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Nick drehte den Block um und zeigte mit dem Radiergummiende auf den Namen. Er zog fragend die Brauen hoch.

»Ja, das bin ich. Und wer bist du?«

»Nick Andros«, schrieb er. Er steckte die Hände durch das Gitter. Baker schüttelte den Kopf. »Ich geb' dir nicht die Hand. Bist du auch taub?«

Nick nickte.

»Was ist gestern abend passiert? Doc Soames und seine Frau hätten dich fast überfahren wie ein Waldmurmeltier, Junge.«

»Zusammengeschlagen und ausgeraubt«, schrieb Nick. »Ungefähr eine Meile von einer Kneipe an der Main Street entfernt. Zack's Place.«

»Kein Lokal für einen Jungen wie dich, Babalugah. Du bist noch nicht alt genug zum Trinken.«

Nick schüttelte empört den Kopf. »Ich bin zweiundzwanzig«, schrieb er.

»Ich kann ein paar Bier trinken, ohne deshalb zusammengeschlagen & ausgeraubt zu werden, oder?«

Baker las das mit einem gallig amüsierten Gesichtsausdruck. »In Shoyo kannst du das offenbar nicht. Was treibst du hier, Junge?«

Nick riß den ersten Zettel vom Block, knüllte ihn zusammen und liess ihn auf den Fußboden fallen. Bevor er seine Antwort schreiben konnte, fuhr ein Arm durch das Gitter, und eine stählerne Hand packte ihn an der Schulter. Nicks Kopf fuhr hoch.

»Meine Frau putzt die Zellen«, sagte Baker, »und ich sehe keinen Grund, warum du deine dreckig machen mußt. Wirf das ins Klo.«

Nick bückte sich, zuckte vor Rückenschmerzen zusammen und hob die Papierkugel vom Boden auf. Er ging zur Toilette, warf sie hinein und sah Baker mit hochgezogenen Brauen an. Baker nickte. Nick kam zurück. Diesmal schrieb er länger, der Bleistift flog über das Papier. Baker überlegte, daß es ziemlich knifflig sein mußte, einem taubstummen Kind Lesen und Schreiben beizubringen, und daß dieser Nick Andros im Oberstübchen ganz gut ausgestattet sein mußte, wenn er es kapiert hatte. Es gab Jungs hier in Shoyo, Arkansas, die es nie richtig kapiert hatten, und mehr als ein paar davon waren regelmäßig in Zack's Place. Aber das konnte ein Junge, den es gerade in die Stadt verschlagen hatte, natürlich nicht wissen.

Nick schob den Notizblock durch das Gitter.

»Ich bin herumgereist, bin aber kein Landstreicher. Gestern habe ich für einen Mann namens Rieh Ellerton gearbeitet, ungefähr sechs Meilen westlich von hier. Ich habe die Scheune saubergemacht und einen Wagen Heu auf den Boden geschafft. Letzte Woche habe ich in Watts, Okla, einen Zaun gezogen. Die Männer, die mich zusammenschlugen, haben meinen ganzen Wochenlohn. «

»Bist du sicher, daß du für Rieh Ellerton gearbeitet hast? Das kann ich nachprüfen, weißt du.« Baker hatte Nicks Erklärung abgerissen, sie zur Größe eines Geldbörsenfotos zusammengefaltet und in die Hemdtasche gesteckt.

Nick nickte.

»Hast du seinen Hund gesehen?«

Nick nickte »Welche Rasse?«

Nick bat mit einer Geste um den Notizblock. »Großer Dobermann«, schrieb er. »Aber lieb. Nicht böse.«

Baker nickte, wandte sich ab und ging wieder in sein Büro. Nick stand am Gitter und sah ihm ängstlich nach. Wenig später kam Baker mit einem großen Schlüsselbund zurück, schloß die Tür der Arrestzelle auf und schob sie in ihrer Schiene zurück.

»Komm mit ins Büro«, sagte Baker. »Möchtest du frühstücken?«

Nick schüttelte den Kopf und verdeutlichte durch Gesten Eingießen und Trinken.

»Kaffee? Hab' ich. Milch und Zucker?«

Nick schüttelte den Kopf.

»Du trinkst ihn wie ein Mann, was?« Baker lachte. »Komm mit.«

Baker wandte sich ab, und Nick konnte nicht verstehen, was er redete, da Baker ihm den Rücken zugekehrt hatte und Nick seine Lippen nicht lesen konnte. »Mich stört die Gesellschaft nicht. Ich hab'

Schlafstörungen. Ist inzwischen so schlimm, daß ich keine Nacht mehr als drei oder vier Stunden schlafen kann. Meine Frau meint, ich soll zu so 'nem sauteuren Doktor in Pine Bluff. Wenn's so weitergeht, mach' ich das vielleicht. Ich meine, sieh dir das an - es ist fünf Uhr morgens, noch nicht mal hell draußen, und ich futtere Eier und fettige Fritten von der Raststätte an der Straße.«

Beim letzten Satz drehte er sich um, und Nick bekam gerade noch »...Raststätte an der Straße« mit. Er zog die Brauen hoch und zuckte die Schultern, um seiner Verwirrung Ausdruck zu verleihen.

»Nicht wichtig«, sagte Baker. »Jedenfalls nicht für einen jungen Kerl wie dich.«

Im Büro schenkte Baker ihm aus einer riesigen Thermosflasche schwarzen Kaffee ein. Das halbgegessene Frühstück des Sheriffs stand auf der Schreibunterlage auf dem Tisch, und er zog es zu sich herüber. Nick schlürfte Kaffee. Die Lippen taten ihm weh, aber der Kaffee war gut.

Er tippte Baker auf die Schulter, und als der aufsah, deutete Nick auf den Kaffee, strich sich den Bauch und zwinkerte ihm ernst zu. Baker lächelte. »Das will ich meinen. Den macht meine Frau Jane.«

Er schob sich ein halbes gebratenes Ei in den Mund, kaute und zeigte mit der Gabel auf Nick. »Du bist ganz gut. Wie die Pantomimen. Ich wette, du hast kaum Schwierigkeiten, dich verständlich zu machen, hm?«

Nick machte eine wippende Geste mit der Hand. Comme ci, comme ca.

»Ich werde dich nicht festhalten«, sagte Baker und wischte mit einem Stück Toast Fett vom Teller, »aber ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du noch eine Weile bleibst, erwischen wir vielleicht den Burschen, der dich so zugerichtet hat. Einverstanden?«

Nick nickte und schrieb: »Glauben Sie, ich bekomme mein Geld zurück?«

»Keine Chance«, sagte Baker geradeheraus. »Ich bin nur ein Hinterwäldlersheriff. Für so etwas brauchtest du Oval Roberts.«

Nick nickte und zuckte die Achseln. Er legte die Hände zusammen und machte einen davonfliegenden Vogel nach.

»Ja, so ungefähr. Wie viele waren es?«

Nick hielt vier Finger hoch, zuckte dann die Achseln, fünf.

»Könntest du sie identifizieren?«

Nick hielt einen Finger hoch und schrieb: »Groß & blond. Ihre Größe, vielleicht etwas dicker. Graue Hosen & Hemd. Er trug einen großen Ring. Dritter Finger, rechte Hand. Purpurfarbener Stein. Damit hat er mich geschnitten.«

Als Baker das las, ging in seinem Gesicht eine Veränderung vor. Zuerst Sorge, dann Wut. Nick, der glaubte, die Wut richte sich gegen ihn, bekam wieder Angst.

»Mein Gott«, sagte Baker. »Das ist der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Bist du sicher?«

Nick nickte.

»Sonst noch was? Hast du sonst noch was gesehen?«

Nick dachte angestrengt nach, dann schrieb er: »Kleine Narbe. An der Stirn.«

Baker las die Worte. »Das ist Ray Booth«, sagte er. »Mein Schwager. Danke, Junge. Fünf Uhr morgens, und schon ist mein Tag versaut.«

Nick machte die Augen ein wenig weiter auf und deutete mit der Hand vorsichtig sein Bedauern an.

»Ja, schon gut«, sagte Baker mehr zu sich selbst als zu Nick. »Er ist ein schlechter Schauspieler. Janey weiß es. Als sie noch Kinder waren, hat er sie oft genug verprügelt. Trotzdem sind sie Geschwister, und ich denke, für diese Woche kann ich mein Liebesleben vergessen.«

Nick senkte verlegen den Kopf. Nach einer Weile schüttelte Baker ihn an der Schulter, damit Nick ihn sprechen sehen konnte.

»Hat wahrscheinlich sowieso keinen Zweck«, sagte er. »Ray und seine Wichserkumpel werden sich gegenseitig ein Alibi verschaffen. Dein Wort gegen ihres. Hast du ihnen auch was verpaßt?«

»Diesen Ray in den Bauch getreten«, schrieb Nick. »Einen anderen auf die Nase geschlagen. Wahrscheinlich gebrochen.«

»Ray lungert hauptsächlich mit Vince Hogan, Billy Warner und Mike Childress rum«, sagte Baker. »Wenn ich Vince allein erwische, krieg' ich ihn vielleicht klein. Er hat so wenig Rückgrat wie 'ne altersschwache Qualle. Wenn ich ihn hab', könnte ich mich um Mike und Billy kümmern. Ray hat den Ring von einer Studentenverbindung an der LSU. Er ist nach dem ersten Semester ausgestiegen.« Er schwieg und klopfte mit den Fingern auf den Rand des Frühstückstellers. »Schätze, wir könnten es versuchen, Junge, wenn du willst. Aber ich warne dich vorher, wahrscheinlich werden wir sie nicht erwischen. Sie sind so bösartig und feige wie eine Hundemeute, aber sie stammen aus der Stadt, und du bist nur ein taubstummer Herumtreiber. Und wenn sie ungeschoren davonkommen, hast du sie wieder auf dem Hals.«