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Kojak wedelte mit dem Schwanz und blieb sitzen.

»Holen? H...«

Aber Kojak war weg. Er rannte in östliche Richtung, und als er zurückkam, hatte er ein großes Stück Holz im Maul. Er ließ es neben Stu fallen, bellte und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz.

»Braver Hund«, sagte Stu wieder. »Ich werd' verrückt! Holen, Kojak!«

Mit fröhlichem Gebell verschwand Kojak wieder. Nach zwanzig Minuten hatte er genug Holz für ein großes Feuer gebracht. Stu schnitt Späne von den Ästen, um das Feuer anzünden zu können. Dann schaute er nach, wie viele Streichhölzer er noch hatte. Es waren anderthalb Heftchen. Beim zweiten Streichholz brannte sein Anmachholz, und er achtete sorgfältig darauf, daß es nicht wieder erlosch. Bald brannte ein ordentliches Feuer, und in seinem Schlafsack sitzend, rückte Stu so nahe wie möglich heran. Kojak setzte sich an die andere Seite des Lagerfeuers und legte die Schnauze auf die Pfoten.

Als das Feuer ein wenig heruntergebrannt war, spießte Stu das Kaninchen auf und briet es. Der Geruch war bald so stark und so aromatisch, daß ihm der Magen knurrte. Auch Kojak wurde aufmerksam und beäugte das Kaninchen mit regem Interesse.

»Hälfte für dich und Hälfte für mich, alter Junge, okay?«

Fünfzehn Minuten später nahm er das Kaninchen vom Feuer und schaffte es, den Braten in zwei Teile zu reißen, ohne sich allzusehr die Finger zu verbrennen. Das Fleisch war stellenweise verbrannt, an anderen Stellen noch halb roh, aber es stellte den Büchsenschinken vom Great-Western-Market weit in den Schatten. Er und Kojak verschlangen es... und als sie fertig waren, hörten sie ein markerschütterndes Geheul.

»Mein Gott!« rief Stu, noch immer ein Stück Kaninchenfleisch im Mund. Kojak war aufgesprungen, und seine Nackenhaare sträubten sich. Er knurrte. Steifbeinig schlich er um das Feuer herum, immer noch knurrend. Aber was immer geheult hatte, war verstummt. Stu legte sich hin, einen faustgroßen Felsbrocken in der einen Hand, das Taschenmesser in der anderen. Die Sterne leuchteten kalt und fern und gleichgültig. Er dachte an Fran, aber nicht lange. Der Gedanke war zu schmerzlich, mit vollem Bauch oder nicht. Aber ich werde nicht schlafen, dachte er. jedenfalls nicht lange. Aber dann schlief er doch ein, mit Hilfe einer von Glens Pillen. Und als das Feuer schon fast erloschen war, schlich Kojak herüber und legte sich neben ihn und gab Stu etwas von seiner Wärme. Und so kam es, daß Stu in der ersten Nacht, die er ohne seine Gefährten verbringen mußte, aß, während sie hungerten, und gut schlief, während ihr Schlaf von Alpträumen und dem Gefühl sich rasch nahenden Unheils gestört wurde.

Am vierundzwanzigsten, nach einer Tagesetappe von dreißig Meilen, rastete Larry Underwoods dreiköpfige Pilgergruppe nordöstlich des San Rafael Knob. In dieser Nacht sank die Temperatur unter Null, und sie zündeten ein großes Feuer an. So nahe wie möglich schliefen sie neben der Glut. Kojak war nicht wiedergekommen.

»Wie mag es Stu wohl heute nacht ergehen?« fragte Ralph Larry.

»Er stirbt«, sagte Larry knapp, und seine Worte taten ihm sofort leid, als er die Trauer in Ralphs ehrlichem Gesicht sah. Aber er wußte nicht, wie er diese Worte zurücknehmen konnte, denn was er gesagt hatte, war mit großer Wahrscheinlichkeit wahr.

Er legte sich wieder hin und hatte das seltsame Gefühl, daß es schon morgen war. Was immer sie erwartete, sie hatten es fast schon erreicht.

In der Nacht hatte er Alpträume. In jenem Traum, den er am nächsten Morgen am deutlichsten in Erinnerung hatte, war er mit einer Gruppe namens The Shady Blues Connection auf Tournee. Sie spielten im Madison Square Garden, und das Konzert war ausverkauft. Donnernder Applaus, als sie die Bühne betraten. Larry ging nach vorn, um sein Mikrophon zu justieren, es auf die richtige Höhe zu bringen, doch es ließ sich keinen Millimeter bewegen. Er ging zum Mikro des Leadgitarristen hinüber, aber auch das war wie angeschweißt. Dasselbe mit den Mikros des Baßgitarristen und des Mannes an den Keyboards. Buhrufe und rhythmisches Klatschen erhoben sich in der Menge. Einer nach dem anderen schlichen sich die Musiker der Shady Blues Connection von der Bühne; auf ihren Gesichtern lag ein verstohlenes Grinsen; sie trugen ähnlich poppig-psychedelische Hemden, wie die Byrds sie einst getragen hatten, damals, 1966, als Roger McGuin noch bei jedem Auftritt acht Meilen high gewesen war. Oder achthundert. Und Larry ging noch immer von Mikro zu Mikro in der Hoffnung, eins zu finden, das sich einstellen ließ. Aber die Dinger waren allesamt mindestens drei Meter hoch und wie festgefroren. Sie sahen aus wie Kobras aus rostfreiem Stahl. Irgend jemand in der Menge verlangte lautstark »Baby, Can You Dig Your Man?«. Diesen Song spiel' ich nicht mehr, versuchte Larry zu sagen. Ich hab' ihn seit dem Weltuntergang nicht mehr gespielt.Sie konnten ihn nicht hören, und nun begann die Menge zu singen, zuerst die hinteren Reihen; dann wogte der Gesang nach vorn, wurde lauter und lauter und schriller, bis der ganze Garden erfüllt war von Gebrülclass="underline" » Baby Can You Dig Your Man! Baby Can You Dig Your Man! BABY CAN YOU DIG YOUR MAN!«

Larry erwachte; das Geschrei hallte ihm noch in den Ohren. Er war schweißgebadet.

Er brauchte nicht erst Glen zu fragen, was für eine Art Traum das gewesen war oder welche Bedeutung er hatte. Der Traum, in dem man nicht an die Mikrophone herankommt, sie nicht justieren kann, ist nicht ungewöhnlich für einen Rockmusiker - wie auch jener Traum, daß man auf der Bühne steht und plötzlich den Text des Songs vergessen hat. Larry vermutete, daß alle Entertainer in der einen oder anderen Form diesen Traum hatten, bevor - Bevor ihr Auftritt kam.

Es war ein Unzulänglichkeitstraum. Er verdeutlichte die eine, primitive, alles überdeckende Angst: Was, wenn du nicht kannst? Was, wenn du willst, aber nicht kannst?Das Entsetzen, jene Grenze nicht überschreiten zu können, die den Amateur vom Künstler - Sänger, Schriftsteller, Maler, Musiker - trennt.

Du mußt den Leuten etwas bieten, Larry.

Wessen Stimme war das? Die seiner Mutter?

Du bist einer, der nur nimmt, Larry.

Nein, Mom - nein, bin ich nicht. Diesen Song spiel' ich nicht mehr. Seit dem Weltuntergang spiel' ich ihn nicht mehr. Ehrlich. 

Er legte sich wieder hin und versank allmählich in Schlaf. Stu hatte recht, war sein letzter Gedanke: Der dunkle Mann wird uns alle zu fassen kriegen. Morgen, dachte er. Was immer uns erwartet, wir sind fast da.

Aber am Fünfundzwanzigsten sahen sie niemanden. Die drei Männer wanderten gemächlich unter dem blauen Himmel dahin und sahen Vögel und Wild, aber keine Menschen.

»Es ist erstaunlich, wie sich die Tiere wieder vermehren«, sagte Glen. »Ich wußte, daß dies ein schneller Prozeß sein würde, und natürlich wird der Winter alles wieder ein wenig zurechtstutzen, aber es ist dennoch erstaunlich. Seit den ersten Ausbrüchen der Seuche sind nur etwa hundert Tage vergangen.«

»Ja, aber es gibt keine Hunde und Pferde mehr«, sagte Ralph. »Das gefällt mir nicht. Sie haben einen Erreger gefunden, der fast alle Menschen getötet hat, aber das reichte offenbar nicht. Er mußte auch noch die beiden beliebtesten Tierarten ausrotten. Er hat die Menschen dahingerafft und ihre besten Freunde gleich dazu.«

»Und die Katzen übriggelassen«, sagte Larry traurig. Ralphs Miene hellte sich auf. »Es gibt doch noch Kojak...«

»Es gabKojak.«

Das würgte die Unterhaltung ab. Die Spitzkuppen ringsum blickten dräuend auf sie herab. Hier konnten sich Männer mit Gewehren und Ferngläsern verborgen halten. Larrys böse Vorahnungen, daß heute der Tag war, hatte ihn noch nicht verlassen. Immer wenn die Straße anstieg, erwartete er auf der anderen Seite eine Straßensperre. Und wenn das nicht der Fall war, fürchtete er irgendwo einen Hinterhalt. Sie redeten über Pferde. Über Hunde und Büffel. Die Büffel kehrten bereits allmählich zurück, erzählte Ralph ihnen - Nick und Tom Cullen hatten welche gesehen. Der Tag war gar nicht mehr so fern - vielleicht noch zu ihren Lebzeiten -, daß riesige Büffelherden wieder die Prärie bevölkerten.