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Das Blut war noch frisch, und Caitlin begriff auf einmal, dass es gerade erst geschehen sein musste. Die offene Tür … War jemand eingebrochen?

Schnell drehte sie sich einmal im Kreis und sah sich um. Sie spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Befand sich außer ihr noch jemand in der Wohnung?

Wie um ihre unausgesprochene Frage zu beantworten, tauchten genau in diesem Moment drei Personen aus dem anderen Zimmer auf. Sie waren von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Ungezwungen spazierten sie ins Wohnzimmer und kamen auf Caitlin zu. Drei Männer. Es war schwer zu sagen, wie alt sie waren – sie wirkten irgendwie alterslos –, vielleicht Ende zwanzig. Alle drei waren gut gebaut. Muskulös. Kein Gramm Fett. Gepflegt. Und sehr, sehr blass.

Einer von ihnen trat vor.

Voller Angst ging Caitlin einen Schritt zurück. Sie empfand Grauen. Sie verstand nicht, warum, aber sie konnte die Energie dieses Mannes spüren. Und diese Energie war ausgesprochen negativ.

»So«, sagte der Anführer mit tiefer, böser Stimme. »Jetzt ist es Zeit für unsere Rache.«

»Wer sind Sie?«, fragte Caitlin und bewegte sich weiter rückwärts. Dabei suchte sie den Raum nach einer Waffe ab. Nach etwas, was man als Schlagstock verwenden konnte. Sie überlegte, welche Möglichkeiten zur Flucht sie hatte. Das Fenster hinter ihr. Gab es dort draußen eine Feuertreppe?

»Das ist genau die Frage, die wir eigentlich dir stellen wollten«, antwortete der Mann. »Deine Menschenfreundin hatte keine Antwort darauf«, fügte er hinzu und deutete auf die Leiche ihrer Mom. »Hoffentlich hast du eine.«

Menschenfreundin? Wovon redete dieser Typ?

Caitlin zog sich weiter zurück. Sie hatte nicht mehr viel Bewegungsspielraum, denn sie hatte schon beinahe die Wand erreicht. Jetzt erinnerte sie sich wieder: Das Fenster hinter ihr lag tatsächlich an einer Feuertreppe. An ihrem ersten Tag in der Wohnung hatte sie auf der Leiter gesessen. Zwar war sie verrostet und altersschwach, aber sie schien noch zu funktionieren.

»Das war ein ganz schönes Fressen in der Carnegie Hall«, fuhr der Mann fort. Schritt für Schritt kamen die drei näher. »Sehr dramatisch.«

Verzweifelt durchforstete Caitlin ihr Gedächtnis.

Fressen? So sehr sie sich auch bemühte, sie hatte absolut keine Ahnung, wovon er redete.

»Warum in der Pause?«, wollte er wissen. »Welche Botschaft wolltest du damit vermitteln?«

Jetzt hatte sie die Wand erreicht und konnte nicht mehr weiter. Die Männer kamen noch einen Schritt näher. Caitlin war sich sicher, sie würden sie töten, wenn sie ihnen nicht sagte, was sie wissen wollten.

Sie dachte scharf nach. Botschaft? Pause? Plötzlich erinnerte sie sich, durch die Gänge gelaufen zu sein, über teppichbedeckte Flure, von Raum zu Raum. Sie hatte etwas gesucht. Ja, allmählich kehrte die Erinnerung zurück. Dort war eine offene Tür gewesen. Eine Garderobe. Ein Mann. Er hatte zu ihr aufgesehen. In seinen Augen hatte Furcht gestanden. Und dann …

»Du warst in unserem Revier«, erklärte er, »und du kennst die Regeln. Dafür wirst du dich verantworten müssen.«

Sie kamen noch näher.

Bumm!

Genau in dem Augenblick flog die Wohnungstür auf, und mehrere uniformierte Polizisten stürmten herein, ihre Waffen im Anschlag.

»Keine Bewegung, ihr Wichser!«, brüllte ein Cop.

Die drei wandten sich um und starrten die Polizisten an.

Dann spazierten sie langsam und völlig furchtlos auf sie zu.

»Ich habe gesagt: KEINE BEWEGUNG!«

Doch der Anführer ging einfach weiter, und der Polizist schoss. Der Lärm war ohrenbetäubend.

Aber verblüffenderweise blieb der Mann nicht stehen. Er grinste nur noch breiter, streckte einfach die Hand aus und fing die Kugel im Flug auf. Caitlin beobachtete schockiert, wie er sie mit der bloßen Hand stoppte. Dann ballte er langsam eine Faust und zerquetschte die Kugel. Als er die Hand öffnete, rieselte der Staub langsam zu Boden.

Die Polizisten sahen starr vor Schreck zu, ihre Münder standen vor Staunen weit offen.

Der Anführer streckte die Hand aus und nahm dem Polizisten die Waffe ab. Dann schlug er ihm damit mitten ins Gesicht. Der Mann flog rückwärts und riss dabei mehrere seiner Männer mit.

Caitlin hatte genug gesehen.

Ohne zu zögern, drehte sie sich um, öffnete das Fenster und kletterte hinaus. Sie sprang auf die Feuertreppe und raste die wackeligen, verrosteten Stufen hinunter.

Sie nahm rasant die Kurven und lief, so schnell sie konnte. Die alte Feuertreppe war wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr benutzt worden, und als sie um eine Ecke bog, gab eine Stufe nach. Sie rutschte ab und schrie auf, fing sich aber sofort wieder. Obwohl die ganze Fluchttreppe wackelte und schwankte, hielt sie.

Als sie drei Stockwerke zurückgelegt hatte, hörte sie Lärm von oben. Sie blickte auf und sah die drei Männer auf die Feuertreppe springen. Sie kletterten unglaublich schnell hinunter. Viel schneller als Caitlin. Sie beeilte sich noch mehr.

Als sie den ersten Stock erreichte, stellte sie fest, dass es hier nicht weiterging; bis zum Gehsteig fehlten fast fünf Meter. Sie drehte sich um und sah die Männer näher kommen. Dann schaute sie wieder nach unten. Es gab keine Alternative. Sie sprang.

Caitlin machte sich auf einen harten Aufprall gefasst und rechnete mit dem Schlimmsten. Aber zu ihrer Überraschung landete sie geschmeidig wie eine Katze auf den Füßen, fast ohne sich wehzutun. Sie sprintete los und war zuversichtlich, dass sie ihre Verfolger, wer auch immer sie sein mochten, weit hinter sich lassen konnte.

Als sie binnen Sekunden das Ende des Häuserblocks erreicht hatte, staunte sie über ihre unglaubliche Geschwindigkeit und warf einen kurzen Blick zurück. Sie erwartete, die Männer irgendwo in der Ferne zu sehen.

Verblüfft registrierte sie, dass sie ihr ganz dicht auf den Fersen waren. Wie war das nur möglich?

Bevor sie diesen Gedanken zu Ende verfolgen konnte, stürzten sie sich schon auf sie, und sie wurde zu Boden gedrückt.

Caitlin musste ihre ganze neu gewonnene Kraft aufwenden, um ihre Angreifer abzuwehren. Sie rammte einen von ihnen mit dem Ellbogen und war freudig überrascht, als er rückwärtsstolperte. Ermutigt wandte sie sich dem nächsten Angreifer zu und freute sich, als sie auch ihn ein paar Meter durch die Luft schleudern konnte.

Doch dann stürzte sich der Anführer auf sie und begann, sie zu würgen. Er war stärker als die anderen. Sie sah in seine großen, rabenschwarzen Augen und hatte das Gefühl, einem Hai in die Augen zu blicken. Seine Augen waren seelenlos und leer. Es war der Blick des Todes.

Caitlin wehrte sich mit aller Macht und setzte ihre gesamte Kraft ein, und schließlich gelang es ihr, sich zur Seite zu rollen und ihn abzuschütteln. Sie sprang auf die Füße und rannte wieder los.

Doch sie war noch nicht weit gekommen, als der Anführer sie auch schon wieder eingeholt hatte. Wie konnte er nur so schnell sein? Sie hatte ihn doch gerade erst quer über die Straße geschleudert!

Diesmal schlug er ihr mit dem Handrücken ins Gesicht, bevor sie sich wehren konnte. Sehr fest. Alles um sie herum begann sich zu drehen. Schnell kam sie wieder zu Bewusstsein und wollte sich gerade verteidigen, als sich die beiden anderen Männer plötzlich auf sie knieten. Der Anführer zog ein Tuch aus der Tasche.

Bevor sie reagieren konnte, drückte er ihr das Tuch über Nase und Mund.

Wieder drehte sich alles, und die Welt verschwand in einem Nebel.

Sie tauchte in die Dunkelheit ein, doch sie hätte schwören können, dass eine dunkle Stimme ihr im letzten Moment noch ins Ohr flüsterte: »Jetzt gehörst du uns.«

9. Kapitel

Als Caitlin erwachte, war um sie herum schwärzeste Nacht. An ihren Hand- und Fußgelenken spürte sie Metall, und ihre Glieder schmerzten. Sie begriff, dass man sie angekettet hatte. Im Stehen. Ihre Arme waren zur Seite gestreckt, und sie konnte weder Arme noch Beine bewegen. Als sie es dennoch versuchte, rasselten die Ketten, und das kalte, harte Metall grub sich tiefer in ihre Handgelenke und Fußknöchel. Wo zum Teufel war sie?