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Sie kamen an einen Chevrolet Sedan.

»Halt«, krächzte Stu, und Tom setzte ihn ab. »Geh rüber und zähl die Pedale vorn im Wagen. Sag mir, ob es zwei oder drei sind.«

Tom trabte hinüber und öffnete die Wagentür. Eine Mumie in einem mit Blumen bedruckten Kleid fiel heraus wie ein schlechter Witz. Ihre Handtasche fiel neben sie, und Kosmetika, Tücher und Geld verteilten sich auf der Straße.

»Zwei«, rief Tom zu Stu herüber.

»Okay. Dann müssen wir weiter.«

Tom kam zurück, atmete tief durch und nahm die Stangen wieder auf. Eine viertel Meile weiter sahen sie einen VW-Bus.

»Soll ich die Pedale zählen?« fragte Tom.

»Nein, diesmal nicht.« Der Wagen stand auf drei platten Reifen. Stu glaubte allmählich, daß sie nichts finden würden; sie hatten einfach kein Glück. Sie kamen zu einem Kombi, der nur einen platten Reifen hatte. Den könnte man wechseln, aber genau wie der Chevy Sedan hatte er zwei Pedale, wie Tom berichtete. Was bedeutete, daß der Wagen ein Automatikgetriebe hatte und nutzlos für sie war. Sie zogen weiter. Die Hügel wurden flacher, und sie waren fast oben. Stu sah noch einen Wagen vor sich, eine letzte Chance. Es war ein uralter Plymouth, bestimmt nicht jünger als 1970. Es war ein Wunder, daß er auf vier prallen Reifen stand. Aber er war verrostet und verbeult. Nie hatte sich jemand große Mühe gemacht, diesen Wagen zu pflegen. Stu kannte diese Sorte Fahrzeuge noch aus Arnette. Die Batterie war wahrscheinlich alt und undicht und das Öl so schwarz wie ein Bergwerksschacht um Mitternacht. Dafür war das Lenkrad mit rosa Filz überzogen, und hinten an der Heckscheibe stand vielleicht ein ausgestopfter Pudel mit Augen aus Bergkristall, der mit dem Kopf nicken konnte.

»Soll ich nachsehen?« fragte Tom.

»Ja. Tu's lieber. Bettler können nicht sehr wählerisch sein, stimmt's?« Ein leichter Nebel fiel vom Himmel herab. Tom ging über die Straße und blickte in den Wagen. Er war leer. Stu lag zitternd in seinem Schlafsack. Endlich kam Tom zurück.

»Drei Pedale«, sagte er.

Stu versuchte nachzudenken. Das hohe süßsaure Summen in seinem Kopf kam ihm dauernd dazwischen.

Der alte Plymouth war mit Sicherheit eine Niete. Vielleicht konnten sie auf der anderen Seite des Hügels einen Wagen finden, aber er würde verkehrt herum stehen, bergauf gerichtet, es sei denn, sie überquerten den Mittelstreifen ... aber der war hier eine halbe Meile breit und bestand aus felsigem Gelände. Dort drüben würden sie vielleicht ein Fahrzeug mit Standardschaltung finden... aber bis dahin würde es dunkel sein.

»Tom, hilf mir aufzustehen.«

Irgendwie gelang es Tom, ihm aufzuhelfen, ohne in seinem verletzten Bein übermäßige Schmerzen zu verursachen. In seinem Kopf pochte und summte es. Schwarze Kometen schössen in seinem Gesichtsfeld vorbei, und er hätte fast die Besinnung verloren. Er legte Tom einen Arm um den Nacken.

»Schlafen«, murmelte er. »Schlafen...«

Er wußte später nicht zu sagen, wie lange sie so dagestanden hatten, wie lange Tom ihn geduldig in den Armen gehalten hatte, während Stu in der Grauzone zwischen Bewußtlosigkeit und Wachzustand schwebte. Als die Welt wieder auftauchte, hielt Tom ihn immer noch geduldig. Der Nebel war zu einem kalten Nieselregen geworden.

»Tom, hilf mir zum Wagen hinüber.«

Tom legte einen Arm um Stus Hüfte, und sie taumelten zum Plymouth, der auf der Standspur parkte.

»Wo läßt sich die Haube öffnen?« murmelte Stu und fummelte am Kühler des Wagens. Fieberschauer durchrasten seinen Körper. Er fand die Vorrichtung, aber er konnte sie nicht betätigen. Deshalb führte er Toms Hand an die Stelle. Tom zog, und die Haube öffnete sich.

Der Motor war etwa so, wie Stu es erwartet hatte - ein ölverschmierter, schmutziger, ungepflegter V8-Motor. Aber die Batterie war in besserem Zustand, als er befürchtet hatte. Es war eine Sears, nicht gerade ein Spitzenfabrikat, aber auf dem Garantiestempel stand: Februar 1991. Gegen einen Fieberanfall ankämpfend, rechnete Stu zurück und stellte fest, daß die Batterie im vergangenen Mai noch neu gewesen war.

»Versuch mal zu hupen«, sagte er zu Tom und lehnte sich gegen den Wagen, während Tom sich hineinbeugte. Er hatte von Ertrinkenden gehört, die sich an einen Strohhalm klammern, und jetzt begriff er das Bild. Seine letzte Überlebenschance war diese aus einem Autofriedhof geflüchtete Klapperkiste.

Die Hupe gab einen lauten Klang von sich. Okay. Versuchen wir's, wenn ein Schlüssel da ist. Vielleicht hätte er Tom dies erst nachprüfen lassen sollen, aber was spielte das, verdammt noch mal, für eine Rolle. Wenn kein Schlüssel steckte, spielte wahrscheinlich gar nichts mehr eine Rolle.

Er klappte die Haube zu und lehnte sich mit seinem Gewicht darauf, damit sie einrastete. Dann hinkte er zur Fahrerseite und schaute hinein. Er erwartete, ein leeres Zündschloß zu sehen. Aber der Schlüssel steckte, und an ihm hing eine Kunstlederhülle mit den Initialen A.C. Er beugte sich vorsichtig in den Wagen und drehte den Schlüssel. Die Nadel der Benzinanzeige stieg langsam und zeigte etwas mehr als ein Viertel Tankfüllung an. Eine rätselhafte Geschichte. Warum hatte der Besitzer, warum hatte A.C. den Wagen hier abgestellt und war ausgestiegen, um zu Fuß weiterzugehen, wo er doch hätte fahren können?

Stu mußte an Charles Campion denken, der schon halb tot war, als er in Haps Zapfsäulen rauschte. Der alte A.C. hatte die Supergrippe gehabt, und zwar schlimm. Letztes Stadium. Er fährt an den Straßenrand, stellt den Motor ab - nicht weil er daran denkt, sondern aus alter Gewohnheit - und steigt aus. Er ist im Delirium und hat vielleicht Halluzinationen. Er stolpert in das Wüstenland von Utah hinaus, singend und lachend und vor sich hin murmelnd und gackernd. Dort stirbt er. Drei Monate später kommen Stu Redman und Tom Cullen zufällig vorbei, und der Schlüssel steckt, und die Batterie ist relativ neu, und im Tank ist Sprit...

Die Hand Gottes.

Hatte Tom das nicht im Zusammenhang mit Vegas gesagt? Die Hand Gottes kam aus dem Himmel herunter. Und vielleicht hatte Gott dafür gesorgt, daß diese Rostbeule von 1970er Plymouth hier für sie bereitstand, wie Manna in der Wüste. Es war ein verrückter Gedanke, aber auch nicht verrückter als der Gedanke, daß eine hundertacht Jahre alte schwarze Frau eine Gruppe von Flüchtlingen ins Gelobte Land führte.

»Und sie hat immer noch ihre eigenen Plätzchen gebacken«, krächzte er. »Bis ganz zum Schluß hat sie immer ihre eigenen Plätzchen gebacken.«

»Was, Stu?«

»Nichts. Rutsch ein Stück rüber, Tom.«

Tom tat, wie ihm geheißen. »Können wir fahren?« fragte er hoffnungsvoll.

Stu klappte die Lehne des Fahrersitzes nach vorn, und Kojak sprang in den Wagen, nicht ohne vorher ein paarmal vorsichtig zu schnüffeln. »Keine Ahnung. Vielleicht solltest du beten, daß dieses Ding anspringt.«

»Okay«, sagte Tom.

Stu brauchte fünf Minuten, sich hinter das Steuer zu setzen. Er hockte ein wenig schief auf dem für den Beifahrer in der Mitte bestimmten Sitz. Kojak saß hechelnd auf dem Rücksitz und sah sich aufmerksam um. Überall im Wagen lagen leere McDonald'sSchachteln und Taco-Bell-Packungen. Das Innere roch wie ein alter Maisfrachter.

Stu drehte den Zündschlüssel. Ungefähr zwanzig Sekunden lang drehte der Motor des alten Plymouth flott durch. Dann wurde der Anlasser schwächer. Stu drückte kurz auf die Hupe, und diesmal war es nur ein leises Krächzen. Toms Miene verfinsterte sich.

»Noch sind wir nicht mit ihr fertig«, sagte Stu. In dieser SearsBatterie steckte immer noch Saft; das ermutigte ihn. Er trat die Kupplung und legte den zweiten Gang ein. »Steig aus und schieb an. Dann springst du wieder rein.«

»Zeigt der Wagen nicht in die falsche Richtung?« fragte Tom voller Zweifel.

»Jetzt ja. Aber wenn wir diesen Scheißhaufen erst ins Rollen kriegen, klärt sich das ganz schnell.«