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»Vielleicht vögeln sie ja, bis sie drüber hinweg sind.« Josh begutachtet seine letzte Zigarre, von der noch eine Hälfte aus seiner Brusttasche lugt. Er sucht das Büro nach einem Aschenbecher ab, aber selbst der ist verschwunden. »Hat den Anschein, als ob die Fortnoy-Jungs schneller verschwinden mussten, als ihnen lieb gewesen ist.«

Lilly fasst vorsichtig an ihr geschwollenes Auge. »Sieht so aus, als ob die Plünderer bereits da waren.«

»Wie geht es dir? Alles klar?«, erkundigt sich Josh.

»Noch bin ich am Leben.«

Bob blickt von seiner Kiste mit Vorräten auf. »Setz dich doch, Lilly.« Er stellt einen der Stühle neben das Fenster. Das Licht des Vollmonds scheint in das Büro und taucht den Boden in silberfarbene Schatten. Bob wischt sich die Hände mit einem Feuchttuch sauber und meint: »Wird Zeit, dass ich die Bandagen untersuche.«

Josh sieht zu, wie Lilly Platz nimmt und Bob den Erste-Hilfe-Kasten öffnet.

»Jetzt schön stillhalten«, ermahnt Bob Lilly sanft, als er mit Alkohol getränkte Watte herausnimmt und die Ränder um Lillys Auge vorsichtig abtupft. Die Haut unter der Augenbraue ähnelt eher einem gekochten Ei. Lilly zuckt vor Schmerz zusammen – ein Anblick, der Josh gar nicht gefällt. Er muss sich zurückhalten, sie nicht in die Arme zu nehmen, ihr zärtlich über den Kopf zu streicheln. Der Anblick ihrer mahagonifarbenen Strähnen, die ihr in das schmale, zarte und arg mitgenommene Gesicht fallen, macht ihn beinahe wahnsinnig.

»Aua!«, entfährt es Lilly. »Vorsichtig, Bob.«

»Das ist ein blaues Auge, auf das jeder Boxer stolz wäre, aber wenn wir es schön sauber halten und darauf aufpassen, sollte eigentlich nichts passieren.«

»Ha, als ob hier nichts passieren könnte!«

»Stimmt auch wieder.« Bob macht sich jetzt langsam an der Bandage um ihre Rippen zu schaffen, untersucht vorsichtig ihren angeschwollenen Oberkörper mit den Fingerspitzen. Lilly zuckt erneut zusammen. »Die Rippen werden von ganz alleine wieder, solange du nicht auf die Idee kommst, mit Ringen anzufangen oder einen Marathon zu laufen.«

Bob erneuert die Binde um ihre Taille und versorgt ihr Auge. Lilly schaut zu Josh auf. »Was geht dir durch den Kopf?«, will sie von ihm wissen.

Josh blickt sich um. »Wir bleiben heute Nacht hier und schieben abwechselnd Wache.«

Bob schneidet etwas Klebeband ab. »Heute Nacht werden wir uns die Eier abfrieren!«

Josh stöhnt auf. »Hab einen Generator in der Werkstatt gesehen. Decken haben wir auch. Das Gebäude scheint mir recht sicher. Außerdem sind wir auf einem Hügel, so dass wir rechtzeitig eine große Ansammlung dieser toten Geier sehen können, ehe sie uns erreichen.«

Bob ist jetzt fertig mit Lilly und macht den Erste-Hilfe-Kasten wieder zu. Die gedämpften Vögelgeräusche aus dem Lager werden jetzt leiser – es scheint eine Pause zu geben. In der kurzen Stille, die folgt, hört Josh das dumpfe Rauschen der Untoten in der Ferne – das typische Geräusch toter Stimmbänder, das wie kaputte Orgelpfeifen klingt. Ein atonales Jammern und Gurgeln. Die Geräusche lassen ihm die Haare im Nacken aufrecht stehen.

Lilly hört es ebenfalls. »Das werden doch immer mehr, richtig?«

Josh zuckt die Achseln. »Wer weiß?«

Bob holt etwas aus der Tasche seines zerlumpten Parkas: Eine Flasche. Er entkorkt sie und nimmt einen großen Schluck. »Glaubt ihr, dass die uns riechen können?«

Josh geht zum Fenster und blickt in die vom Mond erhellte Nach hinaus. »Ich glaube, dass der Betrieb in Camp Bingham sie auf uns aufmerksam gemacht hat. Und dass sie sich schon seit Wochen sammeln.«

»Und wie weit, glaubst du, sind wir vom Zeltplatz entfernt?«, will Bob wissen.

»Luftlinie wohl nicht viel mehr als zwei Kilometer«, entgegnet Josh und blickt über die Wipfel der Bäume in der Ferne. Der Wind lässt ihre Äste sanft hin und her schwingen, eigentlich ein schöner Anblick, beinahe wie schwarze Spitze. Der Himmel ist jetzt klar und mit einer Unzahl von eisig funkelnden Sternen gesprenkelt.

Man kann den Rauch aus der kleinen Siedlung erkennen, der sich gegen den Hintergrund der Sternbilder abhebt.

»Ich habe überlegt …« Josh dreht sich wieder um und wendet sich seinen Gefährten zu. »Das hier ist vielleicht kein Fünf-Sterne-Hotel, aber wenn wir uns ein bisschen umschauen, finden wir vielleicht sogar Munition … Und dann wäre es vielleicht ganz clever, zumindest etwas hierzubleiben.«

Weder Lilly noch Bob antworten sofort, sondern es braucht eine Weile, ehe sie die Idee annehmen und abwägen können.

Sie verbringen die Nacht auf dem eiskalten Betonboden der Werkstatt. Schlafen geht kaum mit ihren dünnen Decken und dem ständigen Wacheschieben. Am nächsten Morgen halten sie Kriegsrat und entscheiden, was sie als Nächstes tun sollen. Mit Papierbechern voll Pulverkaffee, den Bob auf seinem Campingkocher zubereitet hat, überzeugt Josh Lilly, dass es wohl am besten für alle wäre, wenn sie sich hier für eine Weile einrichten. So hat sie Zeit, um zu genesen und, falls wirklich notwendig, können sie sich einfach etwas Proviant aus der Zeltstadt klauen.

Keiner besitzt genügend Energie, Joshs Vorschlag groß zu widersprechen, und Bob hat einen Vorrat an Whiskey unter dem Tresen im Köderladen gefunden. Megan und Scott wechseln zwischen ständigem Gras-Rauchen und »Quality-Time« miteinander im Lager hin und her. Oft dauert es Stunden, ehe sie sich wieder blicken lassen. Am ersten Tag arbeiten sie hart daran, die Tankstelle vernünftig zu sichern. Josh entscheidet sich gegen den Generator. Drinnen könnte er sie mit den Abgasen vergiften, und draußen besteht die Gefahr, dass er mit seinem Krach die Zombies auf sie aufmerksam machen würde. Aber Josh findet einen Holzofen im Lager und obendrein einen ganzen Haufen Holz hinter einem der Müllcontainer, so dass sie sich zumindest etwas wärmen können.

Ihre zweite Nacht im Fortnoy’s Fuel and Bait Hotel wird bei akzeptablen Temperaturen verbracht, indem sie den Ofen im Lager einheizen. Megan und Scott halten einander mit viel Lärm unter einem Stapel Decken warm, und Bob betrinkt sich derart, dass er die Kälte so oder so nicht mehr merkt. Trotzdem scheinen ihn die gedämpften Vögelgeräusche aus dem Lager zu stören. Bald schon ist er so weggetreten, dass er sich kaum noch bewegen kann. Lilly hilft ihm zu seiner provisorischen Schlafstätte. Es kommt ihr vor, als ob sie ein Kind zu Bett bringen müsse. Sogar ein Wiegenlied singt sie ihm – einen Song von Joni Mitchell »The Circle Game« – und deckt ihn mit einer schimmligen Decke zu. Irgendwie fühlt sie sich für Bob Stookey verantwortlich, obwohl er es doch ist, der sich um sie kümmern soll.

Während der darauffolgenden Tage verstärken sie Türen und Fenster und waschen sich in den großen, verzinkten Waschbecken, die an der hinteren Wand der Werkstatt angebracht sind. Langsam aber sicher schleicht sich Alltagsroutine ein. Bob macht den Truck wintersicher und klaubt sich Ersatzteile aus verschiedenen Wracks, die auf dem Gelände stehen, während Josh Aufklärungseinsätze leitet. Sie schleichen sich bis zur Grenze der Zeltstadt vor, und Josh und Scott können am helllichten Tag Brennholz, frisches Wasser, etwas Zeltplane, ein paar Dosen mit Gemüse, eine Schachtel Munition und etwas Brennpaste mitgehen lassen. Josh stellt fest, dass dort der Anschein des zivilisierten Umgangs miteinander nur mit Mühe und Not aufrechterhalten wird. Die Leute streiten immer öfter miteinander. Manchmal erhascht er sogar Blicke auf den einen oder anderen Boxkampf und sieht, wie Männer und Frauen sich bis zur Besinnungslosigkeit besaufen. Der Stress macht den Siedlern ganz schön zu schaffen.