Выбрать главу

Er fuhr fort: »Hiermit verkünde ich, daß die Sabotagetrupps dieser Leute für die Bombenanschläge auf die Hubschrauber in Indian Springs verantwortlich sind und damit auch für den Tod von Carl Hough, Bill Jamieson und Cliff Benson. Sie sind des Mordes schuldig.«

Larrys Blick traf sich mit dem eines Mannes, der vorn in der Menge stand. Es war Stan Bailey, der die Anlage in Indian Springs leitete, wenn Larry das auch nicht wußte. Er sah Verblüffung und Erstaunen im Gesicht des Mannes, der dann etwas Lächerliches sagte, das sich ungefähr wie Eimermannanhörte.

»Hiermit verkünde ich, daß diese Leute noch weitere Spione zu uns geschickt haben, die inzwischen getötet wurden. Das Urteil lautet denn auch darauf, daß diese Männer auf angemessene Weise vom Leben zum Tod befördert werden. Sie werden zerrissen. Jeder von euch hat die Pflicht, dieser Hinrichtung beizuwohnen, auf daß er sie niemals vergesse und anderen berichten kann, was er hier heute gesehen hat.«

Wieder grinste Flagg, und es sollte ein besorgtes Lächeln werden, aber es strahlte nicht mehr Wärme und Herzlichkeit aus als das Grinsen eines Haifisches.

»Eltern mit Kindern sind entschuldigt.«

Er wandte sich den Fahrzeugen zu, deren Motoren liefen und kleine Abgaswolken in die Luft bliesen. Als er das tat, entstand vorn in der Menge plötzlich Bewegung. Ein Mann drängte sich auf den freien Platz an den beiden Wagen. Er war groß und sein Gesicht war fast so weiß wie seine Küchenschürze. Der dunkle Mann hatte Lloyd die Papierrolle zurückgegeben und Lloyds Hände zuckten nervös, als Whitney Horgan auf ihn zutrat. Er zerriß die Rolle, und das Geräusch war in der Stille deutlich zu hören.

» He, Leute!« rief Whitney.

Ein aufgeregtes Gemurmel lief durch die Menge; Whitney zitterte am ganzen Körper. Ruckartig bewegte sich sein Kopf hin und her. Flagg betrachtete Whitney mit einem bösartigen Lächeln. Dorgan wollte sich auf den Koch stürzen, aber Flagg winkte ab.

»Das ist ein Unrecht!« schrie Whitney. »Und ihr alle wißt es!«

In der Menge entstand tödliche Stille, als hätten sich alle Anwesenden in Grabsteine verwandelt.

Whitneys Kehle bewegte sich wie in Krämpfen. Sein Adamsapfel fuhr auf und ab wie ein Affe an einer Stange.

»Wir waren einst Amerikaner!« brüllte Whitney zum Schluß. »Und so handeln keine Amerikaner. Ich war nichts Besonderes, ich war nur Koch, aber ich weiß, daß Amerikaner so nicht handeln. Sie hören nicht auf ein mörderisches Ungeheuer in Cowboystiefeln...«

Man hörte förmlich, wie die Leute von Las Vegas vor Entsetzen den Atem anhielten. Larry und Ralph tauschten verblüffte Blicke.

»Und genau das ist er!« rief Whitney. Die Schweißtropfen liefen ihm wie Tränen über das Gesicht. »Und ihr wollt zuschauen, wie diese beiden Jungs vor euren Augen in zwei Teile gerissen werden? So wollt ihr ein neues Leben anfangen? Mit einem so scheußlichen Unrecht? Ich sage euch, ihr werdet für den Rest eures Lebens Alpträume haben

Die Menge murmelte Zustimmung.

»Wir müssen das verhindern«, sagte Whitney. »Seid ihr euch darüber klar? Wir brauchen Zeit, um darüber nachzudenken, was... was...«

»Whitney.« Eine Stimme glatt wie Seide und kaum mehr als ein Flüstern, aber sie reichte, um den Koch vollends zum Schweigen zu bringen. Er drehte sich zu Flagg um. Seine Lippen bewegten sich lautlos, und sein Blick war so starr wie der einer Makrele. Jetzt floss ihm der Schweiß in Strömen über das Gesicht.

»Whitney, du hättest schweigen sollen.« Er sprach immer noch leise, aber seine Stimme erreichte dennoch jedes Ohr. »Ich hätte dich gehen lassen... warum auch hätte ich dich hierbehalten sollen?«

Whitneys Lippen bewegten sich immer noch, und immer noch brachte er keinen Laut hervor.

»Komm her, Whitney.«

»Nein«, flüsterte Whitney, und niemand außer Lloyd und Ralph und Larry und vielleicht Barry Dorgan hörte seine Weigerung. Aber seine Füße bewegten sich, als hätten sie das Wort nicht gehört. Seine zerfransten, ausgetretenen Mokassins flüsterten durch das Gras, und wie ein Geist bewegte er sich auf den dunklen Mann zu. Die Menge starrte mit offenem Mund und stumpfem Blick.

»Ich kannte deine Pläne«, sagte der dunkle Mann. »Ich wußte, was du tun wolltest, bevor du es tatest. Ich hätte dich davonkriechen lassen, bis ich bereit gewesen wäre, dich zurückzuholen. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht erst in zehn. Aber das liegt jetzt alles hinter dir, Whitney. Glaub mir.«

Endlich fand Whitney seine Stimme wieder, und die Worte sprudelten wie ein Schrei hervor. » Du bist gar kein Mensch! Du bist eine Art... Teufel!«

Flagg streckte den Zeigefinger der linken Hand aus, so daß er fast Whitney Horgans Kinn berührte. »Ja, das stimmt«, sagte er so leise, daß nur Lloyd und Larry Underwood ihn hörten. »Das bin ich.«

Eine kleine blaue Feuerkugel, nicht größer als ein Ping-Pong-Ball, sprang mit einem schwachen Ozongeknister von Flaggs Fingerspitze.

Ein Herbstwind von Seufzern rauschte durch die Menge. Whitney schrie - aber er bewegte sich nicht. Die Feuerkugel sprang ihm an das Kinn. Plötzlich roch es ekelhaft nach brennendem Fleisch. Die Kugel bewegte sich über den Mund, schmolz die Lippen zusammen und erstickte den Schrei. Whitneys Augen traten aus den Höhlen. Dann fuhr sie über eine Wange, grub eine verbrannte und verätzte Furche.

Sie schloß seine Augen.

Sie blieb über seiner Stirn hängen, und Larry hörte Ralph sprechen, der immer wieder dasselbe sagte. Larry fiel ein, und sie machten es zu einer Litanei: »Ich fürchte mich nicht vor dem Bösen... ich fürchte mich nicht vor dem Bösen... ich fürchte mich nicht vor dem Bösen...«

Jetzt rollte die Kugel von Whitneys Stirn nach oben, und es roch scharf nach brennendem Haar. Sie rollte über seinen Hinterkopf und hinterließ einen grotesken kahlen Streifen. Whitney taumelte und stürzte zu Boden, gnädigerweise aufs Gesicht.

Von der Menge her kam ein fast zischendes Geräusch: Aaaahhhh. Es war das Geräusch, das die Leute am vierten Juli von sich geben, wenn das Feuerwerk besonders prächtig ist. Die blaue Feuerkugel hing jetzt in der Luft und war größer geworden und so hell, daß man sie nur mit zusammengekniffenen Augen betrachten konnte. Der dunkle Mann zeigte darauf, und sie bewegte sich langsam auf die Menge zu. Die Leute in der ersten Reihe, unter ihnen die totenblasse Jenny Engstrom, schauderten zurück.

Mit Donnerstimme forderte Flagg sie heraus: » Ist noch jemand da, der mit meinem Urteil nicht einverstanden ist? Dann soll er es jetzt sagen!«

Die Antwort war Schweigen.

Flagg schien zufrieden. »Dann wollen wir...«

Plötzlich wandte sich ein Kopf nach dem anderen von ihm ab. Ein überraschtes Raunen erhob sich, wurde immer lauter. Flagg schien geradezu schockiert vor Überraschung. Jetzt waren aus der Menge Rufe zu hören, und wenn man auch die Worte nicht verstand, so merkte man den Leuten doch ihre Verblüffung an. Die Feuerkugel bewegte sich unruhig in der Luft.

Das Summen eines Elektromotors drang Larry in die Ohren. Und aus der Menge hörte er wieder diesen seltsamen Namen, der jetzt von Mund zu Mund ging: Mann... Eimermann... Müll... Mülli... Wie in Antwort auf Flaggs Herausforderung drängte sich jemand durch die Menge.

Flagg spürte Entsetzen in die Kammern seines Herzens sickern. Es war das Entsetzen vor etwas Unbekanntem und Unerwartetem. Er hatte alles vorausgesehen, sogar Whitneys närrische Stegreifrede. Die Menge - seine Menge - teilte sich und schrak zurück. Ein markerschütternder Schrei stieg auf, klar und schrill. Jemand rannte davon. Dann noch jemand. Und dann brach die Menge auseinander, rannten die ohnehin emotional aufgewühlten Menschen davon.

» Bleibt stehen!« schrie Flagg, so laut er konnte, aber es war zwecklos.

Die Menge war jetzt wie ein starker Wind, und nicht einmal der dunkle Mann konnte dem Wind gebieten. Eine schreckliche, ohnmächtige Wut stieg in ihm auf und bildete mit seiner Angst eine neue, flüchtige Mischung. Wieder war etwas schiefgegangen, in letzter Minute schiefgegangen, wie bei dem alten Mann in Oregon und der Frau, die sich am Fensterglas die Kehle durchschnitt... und Nadine... Nadine, die vom Dach gestürzt war...