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Ich habe Papuci dann mehr als ein Jahr nicht mehr gesehen, und als er endlich zurückkam, habe ich ihn nicht erkannt. Ein weisshaariger, ausgehungerter, kümmerlicher Mensch klopfte an die Tür meiner Schwester, wo ich seit Papucis Verhaftung mit den Kindern lebte. Ihr hättet euren Papuci als jungen Mann sehen sollen, seine stolze, aber nicht überhebliche Art, seine schwarzen, dichten Haare, die eher einem Tierfell ähnelten als menschlichem Haar, sein Blick, der es nie eilig hatte, der in Ruhe alles beobachtete, bevor er irgendwas tat. Und jetzt? Was haben sie mit Ihrem Haar gemacht, fragte Miklós, euer Vater, der schon längstens angefangen hatte, über die Kinderwelt hinauszusehen. Nicht nur ich habe gearbeitet, sondern auch die Läuse, antwortete Papuci und versuchte zu lächeln.

In einer Nacht hat er erzählt, was er im Lager erlebt hat, und dann nie wieder. Irgendwann habe ich ihn noch etwas gefragt, ich glaube, was sie zu essen bekommen hätten. Frag mich nicht, hat er geantwortet, ich habe dir ein Mal von dieser Zeit erzählt, das reicht.

Mein geliebter Papuci hat sich nicht erholt. Je mehr er von den Verhältnissen erfuhr, unter denen wir nun in der Zwischenzeit leben müssten, dass uns alles, wirklich alles genommen worden war, dass jetzt "Erben" auf unserem Hof leben, so genannte Genossen, die unser Land bewirtschaften, dass wir, wenn wir nur wollen, einen kleinen Teil unseres Landes zurückkaufen können, dass Papucis Pferde versteigert worden sind, der rote Läszlö den grössten Teil unserer Schweine erstanden hat, der kuglige Jenci aus Ada unser Geflügel abgeführt hat, dass ich nicht einmal unsere Vorräte, unser Eingemachtes retten konnte, die eingeweckten Äpfel, Sauerkirschen, Aprikosen, Pfirsiche, die sonnengetrockneten, in Salzwasser eingelegten Gurken; ich habe die "Vollstrecker" gebeten, dass ich wenigstens die Küchenvorräte mitnehmen darf, aber sie Hessen lieber alles verschimmeln. Die "Erben" sind nämlich erst vor einem Monat auf den Hof gezogen, so habe ich Papuci erzählt, bis dahin ist der Bauernhof abgesperrt gewesen und von irgendeinem Roten bewacht worden, und das hat mir Miklós erzählt, der sich einmal bis zum Ziehbrunnen unseres Hofes vorgewagt hat und dann sogar unseren kleinen, senfgelben Schemel hat mitgehen lassen, der immer noch neben den Apfelbäumen stand.

Stell dir vor, was passiert wäre, wenn sie ihn erwischt hätten, sagte Papuci, beim Diebstahl seines eigenen Schemels. Lieber nicht, antwortete ich.

Die Geschichte ist an dieser Stelle zu Ende, und Mamika nahm die Brille von der Nase, um mit dem Handrücken über ihre Augen zu fahren, wir haben Papuci noch im gleichen Jahr beerdigt, mit seinen einundfünfzig Jahren! Es war eine schreckliche, eine trostlose Beerdigung, weil wir alle wussten, dass er noch lange hätte leben können. Und nach Papucis Tod gingen Miklós und Móric immer wieder aufeinander los, in ihnen wuchs auf je unterschiedliche Art eine Unversöhnlichkeit, die ich mir nur durch den frühzeitigen Tod ihres Vaters erklären kann.

Nachdem Mamika aufgehört hatte zu erzählen, stand sie auf, ging langsam zur Kredenz, schob ein paar Tischtücher beiseite und kam dann mit einem Bild zu Nomi und zu mir, wir, die auf Mamikas Bett sassen; das ist er, sagte Mamika, euer Grossvater, und sie legte das Bild in unsere Mitte, Nomi und ich, die Mamika fragend anschauten, weil auf der Fotografie etwa dreissig Männer zu sehen waren, und alle trugen Mäntel, Mützen, Schnäuze, ernste Gesichter. Es war sehr kalt, damals, als die Fotografie gemacht wurde, sagte Mamika, und die Männer, alles Bauern aus dieser Gegend, haben sich getroffen, um ihre Erfahrungen auszutauschen, in einem Winter, ein oder zwei Jahre, bevor der Zweite Weltkrieg ausgebrochen ist.

Lassen Sie uns raten, sagte Nomi, sagte ich, und eine ganze Weile schauten wir uns die vielen Gesichter genauer an, je länger man hinschaut, desto unterschiedlicher werden sie, sagte Nomi. Ja, antwortete Mamika, und? Nomi und ich, wir berührten mit unseren Fingern dasselbe Gesicht. Und es war das Gesicht von Papuci.

Die Liebe. Das Meer. Der Fluss

Mein Cousin ist eingezogen worden, sage ich zu Dalibor, und wir liegen auf den Steinen, nah nebeneinander, schauen in die Blätter der Kastanienbäume und Linden; sehen so aus wie grosse Hände, die Blätter der Kastanien, sagt Dalibor, mächtige Bäume mit grossen Händen. Ja, antworte ich, hast du nicht gehört? Dalibor, der sich aufsetzt, seine Knie zum Brustkorb zieht, the lake is very quiet today, ein Tag oder besser ein Moment, der einem vorgaukelt, es gäbe nichts Schreckliches auf dieser Welt, und als ich mich auf meine Ellbogen stütze, mich räuspere, steht Dalibor auf, krempelt seine Hose hoch, macht ein paar Schritte Richtung Seeufer, er zieht sein Hemd aus, obwohl es ziemlich kühl ist, er wirft es weg, streckt sich, beugt seinen Rücken dann leicht nach hinten, bevor er seinen schmalen Körper zusammensacken lässt, einen Moment lang innehält, bevor er ganz plötzlich und in geduckter Stellung über die Steine rast, mit vorschnellenden Armen nach ihnen schnappt, und ich, die sich ruckartig aufsetzt, lache, musst du Energie loswerden oder was, rufe ich ihm zu, Dalibor, der nicht reagiert, weiter über das Ufer rennt, das weiche, helle Geräusch der Steine, die gegeneinander gedrückt werden, von Dalibors Füssen, seine Hände, die jetzt voll sind, die jetzt mit Steinen gegen die Steine schlagen, ein unangenehmes Geräusch, das gegen meine Ohren knallt, hörst du mich, rufe ich ihm zu, Dalibor, der seinen Körper erst aufrichtet, als der Schweiss auf seinen Schulterblättern glänzt, und ich höre seinen Atem, fast ein Hecheln, als er mit dem Rücken zu mir stehenbleibt, ein paar Minuten wartet, bis er die Steine fliegen lässt.

Dieses Spiel sei kein Spiel mehr für ihn, ruft Dalibor, überhaupt frage er sich, ob es für ihn jemals wieder ein Spiel, ein game, gäbe, und er kommentiert seine Bewegungen mit einem knatternden Geräusch, trrrrr, t-t-t-t, trrrrrrr, und er lässt die Steine immer rascher, heftiger übers Wasser fliegen, bückt sich wieder nach Nachschub, sucht nicht mehr nach geeigneten, flachen Steinen, sondern nach Geschossen, die weh tun, der See, der plötzlich da ist, um Zeuge einer unerwarteten Szene zu werden, und die Schwäne, die Dalibor soeben noch our elegant guests genannt hat, flattern aufgeregt mit den Flügeln, die Enten, die es jetzt eilig haben, wild zu schnattern anfangen. Hör auf, rufe ich Dalibor zu, was soll das? leave those creatures in peacel, und ich springe auf, renne auf ihn zu, und als ich wenige Schritte hinter ihm bin, dreht er sich um, fixiert mich, mit einem anderen Blick, mit einem mir unbekannten Blick, bleib da, wo du bist, schnauzt er mich an, sonst bist du an der Reihe — weisst du, wie es ist, wenn sogar die Natur eine Fratze bekommt? weisst du, wie es ist, wenn du schiessen musst, und wenn du es nicht tust, wirst du erschossen? Nein, ich habe keine Ahnung, antworte ich. Weisst du, wie es ist, wenn du deinem besten Freund eine Kugel in den Kopf schiesst, und dann siehst du dir sein Gesicht in aller Ruhe an, ohne dass du nur das Geringste empfindest? Und dann erschlägst du sein Gesicht, das Gesicht deines besten Freundes im Traum, weil es dich verfolgt mit seiner Ruhe, seiner Stille, weil er dir sogar verzeiht, du musst ihn nochmals töten, weil er dich verrückt macht mit seinem erlösten Gesicht, beruhige dich, sagt sie, die ich bin, und ich strecke meine rechte Hand aus — es ist die Geste eines hilflosen, bittenden Menschen —, wir lieben doch beide das Wasser, sage ich, irgendwann wirst du mir dein Meer zeigen, sage ich, versuche, ruhig zu atmen, und ich möchte dir meinen Fluss zeigen, sein sandiges Ufer, das man sonst nur am Meer findet, ich möchte so vieles mit dir, sage ich, es wird eine Zeit kommen, wo wir wieder hinfahren können…

Dalibor, der mich jetzt anschaut, sein Blick, der irgendetwas preisgibt, entschuldige, sagt er, ich habe mich einen Moment lang vergessen, und ich höre mein Herz, wie es in meinen Fingern schlägt, hattest du Angst vor mir, fragt er. Nein, antworte ich. Bist du sicher? und Dalibor wischt sich den Schweiss von der Stirn, das Wasser aus den Augen, das muss ich wissen, sagt er. Ich bin mir sicher, antworte ich, ohne zu zögern, und Dalibor, der seine Hand ausstreckt, mich mit den Fingerspitzen berührt, es tut mir leid wegen deinem Cousin, sagt er, wo ist er? In Banja Luka. Familie, fragt Dalibor. Ja, zwei Kinder und eine Frau. Erzähl mehr, sagt Dalibor. Bist du sicher? Ja.