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Sarah will gerade die Hintertür öffnen, um die beiden Zwillinge ins Auto zu verfrachten.

»SARAH! PASS AUF!«

Lillys wilder Schrei schneidet durch das unheimliche Getöse von Stöhnen, das die Luft erfüllt, als mindestens ein Dutzend Zombies auf Sarah zustolpern. Die Teenagerin reißt die Tür auf, hat aber nicht mehr genug Zeit, um die Zwillinge in das Auto zu stecken. Die kleinere der beiden rutscht auf dem Gras aus und geht zu Boden.

Sarah kreischt verzweifelt auf, und Lilly versucht, sich zwischen die Angreifer und das Mädchen zu stellen, die Schaufel in die Höhe gerissen. Sie schafft es, einen weiteren Kopf zu zertrümmern – den riesigen Schädel einer verfaulenden schwarzen Leiche in einer Jägerjacke –, so dass der Angreifer rückwärts ins Gebüsch taumelt. Aber jetzt sind sie umzingelt, und immer mehr und mehr Zombies wanken unstet aus allen Richtungen auf sie zu, um endlich wieder Frischfleisch zwischen die verrotteten Zähne zu kriegen.

In dem darauffolgenden Chaos schaffen die Zwillinge es mit Ach und Krach, ins Auto zu flüchten und die Tür hinter sich zu schließen.

In einem Anfall von Wahnsinn, die Augen glänzend vor Wut, dreht Sarah sich um, stößt einen markerschütternden Schrei aus und drängt einen langsam auf sie zustolpernden Untoten aus dem Weg. Sie erkennt eine Lücke, zwängt sich hindurch und flüchtet.

Lilly sieht im Augenwinkel, wie die Teenagerin in Richtung Zirkuszelt rennt. »SARAH! NEIN!!!«

Sarah hat die Hälfte des Weges zurückgelegt, ehe eine undurchdringliche Wand von Zombies sich vor sie stellt, ihr den Weg versperrt, sie angrapscht, sie auf den Boden wirft, um sich dann über sie herzumachen. Immer mehr Untote ringen um sie. Der erste Biss reißt ihren Angora-Imitat-Pullover über der Brust entzwei, vergräbt sich in ihrem Fleisch und reißt einen Teil heraus. Sarah stößt einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Eiternde Zähne vergraben sich in ihrem Hals, und dunkles Blut spritzt über die Angreifer hinweg in die Luft.

Lilly kämpft währenddessen weiter beim Auto gegen annähernd zwei Dutzend klappernde, schnappende Horden von Mäulern und totem Fleisch an. Ihre schwarzen Zähne beißen immer wieder heißhungrig zu, während die drei kleinen Mädchen hinter den blutbesudelten Fenstern das Spektakel mit weit aufgerissenen Augen mit ansehen.

Lilly holt mit der Schaufel aus, lässt sie auf die ständig näher kommenden Untoten niedersausen, aber ihre Bemühungen scheinen aussichtslos – und als sie Sarahs Schreie und grässlichen Untergang mit ansehen muss, erstarrt sie mitten im Kampf. Das grausame Gellen der Teenagerin verwandelt sich langsam in undefinierbares Gurgeln, das nichts Menschliches mehr an sich hat. Mindestens ein halbes Dutzend Untoter macht sich jetzt über sie her. Sie vergraben ihre Beißer in ihr, kauen und reißen an ihr. Der rote Lebenssaft spritzt aus ihr heraus wie aus einem Springbrunnen.

Lillys Magengegend verwandelt sich in einen Eisblock, als sie die Schaufel erneut in einem Schädel vergräbt. In ihrem Kopf knistert es förmlich vor Terror, ehe sich ihre Nervenbahnen auf einen einzigen Gedanken konzentrieren: Weg vom Chrysler.

Diese Notwendigkeit, die in Lilly beinahe zum Gebot wird – weg von den Kindern – rüttelt sie wach und erfüllt Lilly mit einem neuen Energieschub. Sie dreht sich um und holt erneut mit der Schaufel aus, trifft auf den vorderen Kotflügel des Autos.

Es scheppert so laut, dass die Kinder im Chrylser zusammenzucken. Die bleifarbenen bläulichen Gesichter der Untoten wenden sich dem Ursprung des Geräuschs zu.

»LOS! KOMMT SCHON!!« Lilly stürzt sich auf das nächste Auto in der Reihe der willkürlich geparkten Wagen. Es ist ein Ford Taurus. Ein Fenster ist durch Pappe ersetzt worden. Sie holt erneut aus und schlägt, so hart sie kann, auf das Dach. Der harsche, metallene Klang zieht die Aufmerksamkeit weiterer Zombies auf sich.

Lilly rennt zum nächsten fahrbaren Untersatz und schlägt mit aller Wucht auf den linken vorderen Kotflügel. Wieder schneidet das metallene Geräusch durch den Lärm auf dem Zeltplatz.

»KOMMT SCHON! NUN KOMMT DOCH ENDLICH!!«

Lillys Stimme übertönt den Lärm wie das Bellen eines kranken Hundes. Ihre Stimme ist heiser vor Schock, tonlos, und es klingt ein Hauch von Wahnsinn mit. Sie schlägt mit der Schaufel auf ein Auto nach dem anderen. Sie selbst hat keine Ahnung mehr, was sie tut, hat jegliche Kontrolle über sich verloren. Mehr und mehr Untote folgen ihr jetzt und taumeln und stolpern in ihre Richtung.

Es dauert nur wenige Sekunden, bis Lilly das Ende der Autoreihe erreicht hat. Sie holt erneut aus und trifft die Motorhaube eines rostigen Chevy S-10 Pick-up-Truck. Mittlerweile folgen die meisten Zombies ihrem Lockruf und taumeln, stolpern und wanken tollpatschig auf sie zu.

Die einzigen Untoten, die sie ignorieren, sind die sechs, die sich noch immer vor dem riesigen Zirkuszelt an der auf dem Boden liegenden Sarah Bingham laben.

»KOMMT SCHON!! KOMMT SCHON!! KOMMT SCHON!! IMMER HER MIT EUCH!! NUN MACHT SCHON!!!!!« Lilly rennt über den Schotterweg und läuft in Richtung Wald.

Ihr Puls rast, die Sicht verschwommen, die Lungen ringen nach Luft. Lilly lässt die Schaufel fallen und versucht, mit ihren Wanderstiefeln Halt in dem weichen Hang aus Morast zu finden. Endlich erreicht sie die Baumgrenze, stürzt sich in den Wald. Sie haut mit der Schulter gegen den Stamm einer alten Birke. Der Schmerz fährt ihr direkt in den Schädel, und sie sieht Sterne. Lilly wird langsamer. Hinter ihr erklimmt die Horde Zombies unbeholfen den Hang, folgt ihr in den Wald.

Sie läuft kreuz und quer zwischen den Bäumen hindurch, hat bereits jegliche Orientierung verloren. Hinter ihr ist die Schar Untoter langsamer geworden. Sie können ihr nicht mehr folgen.

Zeit verliert an Bedeutung. Wie in einem Traum spürt Lilly, dass alles um sie herum beinahe stillsteht. Ihre Schreie bleiben ihr im Hals stecken, ihre Beine verlieren sich im unsichtbaren Treibsand von Albträumen. Die Dunkelheit umzingelt sie, je tiefer sie in den Wald stolpert.

Lilly denkt an Sarah, die arme Sarah in ihrem niedlichen Angora-Pullover. Jetzt liegt sie da, inmitten ihres eigenen Bluts, und die Tragödie reißt Lilly mit sich in den Abgrund, wirft sie zu Boden, auf die weichen Kiefernadeln und verfallende Natur, hinab in den endlosen Zyklus von Tod und Wiederauferstehung. Sie erleidet einen Anfall, der Schmerz durchfährt sie von oben bis unten, als sie atemlos aufschluchzt. Die Tränen kullern ihr die Wangen hinab, befeuchten den Waldboden.

Ihr Schluchzen will gar kein Ende nehmen.

Das Suchkommando findet Lilly am späten Nachmittag. Angeführt von Chad Bingham, bemerken die schwer bewaffneten fünf Männer und drei Frauen Lillys hellblaue Daunenjacke. Sie lugt hinter einem umgestürzten Baum circa einen Kilometer nördlich von der Zeltstadt inmitten der eisigen Dunkelheit des tiefen Waldes unter einer kleinen Lichtung hervor. Sie scheint das Bewusstsein verloren zu haben, liegt leblos in einer Dornenhecke. »Vorsicht!«, ruft Chad Bingham zu seinem Stellvertreter, einem dünnen Mechaniker aus Augusta namens Dick Fenster. »Wenn sie sich bewegt, ist sie vielleicht eine von ihnen geworden!«

Der Dampf nervösen Atmens erfüllt die kalte Luft. Vorsichtig nähert Fenster sich der Lichtung. In der Hand hält er seine entsicherte .38er. Sein Finger am Abzug zittert bedenklich. Er kniet sich vor Lilly hin, schaut sie sich genau an und dreht sich dann zum restlichen Suchkommando um. »Ihr geht es gut! Sie lebt … Nicht gebissen und nichts … Sie ist sogar bei Bewusstsein!«

»Nicht mehr lange!«, murmelt Chad Bingham leise, als er zur Lichtung geht. »Scheiß-Feigling-Scheiß-Hure hat mein Baby auf dem Gewissen …«