Выбрать главу

Während der Nächte achtet Josh darauf, dass Fortnoy’s Fuel and Bait niemandem auffällt. Niemand macht Nachtspaziergänge, alle verhalten sich ruhig und sie benutzen so wenig Kerzen und Laternen wie nur möglich. Die Windgeräusche schrecken sie ständig auf, und Lilly Caul wundert sich insgeheim, welches wohl die größere Bedrohung für sie darstellt: die Horden von Zombies, ihre Mitmenschen oder der immer näher kommende Winter. Die Nächte werden länger und die Kälte immer schlimmer. Eisblumen bilden sich an den Fenstern, und die Kälte schleicht sich in ihre Gelenke. Niemand will sich darüber beschweren, aber die Kälte könnte sie viel rascher und effektiver bezwingen als eine Attacke der Zombies.

Um die Langeweile und die ständige Angst zu bekämpfen, suchen sich ein paar von ihnen eine Ausgleichsbeschäftigung, auch Hobby genannt. Josh fängt an, sich Zigarren aus Tabakblättern zu drehen, die er in den umliegenden Feldern findet. Lilly schreibt Tagebuch, und Bob entdeckt einen wahren Schatz an Angelzeug in einer unbeschrifteten Kiste im Köderladen. Er verbringt Stunden damit, sich durch die bereits geplünderten Überreste zu wühlen und Sachen zu reparieren. Ständig ist er über die Werkbank gebeugt und bindet Köder an Angelleinen. Er träumt davon, zum nahe gelegenen Bach zu gehen und Forellen und sonstige Süßwasserfische aus dem Wasser zu ziehen, damit sie endlich mal wieder etwas Frisches zwischen die Zähne kriegen. Unter der Werkbank hat er stets eine Flasche Jack Daniels versteckt, sein treuer Freund und Begleiter.

Die anderen machen sich um seinen Alkoholkonsum Sorgen, aber kann man es ihm übel nehmen? Was kann man einem angesichts dieses anhaltenden Fegefeuers überhaupt ankreiden? Bob selbst ist nicht stolz darauf, dass er trinkt. Tatsache ist, dass er sich sogar dafür schämt. Aber genau deswegen braucht er ja seine »Medizin« – um die Scham fernzuhalten. Und die Einsamkeit. Und die Angst. Und die nächtlich wiederkehrenden Albträume von blutbespritzten Feldbetten in Kandahar.

Am Freitag jener Woche, kurz nach Mitternacht – laut Bobs Kalender ist es der 9. November – ist er wieder über die Werkbank gebeugt und bereitet Köder fürs Fliegenfischen vor, die Flasche Whiskey an seiner Seite. Plötzlich hört er ein Schlurfen aus dem Lager. Er hat nicht bemerkt, wie Megan und Scott sich relativ früh aus dem Staub gemacht haben. Auch hat er den süßlichen Marihuanageruch nicht gerochen. Und das Kichern aus dem Nebenzimmer ist ihm überhaupt nicht aufgefallen, so vertieft war er in seiner Arbeit. Jetzt aber bemerkt er etwas, das ihn den ganzen Tag lang kaltgelassen hat.

Er hört auf, mit dem Angelzeug herumzufuchteln und wendet sich stattdessen dem hinteren Teil des Raums zu. Hinter einer großen, mitgenommenen Propangasflasche kann Bob im Schimmern seiner Lampe eindeutig ein Loch in der Wand ausmachen. Er verlässt sein Vorhaben und geht in Richtung Flasche. Vorsichtig rollt er sie beiseite, um einen genaueren Blick auf das zwanzig Zentimeter große Loch zu werfen. Es sieht ganz so aus, als ob ein Wasserschaden die Ursache dafür gewesen ist – entweder das oder die schwülen Sommer hier in Georgia, denn die Ränder der Gipskartonplatte um das Loch weisen auch Feuchtigkeitsschäden auf. Bob wirft einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass er auch wirklich allein ist. Er ist allein in der Werkstatt.

Das Stöhnen und Ächzen, der wilde Sex an der anderen Seite der Wand zieht Bobs Aufmerksamkeit wieder auf sich.

Er wirft einen Blick durch das Loch in das Lager, wo das gedämpfte Licht einer batteriebetriebenen Lampe die Schatten über die Wände tanzen lässt. Sie stoßen mit Wucht in der Dunkelheit gegeneinander. Bob fährt sich mit der Zunge über die Lippen, lehnt sich etwas vor, näher ans Loch. In seinem bereits mehr als angetrunkenen Zustand verliert er beinahe das Gleichgewicht, kann sich aber gerade noch rechtzeitig an der Flasche abstützen. Er erhascht einen flüchtigen Blick von Scott Moons pickeligem Po, wie er sich im gelben Licht hebt und senkt. Unter ihm liegt Megan, die Beine gespreizt …

Bob Stookey verspürt, wie sich seine Brust zusammenzieht und ihm der Atem stockt.

Er sieht, wie die beiden geilen Nacktschnecken sich voller Leidenschaft einander hingeben, hört, wie sie grunzen und sonstige animalischen Geräusche von sich geben, aber was ihn am meisten fasziniert, was Bob Stookey nicht mehr loslässt, ist der Anblick von Megan Laffertys olivfarbener Haut im Lampenschein, ihrer rotbraunen Locken, die unter ihrem Kopf hervorquellen und wie Honig schimmern. Bob kann sich nicht von ihr abwenden. Er verspürt, wie das Verlangen von ihm Besitz ergreift.

»Oh, Bob … Tut mir leid … Ich wollte nicht …«

Die Stimme erklingt aus den Schatten des Zugangs zum Büro, und als Bob sich rasch von dem Loch abwendet, um nicht mitten beim Spannen erwischt zu werden, verliert er beinahe das Gleichgewicht. Die Propangasflasche kommt ihm erneut zu Hilfe. »Ich wollte ja gar nicht … Das ist nicht so, wie …«

»Ist kein Problem. Ich wollte nur schauen … Ich wollte nur sichergehen, dass bei dir alles klar ist.« Lilly steht im Türrahmen, trägt ein Sweatshirt, einen gestrickten Schal und Sweatpants – ihre normale Schlafkleidung. Sie wendet ihren ramponierten Kopf ab und blickt beschämt weg. In ihren Augen spiegelt sich eine Mischung aus Mitleid und Ekel wider.

»Lilly, ich wollte nicht …« Bob stolpert auf sie zu, hält die Hände reumütig in die Luft, als er über eine lose Holzdiele stolpert und mit einem Stöhnen zu Boden kracht. Es gleicht einem Wunder, dass die beiden im Nebenzimmer unbeeindruckt von dem Lärm weitermachen – das rhythmische Aufeinanderklatschen von fickgeilem Fleisch will nicht aufhören.

»Bob, ist alles klar bei dir?« Lilly eilt zu ihm, kniet sich über ihn und versucht, ihm aufzuhelfen.

»Es geht mir gut, geht mir gut«, beruhigt er sie und schiebt sie von sich. Wackelig kommt er wieder auf die Beine, traut sich aber nicht, ihr in die Augen zu schauen. Er weiß nicht, was er mit den Händen anstellen soll, blickt zu seiner Werkbank. »Ich dachte, ich habe merkwürdige Geräusche gehört … Von draußen.«

»Merkwürdig?« Lilly starrt zu Boden, dann auf die Wand – überallhin, nur nicht auf Bob. »Ah, okay.«

»Klar, war aber nichts.«

»Gut, das ist gut.« Lilly nimmt etwas Abstand. »Ich wollte nur nach dir schauen.«

»Es geht mir blendend, blendend. Aber es wird schon spät. Ich glaube, ich geh ins Bett.«

»Gut, Bob. Mach das.«

Lilly dreht sich um und verschwindet, lässt Bob Stookey allein im Lampenschein zurück. Er steht noch für einen Augenblick mit gesenktem Blick da, ehe er sich langsam zu seiner Werkbank aufmacht. Dort tastet er nach der Flasche Jack Daniels, findet sie, öffnet sie und hebt sie an den Mund …

»Ich mache mir nur Sorgen, was passiert, wenn er alles ausgetrunken hat.«

Lilly folgt Josh in ihrer Skijacke und der gestrickten Baskenmütze den schmalen Pfad zwischen den Kiefern hinunter. Josh kämpft sich durch das Geäst, die Schrotflinte in seinen riesigen Armen. Er will zu einem ausgetrockneten Flussbett voller Steine und umgefallener Bäume. «Der findet schon wieder was … mach dir keine Sorgen um den alten Bob … Sprittis finden immer Stoff. Und um ganz ehrlich zu sein, mache ich mir mehr Sorgen darüber, dass wir langsam nichts mehr zu essen haben.«

Der Wald liegt still und verlassen da, als sie an das Ufer des ehemaligen Baches kommen. Der erste Schnee fällt durch die hohen Wipfel auf sie herab.

Es ist jetzt knapp zwei Wochen her, dass sie im Fortnoy’s eingetroffen sind, und sie haben bereits mehr als die Hälfte ihres Trinkwassers und beinahe sämtliche Dosen mit Essen aufgebraucht. Josh hat sich in den Kopf gesetzt, dass es wohl besser ist, die letzte Munition darauf zu verwenden, einen Hasen, vielleicht sogar einen Hirschen zu erledigen, als gegen eine Horde Zombies zu kämpfen. Außerdem hat der ständig herrschende Lärm in der Zeltstadt die meisten Untoten in seinen Bann gezogen und von der Tankstelle weggelockt. Josh versucht jetzt, sich die Tage ins Gedächtnis zu rufen, als sein Onkel Vernon ihn auf den Briar Mountain zum Jagen mitgenommen hat. Er muss eine Fährte finden, will die alten Künste wieder aufleben lassen. Zu seiner Zeit war Josh ein Jäger allererster Klasse gewesen. Aber jetzt, mit dieser rostigen, alten Schrotflinte und steif gefrorenen Fingern … Andererseits: Man kann ja nie wissen.