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Larry wußte, daß Ralph recht hatte. Er wußte aber auch, daß es scheißegal war, was sie betraf - vielleicht belief sich die Summe ihrer Lebzeiten auf weniger als zehn Minuten.

Dann war es fast dunkel, und es wurde Zeit, das Lager aufzuschlagen. Noch einmal stieg die Straße an, und Larry dachte: Jetzt. Dort unten werden sie sein.

Aber es war niemand da. Sie kampierten in der Nähe eines grünen Reflektorschildes, auf dem LAS VEGAS 260 stand. Sie hatten heute verhältnismäßig gut gegessen: Taco-Chips, Soda und zwei Slim Jims, die sie untereinander aufgeteilt hatten.

Morgen, dachte Larry wieder und schlief ein. In dieser Nacht träumte er, daß er, Barry Greig und die Tattered Remnants im Madison Square Garden spielten. Es war ihre große Chance - sie eröffneten den Abend für irgendeine Supergruppe, die sich nach einer Stadt benannte. Boston oder vielleicht auch Chicago. Und die Mikrophonständer waren alle mindestens drei Meter hoch, und in wachsender Panik stolperte er von einem zum anderen, und die Leute klatschten wieder rhythmisch und wollten wieder »Baby, Can You Dig Your Man?« hören. Er schaute zur ersten Reihe hinunter, und wie ein eiskalter Wasserguß packte ihn die Angst. Charles Manson saß da, und das Kreuz auf seiner Stirn war zu einer weißen schiefen Narbe verheilt. Er klatschte und schrie. Und auch Richard Speck saß dort unten und schaute Larry unverschämt an, und zwischen seinen Lippen zitterte eine filterlose Zigarette. Hinter ihm saß John Wayne. Und Flagg führte den Chor an.

Morgen, dachte Larry wieder und stolperte unter den heißen Traumlichtern des Madison Square Garden von einem der hohen Mikrophone zum anderen. Wir sehen uns morgen.

Aber es war nicht am nächsten Tag und auch nicht am Tag danach. Am Abend des 27. September kampierten sie in der Stadt Freemont Junction, und es gab reichlich zu essen.

»Ich erwarte immer, daß es bald vorbei ist«, sagte Larry an diesem Abend zu Glen. »Und es wird jeden Tag schlimmer.«

Glen nickte. »Mir geht es ähnlich. Wäre schon komisch, wenn es sich nur um eine Fata Morgana gehandelt hätte, nicht wahr? Nichts als ein böser Traum in unserem kollektiven Bewußtsein.«

Larry sah ihn einen Augenblick überrascht und nachdenklich an. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass es nur ein Traum ist.«

Glen lächelte. »Ich auch nicht, junger Mann. Ich auch nicht.«

Am nächsten Tag war es soweit.

Morgens um kurz nach zehn gingen sie eine Steigung hoch, und unter ihnen im Westen, etwa fünf Meilen entfernt, parkten zwei Wagen Motorhaube an Motorhaube. Alles sah genauso aus, wie Larry es erwartet hatte.

»Unfall?« fragte Glen.

Ralph hielt die Hände über die Augen. »Das glaube ich nicht. Dann würden sie anders stehen.«

»Es sind seineLeute«, sagte Larry.

»Ja, das glaube ich auch«, sagte Ralph. »Was sollen wir jetzt tun, Larry?«

Larry nahm sein großes Taschentuch aus der Gesäßtasche und wischte sich damit das Gesicht. Entweder war heute wieder Sommer, oder sie spürten bereits die Hitze der Wüste, die im Südwesten lag. Es mochten knapp dreißig Grad sein.

Aber es ist eine trockene Hitze, dachte er. Ich schwitze nur ein wenig. Nur ganz wenig.Er steckte das Taschentuch wieder ein. Jetzt, wo es endlich soweit war, fühlte er sich gut. Wieder überkam ihn das seltsame Gefühl, daß es sich hier um einen Auftritt handelte, eine Show, die über die Bühne gehen mußte.

»Wir gehen hinunter«, sagte Larry. »Dann werden wir feststellen, ob Gott wirklich auf unserer Seite steht. Okay, Glen?«

»Du bist der Boß.«

Sie gingen weiter. Nach einer halben Stunde waren sie so nahe herangekommen, um erkennen zu können, daß diese Wagen früher der Utah State Police gehört hatten. Mehrere bewaffnete Männer warteten auf sie.

»Ob sie uns erschießen?« fragte Ralph im Plauderton.

»Das weiß ich nicht«, sagte Larry.

»Ein paar von ihren Gewehren haben Zielfernrohre. Die Sonne spiegelt sich in den Linsen. Wenn sie uns abknallen wollen, könnte es ziemlich bald passieren. Wir sind fast in Schußweite.«

Sie setzten ihren Weg fort. Die Männer an der Straßensperre teilten sich in zwei Gruppen auf. Fünf Männer standen vorn und richteten ihre Gewehre auf die drei Leute, die sich ihnen näherten, drei weitere knieten hinter dem Wagen.

»Sind es acht, Larry?«

»Ich zähle auch acht«, sagte Larry. »Wie fühlst du dich?«

»Okay«, sagte Glen.

»Und du, Ralph?«

»Solange wir nur wissen, was wir zu tun haben, wenn's soweit ist«, antwortete Ralph. »Das ist mein einziger Wunsch.«

Larry nahm seine Hand und drückte sie. Dann tat er bei Glen das gleiche.

Sie waren jetzt bis auf weniger als eine Meile herangekommen. »Sie werden uns nicht gleich erschießen«, sagte Ralph. »Sonst hätten sie es längst getan.«

Jetzt waren schon die Gesichter zu erkennen, und Larry schaute interessiert hinüber. Einer trug einen dichten Bart. Ein anderer war noch jung, aber schon fast kahl - schlimm für ihn, dachte Larry. Die Haare müssen ihm schon während der Schulzeit ausgefallen sein.Ein anderer trug ein knallgelbes T-Shirt mit einem grinsenden Kamel darauf, unter dem in altmodischen verschnörkelten Buchstaben das Wort SUPERHUMP - Superbuckel - stand. Wieder einer sah wie ein Buchhalter aus. Er fummelte mit einer 357er Magnum herum und wirkte dreimal so nervös, wie Larry sich jetzt fühlte; genau der Mann, der sich selbst in die Füße schießen würde, wenn er sich nicht endlich beruhigte.

»Sie sehen nicht anders aus als unsere Leute«, sagte Ralph.

»Doch«, antwortete Glen. »Sie tragen alle Gewehre.«

Sie näherten sich dem Wagen bis auf etwa sechs Meter. Larry blieb stehen, und auch die anderen hielten an. Ein Augenblick tödlicher Stille entstand, als Flaggs Männer und Larry und seine Leute sich gegenseitig musterten.

»Hallo«, sagte Larry nach einer Weile freundlich.

Der Kleine, der wie ein Buchhalter aussah, trat vor. Er spielte immer noch mit seiner Magnum. »Seid ihr Glendon Bateman, Lawson Underwood, Stuart Redman und Ralph Brentner?«

»Sag mal, du Trottel«, sagte Ralph, »kannst du nicht zählen?«

Jemand kicherte. Der Buchhaltertyp lief rot an. »Wer fehlt?«

»Stu hatte unterwegs einen Unfall«, sagte Larry. »Und du wirst auch bald einen haben, wenn du nicht aufhörst, mit der Kanone zu spielen.«

Wieder lachten ein paar Leute. Der Buchhalter schaffte es, die Waffe im Gürtel seiner grauen Hose unterzubringen, und er sah jetzt noch lächerlicher aus als vorher. Eine Witzfigur.

»Ich heiße Paul Burlson«, sagte er, »und kraft der mir verliehenen Autorität verhafte ich Sie und fordere Sie auf mitzukommen.«

»In wessen Namen?« fragte Glen sofort.

Burlson sah ihn verächtlich an... aber in seine Verachtung mischte sich noch etwas anderes. »Sie wissen, für wen ich spreche.«

»Dann sag es doch.«

Aber Burlson schwieg.

»Hast du Angst?« fragte Glen ihn. Er betrachtete die acht Männer.

»Hast du solche Angst, daß du nicht einmal seinen Namen auszusprechen wagst? Gut, dann tue ich es für dich. Sein Name ist Randall Flagg, auch bekannt als der dunkle Mann oder der große Mann oder der Wandelnde Geck. Nennen einige von euch ihn nicht so?« Er sprach hell und klar, und seiner Stimme war anzumerken, wie wütend er war. Einige der Männer sahen sich unbehaglich an, und Burlson trat erschrocken einen Schritt zurück. »Nennt ihn Beelzebub, denn auch das ist sein Name. Nennt ihn Nyarlahotep und Ahaz und Astaroth. Nennt ihn R'yelah und Seti und Anubis. Sein Name ist Legion, und er ist ein Abtrünniger der Hölle, und ihr Männer küßt ihm den Arsch.« Er sprach jetzt wieder im Plauderton und lächelte entwaffnend. »Ich finde, das sollte einmal gesagt werden.«