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Jaina erzählte Thralls Geschichte vom Angriff auf die Orgath'ar und dem Menschenschiff in der Nähe, das nichts getan hatte, um zu helfen.

Kristoff hob seine dünne Augenbraue und sagte: »Die Geschichte klingt nicht glaubwürdig. Eine halbe Meile vor Ratchet, sagtet Ihr?«

Jaina nickte.

»In diese Region wurden gar keine Boote geschickt, Milady.«

»Der Nebel war dicht. Ist es möglich, dass das Boot, das Kapitän Bolik gesehen hat, vom Kurs abgekommen ist?«

Kristoff nickte und überdachte den Punkt. »Wie auch immer, Milady, es ist genauso gut möglich, dass dieser Kapitän Bolik falsch liegt.«

»Das halte ich für unwahrscheinlich.« Jaina ging auf die andere Seite ihres Tisches, setzte sich und legte die Schiffsberichte auf den einzigen freien Platz. »Orcs können besser sehen als wir, denkt daran, und sie neigen dazu, diejenigen mit den besten Augen in den Ausguck zu setzen.«

»Wir müssen aber auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Orcs lügen.« Bevor Jaina widersprechen konnte – und sie wollte widersprechen –, hielt Kristoff seine langgliedrige Hand hoch: »Ich rede jetzt nicht von Thrall, Milady. Der Kriegshäuptling der Orcs ist ein ehrenhafter Mann, das stimmt. Ihr tut recht daran, Euer Vertrauen in ihn zu setzen. Ich glaube nur, dass er sich einfach darauf verlässt, was ihm seine Leute sagen.«

»Und was könnte dahinterstecken?« Jaina kannte die Antwort, aber sie wollte sie von Kristoff bestätigt hören.

»Ich bleibe bei dem, was ich Euch die ganze Zeit schon erzähle, Milady. Wir können es uns nicht leisten, den Orcs blind zu vertrauen. Einzelne Orcs haben sich als ehrenhaft erwiesen, ja, aber die ganze Rasse? Wir wären Dummköpfe, wenn wir annehmen würden, dass sie uns alle wohl gesonnen und so erleuchtet sind wie Thrall. Er war ein starker Verbündeter gegen die Brennende Legion. Und ich bewundere alles, was er leistete. Aber das war doch nur zeitlich begrenzt.« Kristoff legte seine schmalen Hände auf den Tisch und beugte sich zu Jaina vor. »Das Einzige, was die Orcs auf Linie hält, ist Thrall. Und in der Minute, in der er weg ist, das versichere ich Euch, Milady, werden sich die Orcs wieder zurückverwandeln und alles tun, um uns zu vernichten.«

Jaina lachte unfreiwillig auf. Kristoffs Worte spiegelten exakt Jainas und Thralls Gespräch wider. Allerdings hörte es sich aus dem Mund des Kämmerers weit weniger vernünftig und nachvollziehbar an.

Kristoff straffte sich. »Etwas amüsiert Euch, Milady?«

»Nein. Ich glaube nur, Ihr bewertet die Lage falsch.«

»Und ich glaube, Ihr unterschätzt sie. Dieser Stadtstaat ist alles, was Kalimdor davor bewahrt, komplett von den Orcs überrannt zu werden.« Kristoff zögerte, was ungewöhnlich war. Der Kämmerer hatte Karriere gemacht, weil er geradeheraus war, was eine seiner nützlicheren Charaktereigenschaften war.

»Was meint Ihr, Kristoff?«

»Unsere Verbündeten sind besorgt. Der Gedanke eines ganzen Kontinents unter Orc-Herrschaft ist... für viele verstörend. Derzeit passiert in dieser Hinsicht wenig, teilweise weil es andere Angelegenheiten gibt, aber...«

»Aber gerade jetzt bin ich alles, was eine Invasion verhindert.«

»So lange wie Lady Proudmoore, die große Magierin und Siegerin über die Brennende Legion, über die Menschen auf Kalimdor herrscht, wird der Rest der Welt ruhig schlafen. Das wird sich ändern, sobald man glaubt, dass Lady Proudmoore die Orcs nicht mehr auf Linie halten kann. Und die dann drohende Invasionsflotte wird die Flotte Eures verstorbenen Vaters wie ein paar verirrte Ruderboote erscheinen lassen.«

Jaina lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Die Wahrheit war, dass sie nur wenige Gedanken an die Welt jenseits von Kalimdor verschwendet hatte, weil sie zu beschäftigt damit gewesen war, Dämonen zu bekämpfen und dann Theramore aufzubauen. Und der Angriff ihres eigenen Vaters hatte deutlich gemacht, dass diejenigen, die nicht gemeinsam mit den Orcs gekämpft hatten, sie immer noch für wenig mehr als Tiere hielten.

Aber Kristoff hätte es besser wissen müssen. »Was schlagt Ihr vor, Kämmerer?«

»Dass dieser Kapitän Bolik nur ein Aufwiegler ist, der versucht, Thrall gegen Euch aufzubringen, gegen uns. Selbst mit Northwatch stehen wir sehr allein. Wir könnten leicht von den Orcs eingeschlossen werden. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Trolle schon auf ihrer Seite sind und die Gnome wohl für niemanden Partei ergreifen werden.«

Jaina schüttelte den Kopf. Kristoffs Vorhersage war der schlimmste Alptraum für jeden Menschen, der auf Kalimdor lebte. Es schien erst gestern gewesen zu sein, dass sie auf dem besten Weg gewesen waren, solche katastrophalen Entwicklungen unmöglich zu machen. Der Handel mit den Orcs lief reibungsfrei, im Brachland, neutrales Gebiet zwischen Durotar und Theramore, war alles ruhig, und die beiden Rassen, die einander einst verachtet hatten, lebten seit drei Jahren miteinander in Frieden.

Jaina wünschte sich, das alles wäre ein Symbol dafür gewesen, wie die Dinge sein sollten – oder war alles doch nur eine Atempause, in der sie sich von der Brennenden Legion erholen konnten, der nächste Sturm aber unmittelbar bevorstand?

Bevor Jaina sich weiter damit beschäftigen konnte, trat eine hochgewachsene, dunkelhaarige Frau ein. Sie hatte ein eckiges Gesicht, eine spitze Nase und breite Schultern. Sie trug die Standard-Uniform, bestehend aus einem Brustpanzer mit grünem Waffenrock, auf dem das ankerförmige Symbol von Kul Tiras prangte, der früheren Heimat der Familie Proudmoore.

Die rechte Hand zum Gruß an der Stirn sagte sie: »Oberst Lorena meldet sich wie befohlen, Milady«

Jaina erhob sich und erwiderte: »Danke, Oberst. Steht bequem. Hat Duree Euch gesagt, was benötigt wird?« Jaina fühlte sich auf sonderbare Weise immer klein neben Lorena. Deshalb zog sie es vor, in ihrer Gegenwart wenigstens zu stehen, wodurch sie glaubte, sich wenigstens das geringe Maß an eigener Stattlichkeit bewahren zu können, das sie sich selbst zugestand.

Lorena senkte ihre Hand und verschränkte beide Arme hinter dem Rücken. Aber sonst blieb sie aufrecht stehen wie ein Ladestock, mit perfekter Haltung. »Ja, Ma'am, das hat sie. Wir brechen innerhalb einer Stunde nach Northwatch auf. Ich habe einen Läufer vorgeschickt, der Major Davin von unserer Ankunft informiert.«

»Gut, das ist alles.« Sie blickte vom Oberst zu ihrem Kämmerer. »Das gilt auch für Euch.«

Lorena salutierte, machte auf dem Absatz kehrt und ging. Kristoff hingegen zögerte.

Weil er nichts sagte, fragte Jaina: »Was ist denn noch, Kristoff?«

»Es wäre eine gute Idee, wenn der Trupp, der Lorena nach Northwatch begleitet, dort bliebe, um die Festung zu verstärken.«

Ohne Zögern sagte Jaina: »Nein.«

»Milady...«

»Die Orcs wollen uns komplett aus Northwatch heraushaben, Kristoff. Und da klar ist, warum wir diesem Wunsch nicht nachgeben können, werde ich mich nicht zu einer Provokation hinreißen lassen, wie sie die Verstärkung der Festung eindeutig darstellte. Ganz besonders nicht jetzt, da die Orcs glauben, dass wir ihnen unsere Hilfe gegen die Piraten versagt haben.«

»Ich denke immer noch...«

»Ihr seid entlassen, Kämmerer«, fiel ihm Jaina eisig ins Wort.

Kristoff blickte sie kurz finster an, dann verbeugte er sich knapp, breitete seine Arme aus und rang sich ein »Milady« ab, bevor er ging.

4

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, wo das Problem liegt, Oberst...«

Lorena blickte aus dem Fenster des kleinen Wachraums in der Feste Northwatch. Die Antwort kam von Major Davin, dem Festungskommandanten, der Lorena frustrierte, seit sie und ihr Sechs-Mann-Trupp vor einer Stunde eingetroffen waren.

Von seinem Platz an dem kleinen Tisch in der Mitte des Wachbüros hatte Davin, ein stämmiger Mann mit einem dichten Vollbart, Lorena eröffnet, dass sich ein Patrouillenschiff im Nebel verfahren hatte. Möglicherweise war es dieses Schiff gewesen, das die Orcs behaupteten gesehen zu haben.