»Klar«, sagte Wayne ohne viel Mitgefühl. »Kann ich mir denken, Larry. Geht's jetzt?«
»Okay. Aber laß uns ausruhen, hm? Und dann gehen wir zurück.«
»Ich will mit dir reden. Ich mußte dich dort wegbringen. Ich wollte, daß du einen klaren Kopf kriegst und kapierst, was ich dir sagen will.«
»Was soll das, Wayne?« Er dachte: Jetzt kommt's. Der Knüller. Aber was Wayne sagte, war so wenig ein Knüller, daß Larry einen Augenblick wieder an den Superboy-Comic denken mußte und versuchte, einen Satz mit fünf Worten zu begreifen.
»Schluß mit der Party, Larry.«
»Hm?«
»Die Party. Wenn du zurückkommst. Du ziehst alle Stecker raus, gibst allen die Autoschlüssel, bedankst dich für den Besuch und bringst sie zur Tür.«
»Das kann ich nicht«, sagte Larry erschrocken.
»Du mußt«, sagte Wayne.
»Aber warum? Mann, die Party fängt gerade erst an.«
»Larry, wieviel hat dir Columbia als Vorschuß gezahlt?«
»Warum willst du das wissen?« fragte Larry argwöhnisch.
»Glaubst du, ich will dich ausnehmen, Larry? Mach dich nicht lächerlich.«
Larry dachte nach, und ihm dämmerte mit wachsender Bestürzung, daß Wayne Stukey nicht den geringsten Grund hatte, ihn auszunehmen. Wayne hatte es noch nicht geschafft, er mußte noch kämpfen wie die anderen, mit denen Larry das Album aufgenommen hatte, aber Wayne stammte aus einer wohlhabenden Familie und verstand sich gut mit seinen Eltern. Waynes Vater gehörte die Hälfte des drittgrößten Herstellers von elektronischen Spielen des Landes, und die Stukeys bewohnten ein palastartiges Haus in Bei Air. Larry überlegte sich bestürzt, daß sein plötzlicher Wohlstand für Wayne wohl eher Kleinkram war.
»Nein, wahrscheinlich nicht«, sagte er mürrisch. »Tut mir leid. Aber mir kommt es so vor, als wollte jeder verarmte Kakerlakenjäger westlich von Las Vegas -«
»Wieviel also?«
Larry dachte einen Augenblick nach. »Sieben Riesen Vorschuß. Alles in allem.«
»Für die Single zahlen sie dir die Tantiemen vierteljährlich und für das Album halbjährlich?«
»Richtig.«
Wayne nickte. »Die Schweine halten das Geld zurück, bis der Adler schreit. Zigarette?«
Larry nahm eine und hielt zum Anzünden die hohlen Hände darum.
»Weißt du, was dich diese Party kostet?«
»Klar«, sagte Larry.
»Du hast das Haus nicht für weniger als tausend gemietet.«
»Stimmt.« Es waren 1200 Dollar gewesen plus 500 Dollar Kaution für eventuelle Schäden. Er hatte die Kaution und die halbe Monatsmiete bezahlt, insgesamt 500 Dollar, 600 schuldete er noch.
»Wieviel für Dope?« fragte Wayne.
»Ach, Mann, das braucht man nun mal. Wie Käse für Ritz Cracker...«
»Hasch und Koks. Wieviel? Raus damit.«
»Scheißdealer«, sagte Larry verdrossen. »Je fünfhundert.«
»Und am zweiten Tag war alles weg.«
»Einen Scheißdreck war es!« sagte Larry. »Als wir heute morgen weggegangen sind, habe ich zwei Typen beim Koksen gesehen, Mann. Gut, das meiste ist weg, aber...«
»Mensch, kannst du dich nicht an The Deck erinnern?« Waynes Stimme parodierte jetzt erstaunlich gut Larrys gedehnte Sprechweise. »Schreib's auf meine Rechnung, Dewey. Versorg sie.«
Larry sah Wayne mit dämmerndem Entsetzen an. Er erinnerte sich wirklich an einen drahtigen kleinen Mann mit einem seltsamen Haarschnitt, den man vor zehn oder fünfzehn Jahren eine Wuschelfrisur genannt hätte, ein kleiner drahtiger Kerl mit einer Wuschelfrisur und einem T-Shirt, auf dem stand: JESUS KOMMT - UND ER IST STINKSAUER. Dem Burschen schien guter Stoff praktisch aus dem Arschloch zu fallen. Er erinnerte sich auch noch daran, daß er dem Typen, Dewey the Deck, gesagt hatte, er solle die Gästekörbchen nachfüllen und ihm alles auf die Rechnung setzen. Aber das war... das war schon vor Tagen gewesen.
Wayne sagte: »Was Besseres als du ist Dewey Deck schon lange nicht mehr über den Weg gelaufen.«
»Wieviel schulde ich ihm?«
»Nicht viel für Hasch. Hasch ist billig. Zwölfhundert. Acht Riesen für Koks.«
Einen Augenblick dachte Larry, er müßte kotzen. Er glotzte Wayne stumm an. Er versuchte zu sprechen und konnte nur stammeln:
»Neuntausendzweihundert?«
»Inflation, Mann«, sagte Wayne. »Willst du den Rest hören?«
Larry wollte den Rest nicht hören, aber er nickte.
»Im Obergeschoß stand ein Fernseher. Jemand hat einen Stuhl reingeschlagen. Dreihundert für die Reparatur, schätze ich. Die Holztäfelung im Erdgeschoß ist völlig versaut. Vierhundert. Wenn du Glück hast. Das große Panoramafenster zum Strand ist vorgestern eingeschlagen worden. Dreihundert. Der Teppich im Wohnzimmer ist total im Arsch - Brandflecken, Bier, Whisky. Vierhundert. Ich habe den Spirituosenladen angerufen, und die freuen sich genauso über ihre Rechnung wie Deck über seine. Sechshundert.«
»Sechshundert für Fusel?« flüsterte Larry. Ihm stand das kalte Grausen bis zum Hals.
»Sei froh, daß die meisten nur Bier und Wein gesoffen haben. Im Supermarkt hast du vierhundert Dollar auf der Latte stehen, hauptsächlich für Pizza, Chips und so leckere Sachen. Aber das Schlimmste ist der Lärm. Bald werden die Bullen aufkreuzen. Les flies. Ruhestörender Lärm. Und du hast vier oder fünf Jungs auf Heroin. In der Bude liegen mindestens achtzig bis hundert Gramm Mexican Brown rum.«
»Auch auf meine Rechnung?« fragte Larry heiser.
»Nein. The Deck läßt die Finger vom Heroin. Das ist das Geschäft der Organisation, und Deck mag keinen Stiefel aus Beton. Aber wenn die Bullen erst kommen, dann geht die ganze Scheiße auf Deine Rechnung.«
»Aber ich wußte nicht...«
»Unschuldig wie ein Neugeborenes, klar.«
»Aber...«
»Deine Gesamtrechung für diese kleine Eskapade beläuft sich bisher auf über zwölftausend Dollar«, sagte Wayne. »Du bist losgezogen und hast Dir den Z gekauft... wieviel hast Du hingeblättert?«
»Zweieinhalb«, sagte Larry dumpf. Ihm war zum Heulen.
»Und was hast Du noch bis zum nächsten Tantiemenscheck? Ein paar tausend?«
»Ungefähr«, sagte Larry, der Wayne nicht sagen konnte, dass er weit weniger hatte, etwa achthundert, zu gleichen Teilen Bargeld und Schecks.
«Larry, hör gut zu, weil ich keine Lust habe, es dir zweimal zu sagen. Hier steigt immer wieder eine neue Party. Das einig Konstante hier darußen ist der konstante Irrsinn und die konstante Party. Die TYpen kommen angeströmt wie die Vögel, die auf dem Rücken von Nilpferden Ungeziefer suchen.Jetzt sind sie hier. Pflück sie dir aus dem Pelz und schick sie fort.«
Larry dachte an die Dutzende Leute im Haus. Von drei Gästen kannte er derzeit vielleicht einen. Der Gedanke, diesen fremden Lauten zu sagen, dass sie gehen sollten,schnürte ihm die Kehle zu. Sie würden keine gute Meinung mehr von ihm haben. Gegen diesen Gedanken stand das Bild Dewey Decks, der die Schüsseln wieder auffüllte und dann sein Notizbuch aus der Tasche zog und alles aufschrieb. Er und seine Wuschelfrisur und sein modisches T-Shirt.
Wayne sah in ganz ruhig an, währand Larry zwischen diesen beiden Bildern hin und her schwankte.
«Mann, ich werde aussehen wie das letzte Arschloch«, sagte Larry endlich und hasste diese schwachen und kläglichen Worte schon, während er sie aussprach.
«Ja, sie werden kein gutes Haar an dir lassen. Sie werden sagen, du kommst dir vor wie ein Hollywood-Star. Wirst größenwahnsinnig. Vergißt deine alten Freunde. Aber keiner von ihnen ist dein Freund, Larry. Deine Freunde haben vor drei Tagen gesehen, was hier los ist, und sich verdrückt. Es macht keinen Spaß zu sehen, wie ein Freund sich sozusagen in die Hose pisst und es noch nicht einmal merkt.«