rief der Lehrer, die wollen, dass du ihnen ins offene Messer läufst! Vom Unterricht befreien konnte er Miklós nicht, da die "Vollstrecker" jeden Tag kontrollierten, ob alle Schüler anwesend waren. Mein armer Miklós, sagte Mamika, damals war er erst elf Jahre alt.
Papuci weigerte sich, unser Land herzugeben und der Partei beizutreten, Grossgrundbesitzer! Faschist! verdammter Ungar! so haben die Vollstrecker, jene also, die etwas zu Ende führen, was andere für sie ausgedacht haben, ihn immer wieder beschimpft. Es sei wohl das Schlimmste, weder das eine noch das andere, noch etwas Drittes zu sein. Er sei, und dafür sei er weitherum bekannt, ein einfacher Bauer, soll Papuci gesagt haben, und er habe auch nie etwas anderes gewollt. Sie würden ihn, falls sie ihn töteten, als Menschen töten, als nichts anderes.