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Vier weitere bewaffnete Polizisten standen links und rechts neben dem Detektor, außerdem waren dort noch zwei weitere Sicherheitsbedienstete.

»TASCHEN LEEREN!«, blaffte ein Wachmann.

Caitlin beobachtete, wie die anderen Jugendlichen die Gegenstände aus ihren Taschen in kleine Plastikkörbe legten. Rasch folgte sie ihrem Beispiel und holte ihren iPod, ihre Geldbörse und ihre Schlüssel raus.

Dann schob sie sich durch den Detektor, doch der Alarm wurde ausgelöst.

»DU!«, fuhr ein Wachmann sie an. »Zur Seite treten!«

Natürlich.

Alle starrten sie an, als sie die Arme heben musste und der Wachmann mit einem Handscanner ihren Körper absuchte.

»Trägst du Schmuck?«

Sie fasste sich ans Handgelenk, dann an den Hals, und plötzlich fiel es ihr ein: ihr Kreuz.

»Nimm es ab«, forderte der Wachmann unfreundlich.

Es war die Halskette, die ihre Großmutter ihr kurz vor ihrem Tod geschenkt hatte. Daran hing ein kleines Silberkreuz mit einer Gravur in einer fremden Sprache, deren Bedeutung sie nie herausgefunden hatte. Ihre Großmutter hatte ihr erzählt, dass sie das Kreuz wiederum von ihrer Großmutter erhalten hatte. Caitlin war nicht religiös, und sie verstand auch die Bedeutung nicht, aber sie wusste, dass das Schmuckstück Hunderte von Jahren alt war. Es war bei Weitem das Wertvollste, was sie besaß.

Caitlin hob das Kreuz an, nahm es jedoch nicht ab.

»Lieber nicht«, antwortete sie.

Der Mann starrte sie mit kaltem Blick an.

Plötzlich brach ein Tumult aus. Es gab ein Riesengeschrei, als ein Polizist einen großen, dünnen Jungen packte und gegen die Wand stieß. Dabei zog er ihm ein kleines Messer aus der Tasche.

Der Wachmann kam ihm zu Hilfe, und Caitlin nutzte die Gelegenheit, um in der Menge unterzutauchen.

Willkommen in der staatlichen Schule von New York City, dachte Caitlin. Großartig.

Schon jetzt zählte sie die Tage bis zu ihrem Schulabschluss.

* * *

Noch nie hatte sie so breite Flure gesehen. Es war unvorstellbar, dass sie sich je füllen könnten, aber sie waren übervoll. Die Schüler drängten sich Schulter an Schulter. Auf diesen Gängen mussten sich Tausende von Jugendlichen befinden, der Anblick der vielen Gesichter erschreckte sie maßlos. Der Lärm hier drin war sogar noch schlimmer, weil er von den Wänden zurückgeworfen und so verstärkt wurde. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten. Aber sie hatte nicht einmal genug Platz, um die Arme zu heben. Allmählich bekam sie Platzangst.

Es klingelte, und das Treiben nahm zu.

Schon spät dran.

Schnell warf sie einen Blick auf den Raumplan und entdeckte schließlich in der Ferne das Klassenzimmer. Vergeblich versuchte sie, sich zwischen den Körpern hindurchzuschieben. Nach mehreren gescheiterten Versuchen begriff sie schließlich, dass sie offensiver vorgehen musste. Also fuhr sie die Ellbogen aus und schubste zurück, schob einen Körper nach dem anderen zur Seite. Auf diese Weise durchquerte sie den Flur und öffnete die schwere Tür zu ihrem Klassenzimmer.

Sie wappnete sich gegen die ganzen Blicke, die sich auf sie richten würden, wenn sie – die neue Schülerin – gleich am ersten Tag zu spät kam. Eigentlich hätte sie erwartet, dass der Lehrer sie schelten würde, weil sie den Unterricht unterbrach. Doch verblüfft stellte sie fest, dass nichts davon geschah. Der Raum, der für dreißig Schüler gedacht war, war mit rund fünfzig Jugendlichen vollgestopft. Einige saßen auf ihren Plätzen, andere spazierten durch die Gänge, alle schrien und brüllten sich gegenseitig etwas zu. Es herrschte das absolute Chaos.

Bereits vor fünf Minuten hatte es zum Unterrichtsbeginn geklingelt, aber der Lehrer, der ungepflegt wirkte und einen zerknitterten Anzug trug, hatte noch nicht einmal mit dem Unterricht begonnen. Stattdessen hatte er die Füße auf den Tisch gelegt, las Zeitung und ignorierte die Klasse vollkommen.

Caitlin ging zu ihm hin und legte ihren neuen Ausweis auf seinen Tisch. Dann blieb sie dort stehen und wartete darauf, dass er Notiz von ihr nahm, aber nichts dergleichen geschah.

Schließlich räusperte sie sich.

»Entschuldigen Sie bitte.«

Widerstrebend ließ er die Zeitung sinken.

»Ich bin Caitlin Paine. Ich bin neu hier. Ich glaube, ich soll Ihnen das hier geben.«

»Ich bin bloß eine Vertretung«, erklärte er und vertiefte sich wieder in seine Lektüre.

Caitlin war verwirrt.

»Sie überprüfen nicht die Anwesenheit?«, fragte sie.

»Der Lehrer ist am Montag wieder da«, antwortete er kurz angebunden. »Er wird sich darum kümmern.«

Als Caitlin begriff, dass das Gespräch beendet war, nahm sie ihren Ausweis wieder an sich.

Dann drehte sie sich zur Klasse um. Das Chaos hatte nicht eine Sekunde lang aufgehört. Das einzig Gute daran war, dass sie nicht auffiel. Niemand hier schien Notiz von ihr zu nehmen.

Sie ließ den Blick durch den überfüllten Raum schweifen und stellte genervt fest, dass es offensichtlich keinen einzigen freien Sitzplatz mehr gab.

Also fasste sie sich ein Herz, umklammerte ihr Tagebuch und ging zögernd einen Gang entlang. Dabei zuckte sie einige Male zusammen, als die Kids sich ankreischten. Vom hinteren Ende des Klassenzimmers aus konnte sie den ganzen Raum überblicken.

Es gab wirklich keinen freien Platz.

Sie blieb stehen und kam sich vor wie eine Idiotin. Allmählich nahmen ein paar Schüler Notiz von ihr, doch sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte nicht vor, die ganze Zeit hier stehen zu bleiben, und dem Vertretungslehrer war es offensichtlich völlig gleichgültig, was sie tat. Hilflos sah sie sich um.

Ein paar Gänge weiter ertönte Gelächter – sie war sich sicher, dass sie ausgelacht wurde. Schließlich war sie nicht wie diese Kids angezogen, und sie sah auch nicht so aus wie sie. Ihre Wangen wurden heiß.

Doch als sie sich gerade darauf vorbereitete, die Klasse und vielleicht sogar die ganze Schule zu verlassen, hörte sie plötzlich eine Stimme.

»Hier.«

Sie drehte sich um.

In der letzten Reihe neben dem Fenster erhob sich ein großer Junge von seinem Platz.

»Setz dich«, sagte er. »Bitte.«

Im Klassenzimmer wurde es ein wenig ruhiger, während die anderen auf ihre Reaktion warteten.

Sie ging zu ihm hinüber und versuchte, ihm dabei nicht in die Augen zu sehen – große, strahlende grüne Augen –, aber sie konnte es sich nicht verkneifen.

Er sah einfach fantastisch aus und hatte glatte, olivfarbene Haut – sie konnte nicht erkennen, ob er schwarz, Südamerikaner, weiß oder irgendeine Mischung war, aber sie hatte auf jeden Fall noch nie so glatte, weiche Haut gesehen. Sie betonte seine markanten Gesichtszüge. Seine braunen Haare trug er kurz, und er war sehr dünn. Irgendwie wirkte er hier fehl am Platz. Er war so zerbrechlich. Vielleicht war er ein Künstler.

Obwohl es untypisch für sie war, sich auf den ersten Blick in einen Typen zu vergucken, war sie sofort hin und weg. Zwar hatte sie bereits miterlebt, wie sich ihre Freundinnen verknallt hatten, aber sie hatte es nie wirklich verstanden – bis jetzt!

»Und wo willst du dich hinsetzen?«, fragte sie.

Sie versuchte, ruhig und gelassen zu klingen, aber das wirkte nicht sehr überzeugend. Sie hoffte nur, dass er nicht hörte, wie nervös sie war.

Doch er grinste nur breit und enthüllte dabei seine perfekten Zähne.

»Gleich hier drüben«, antwortete er und ging zu der breiten Fensterbank, die nur ein paar Schritte entfernt war.

Sie sah ihn an, und er hielt ihren Blick fest. Eigentlich wollte sie wegsehen, aber irgendwie gelang ihr das nicht.

»Danke«, sagte sie und war sofort sauer auf sich selbst.

Danke? Mehr nicht? Danke!?

»Gut so, Barack!«, schrie eine Stimme. »Gib diesem netten weißen Mädchen deinen Sitzplatz!«

Gelächter folgte, und der Lärmpegel im Raum stieg wieder an. Die anderen ignorierten sie wieder.