Das Albumcover zeigte ein Foto von Larry in einer altmodischen Badewanne mit Klauenfüßen voll Seifenschaum. Auf den Kacheln über ihm standen, mit dem Lippenstift einer Columbia-Sekretärin geschrieben, die Worte POCKET SAVIOR und LARRY UNDERWOOD! Die Columbia hatte das Album Baby, Can You Dig Your Man? nennen wollen, aber dagegen hatte sich Larry ausdrücklich verwahrt, schließlich hatten sie sich auf einen Aufkleber MIT HIT-SINGLE! geeinigt.
Vor zwei Wochen stand die Single auf Platz siebenundvierzig, und die Party hatte richtig angefangen. Er hatte für einen Monat ein Strandhaus in Malibu gemietet, und danach wurde alles ein wenig verschwommen. Leute kamen und gingen, immer mehr. Einige kannte er, aber die meisten waren Fremde. Er erinnerte sich daran, daß ihn noch mehr Agenten belästigten, die »seine große Karriere fördern« wollten. Er erinnerte sich an ein Mädchen, das einen schlechten Trip erwischt hatte und schreiend und splitternackt über den weißen Strand gelaufen war. Er erinnerte sich, daß er Kokain geschnupft und mit Tequila nachgespült hatte. Er erinnerte sich, dass er an einem Samstag morgen wachgerüttelt worden war, es mußte vor einer Woche oder so gewesen sein, und gehört hatte, wie Kasey Käsern in American Top Forty seine Scheibe als Debüt-Song spielte, der auf Platz sechsunddreißig stand. Er erinnerte sich, daß er viele rote Tabletten geschluckt und mit einem Scheck über viertausend Dollar, der mit der Post gekommen war, um den Datsun Z gefeilscht hatte.
Und dann kam der 13. Juni, vor sechs Tagen, als Wayne Stukey Larry gebeten hatte, mit ihm einen Spaziergang am Strand zu machen. Es war erst neun Uhr morgens gewesen, aber die Stereoanlage und beide Fernsehgeräte waren eingeschaltet, und es hörte sich an, als würde im Spielzimmer im Keller eine Orgie stattfinden. Larry saß in Unterhosen auf einem Plüschsessel im Wohnzimmer und versuchte krampfhaft, einen Superboy-Comic zu lesen und zu verstehen. Er fühlte sich topfit, aber die Worte ergaben keinen Zusammenhang. Ein Stück von Wagner donnerte aus den Quadrolautsprechern, und Wayne mußte drei- oder viermal rufen, bis er gehört wurde. Dann nickte Larry. Er fühlte sich, als hätte er Meilen zurücklegen können.
Aber als der Sonnenschein Larry wie Nadeln in die Augen stach, überlegte er es sich plötzlich anders. Kein Spaziergang. Hmmmm. Seine Augen hatten sich in Vergrößerungsgläser verwandelt, und die Sonne würde so lange hineinscheinen, bis sie ihm das Gehirn verbrannt hatte. Sein armes altes Gehirn schien trocken wie Zunder zu sein.
Wayne ließ nicht locker und packte ihn fest am Arm. Sie gingen zum Strand hinunter, über den warmen Sand zum dunkleren, härteren Boden beim Wasser, und jetzt fand Larry, daß es doch eine ganz gute Idee gewesen war. Das anschwellende Geräusch der Wellen, die ans Ufer schlugen, war beruhigend. Eine Möwe, die sich bemühte, Höhe zu gewinnen, hing wie ein gemaltes M am Himmel. Wayne zog ihn fest am Arm. »Komm mit.«
Larry durfte mehr Meilen zurücklegen, als ihm lieb war, bis er keine Lust mehr hatte. Er hatte häßliche Kopfschmerzen, und sein Rückgrat fühlte sich an, als hätte es sich in Glas verwandelt. Seine Augen pulsierten, und er hatte dumpfe Schmerzen in den Nieren. Ein Amphetaminkater ist zwar nicht ganz so schlimm wie der Morgen nach der Nacht, in der man sich zehn Milligramm Four Roses eingepfiffen hat, aber er ist auch nicht so angenehm, wie, zum Beispiel, Raquel Welch zu bumsen. Wenn er noch ein paar Aufputscher nahm, konnte er vielleicht den Kater kitten. Er wollte in die Tasche greifen, um die Tabletten herauszuholen, und merkte erst jetzt, daß er nur eine Unterhose anhatte, die vor drei Tagen frisch gewesen war.
»Wayne, ich will wieder zurück.«
»Laß uns noch ein Stück gehen.« Es schien ihm, daß Wayne ihn seltsam ansah, mit einer Mischung aus Zorn und Mitleid.
»Nein, Mann. Ich hab' nur 'ne Unterhose an. Ich werd' wegen Exhibitionismus eingelocht.«
»An diesem Teil der Küste kannst du dir ein Taschentuch um den Dödel binden und die Eier frei hängen lassen und wirst trotzdem nicht wegen Exhibitionismus eingesperrt. Komm schon, Mann.«
»Ich bin müde«, sagte Larry quengelnd. Wayne ging ihm allmählich auf den Geist. So also wollte Wayne ihm heimzahlen, daß Larry einen Hit hatte und er, Wayne, auf dem Album nur als Keyboardspieler genannt wurde! Er war genau wie Julie. Alle haßten ihn jetzt. Alle hatten die Messer gezückt. Allzu schnelle Tränen verschleierten seinen Blick.
»Komm schon, Mann«, wiederholte Wayne, und sie gingen weiter den Strand entlang.
Sie waren vielleicht noch eine Meile gegangen, als Larry plötzlich einen Krampf in beiden Oberschenkelmuskeln hatte. Er schrie auf und ließ sich in den Sand fallen. Ihm war, als hätte ihm jemand gleichzeitig zwei Dolche ins Fleisch gestoßen.
»Ein Krampf!« brüllte er. »O Mann, ein Krampf!«
Wayne kauerte sich neben ihn und zog ihm die Beine gerade. Die Schmerzen fingen wieder an, aber Wayne klopfte die verkrampften Muskeln und knetete sie durch. Schließlich entspannte sich das zu gering durchblutete Gewebe.
Larry, der den Atem angehalten hatte, stieß jetzt hörbar die Luft aus.
»O Mann«, sagte er. »Danke. Das war... das war schlimm.«
»Klar«, sagte Wayne ohne viel Mitgefühl. »Kann ich mir denken, Larry. Geht's jetzt?«
»Okay. Aber laß uns ausruhen, hm? Und dann gehen wir zurück.«
»Ich will mit dir reden. Ich mußte dich dort wegbringen. Ich wollte, daß du einen klaren Kopf kriegst und kapierst, was ich dir sagen will.«
»Was soll das, Wayne?« Er dachte: Jetzt kommt's. Der Knüller. Aber was Wayne sagte, war so wenig ein Knüller, daß Larry einen Augenblick wieder an den Superboy-Comic denken mußte und versuchte, einen Satz mit fünf Worten zu begreifen.
»Schluß mit der Party, Larry.«
»Hm?«
»Die Party. Wenn du zurückkommst. Du ziehst alle Stecker raus, gibst allen die Autoschlüssel, bedankst dich für den Besuch und bringst sie zur Tür.«
»Das kann ich nicht«, sagte Larry erschrocken.
»Du mußt«, sagte Wayne.
»Aber warum? Mann, die Party fängt gerade erst an.«
»Larry, wieviel hat dir Columbia als Vorschuß gezahlt?«
»Warum willst du das wissen?« fragte Larry argwöhnisch.
»Glaubst du, ich will dich ausnehmen, Larry? Mach dich nicht lächerlich.«
Larry dachte nach, und ihm dämmerte mit wachsender Bestürzung, daß Wayne Stukey nicht den geringsten Grund hatte, ihn auszunehmen. Wayne hatte es noch nicht geschafft, er mußte noch kämpfen wie die anderen, mit denen Larry das Album aufgenommen hatte, aber Wayne stammte aus einer wohlhabenden Familie und verstand sich gut mit seinen Eltern. Waynes Vater gehörte die Hälfte des drittgrößten Herstellers von elektronischen Spielen des Landes, und die Stukeys bewohnten ein palastartiges Haus in Bei Air. Larry überlegte sich bestürzt, daß sein plötzlicher Wohlstand für Wayne wohl eher Kleinkram war.
»Nein, wahrscheinlich nicht«, sagte er mürrisch. »Tut mir leid. Aber mir kommt es so vor, als wollte jeder verarmte Kakerlakenjäger westlich von Las Vegas -«
»Wieviel also?«
Larry dachte einen Augenblick nach. »Sieben Riesen Vorschuß. Alles in allem.«
»Für die Single zahlen sie dir die Tantiemen vierteljährlich und für das Album halbjährlich?«
»Richtig.«
Wayne nickte. »Die Schweine halten das Geld zurück, bis der Adler schreit. Zigarette?«
Larry nahm eine und hielt zum Anzünden die hohlen Hände darum.
»Weißt du, was dich diese Party kostet?«
»Klar«, sagte Larry.
»Du hast das Haus nicht für weniger als tausend gemietet.«
»Stimmt.« Es waren 1200 Dollar gewesen plus 500 Dollar Kaution für eventuelle Schäden. Er hatte die Kaution und die halbe Monatsmiete bezahlt, insgesamt 500 Dollar, 600 schuldete er noch.
»Wieviel für Dope?« fragte Wayne.