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Er stürmt die Böschung hinauf und verschwindet ebenfalls zwischen den Bäumen, die Schrotflinte über die Schulter geworfen. Er hat keine Zeit, sie nachzuladen. In der Ferne sieht er Lilly, die tiefer in den Wald läuft. Er holt sie ein, und zusammen laufen sie nach Osten weiter.

Die beiden tauchen in die Schatten, ehe die Überreste des Cole Brothers’-Familienzirkus das Flussbett überquert haben.

Auf dem Weg zurück zur Tankstelle stoßen Josh und Lilly erneut auf eine Herde Rotwild. Josh zielt und trifft eine kleinere Hirschkuh mit einem einzigen Schuss. Der Knall erschallt, steigt in den Himmel auf – weit genug von Fortnoy’s entfernt, um die Aufmerksamkeit nicht auf ihren Unterschlupf zu lenken. Das Tier zuckt ein letztes Mal und geht zu Boden.

Lilly kann den Blick kaum von dem toten Tier abwenden. Josh bindet seinen Gürtel um die Hinterläufe und zerrt die dampfende Kuh einen Kilometer hinter sich her bis zur Tankstelle. In dieser verdammten Welt hat der Tod – ob es sich nun um ein Tier oder einen Menschen handelt – an neuer Bedeutung gewonnen.

In jener Nacht hellt sich die allgemeine Stimmung der vorübergehenden Bewohner von Fortnoy’s mächtig auf.

Josh nimmt das Tier in der Werkstatt aus, benutzt dieselben Waschbecken, in denen sie sich immer waschen, und zerlegt es. Sie haben jetzt genug Fleisch, um die kommenden Wochen zu überstehen. Er lagert alles, was sie nicht sofort essen können, im Hinterhof und bereitet ein Festmahl aus Innereien, Rippen und Bauchfleisch zu, das er langsam in einem Sud aus Fertigsuppe dünstet, die sie in einer Schublade im Büro gefunden haben. Als Gewürze benutzt er wilden Knoblauch und Brennnesselstiele. Aufgetischt wird das Gelage mit Pfirsichstücken aus der Dose, und sie schlagen sich den Bauch voll, bis keiner mehr einen Pieps von sich geben kann.

Die Zombies lassen sie in Ruhe – es gibt keinerlei Anzeichen der Untoten vom Zirkus oder sonstigen durch die Gegend streunenden Untoten. Während des Festmahls bemerkt Josh, dass Bob die Augen nicht von Megan lassen kann. Der alte Mann scheint ganz besessen von der jungen Frau. Diese Tatsache beunruhigt Josh. Seit Tagen schon hat er sich Scott gegenüber sehr schroff benommen. Nicht dass der Junge in seinem andauernden High-Zustand etwas davon mitbekommen hätte … Aber trotzdem spürt Josh, wie die Chemie ihrer kleinen Truppe getestet wird, sich verändert.

Später setzen sie sich um den Holzofen, um Joshs selbst gemachte Zigarren zu rauchen und sich ein paar Tropfen von Bobs Whiskeyvorräten zu Gemüte zu führen. Das erste Mal seitdem sie die Zeltstadt verlassen haben – vielleicht sogar seitdem die Plage ausgebrochen ist –, fühlen sie sich beinahe normal. Sie reden vom Entkommen, von verlassenen Inseln und Gegenmitteln, Impfstoffen, von Fröhlichkeit und Stabilität. Sie erinnern sich an all das, was vor dem Auftauchen der Zombies ganz normal war: in Läden einkaufen, im Park spielen, Essen gehen, Fernsehen schauen, am Sonntagmorgen Zeitung lesen, in Clubs gehen, um Live-Musik zu hören, einen Kaffee trinken zu gehen, vor Computern zu sitzen und per WLAN im Internet zu surfen oder Post zu kriegen.

Jeder hat seine eigenen Vorlieben und Schwächen. Scott bedauert, dass es kein gutes Gras mehr gibt, Megan lechzt nach den Zeiten, als sie in ihrer Lieblingskneipe – Nightlies in Union City – hat abhängen und die kostenlosen Gurkenschnäpse und Krabbenspieße verzehren können. Bob sehnt sich nach zehn Jahre altem Bourbon, so wie eine Mutter es nach ihrem verlorenen Kind verlangt. Lilly erinnert sich an die Stunden und Aberstunden, die sie in Secondhand- und Billigläden vergeudet hat, um nach dem perfekten Schal, Pullover oder der idealen Bluse zu suchen – an die Tage, an denen die Suche nach ausrangierten Klamotten noch nicht überlebenswichtig war. Und Josh denkt an die Vielzahl von Delikatessen-Geschäften zurück, die es in der Gegend von Little Five Points um Atlanta gab, in denen man alles von gutem Gimchi bis zu rosa Trüffelöl kaufen konnte.

Ob es an einer Laune des Windes liegt oder dem Lärm ihres schallenden Gelächters wie auch dem Ächzen und Stöhnen des strapazierten Holzofens – die vielen beunruhigenden Geräusche, die über die Baumwipfel von der Zeltstadt zu ihnen getragen werden, bleiben stundenlang unbemerkt.

Als sich ihre Dinnerparty auflöst und jeder sich zurück zur Werkstatt zu seinem Schlafplatz aufmacht, glaubt Josh ein merkwürdiges Klopfen gegen die gläsernen Türen zu hören, aber er denkt nicht weiter darüber nach, glaubt, dass es entweder am Wind liegt oder er es sich einfach nur einbildet.

Josh will die erste Wache übernehmen. Er sitzt im Büro, wo er hofft, sich davon überzeugen zu können, dass er sich keine Sorgen um die komischen Geräusche machen muss. Es dauert Stunden, ehe er etwas Ungewöhnliches sieht oder hört.

Das Büro besitzt eine große, dreckige Glasfront, vor der Regale voller Reiseführer und Karten sowie ein Haufen Geruchsentferner stehen. Die staubigen Regale verhindern einen Blick auf den Ärger, der sich über den Baumwipfeln in der Ferne zusammenbraut.

Die frühen Morgenstunden vergehen, und Josh nickt in seinem Stuhl ein.

Seine Augen bleiben bis genau 4:43 Uhr geschlossen, als die ersten entfernten Motorengeräusche ihn aus dem Schlaf reißen.

Lilly wird von dem Lärm schwerer Stiefel auf dem Büroboden aufgeweckt. Sie setzt sich auf, ihr Hintern ist eisig von dem kalten Werkstattboden, und sie merkt nicht, dass Bob unter der enormen Anhäufung von Decken ebenfalls schon wach ist.

Der richtet sich nun ebenfalls auf, weil auch er die Motorengeräusche wohl nur Sekunden gehört hat. »Was zum Teufel geht hier vor sich?«, murmelt er. »Hört sich ja an, als ob da draußen die Hölle los ist.«

»Alle aufstehen!«, brüllt Josh und rennt in die Werkstatt. Er blickt panisch um sich, sucht offensichtlich nach etwas Bestimmten auf dem mit Öl verschmierten Boden.

»Was ist los?«, will Lilly wissen und reibt sich den Schlaf aus den Augen. Ihr Herz beginnt heftig zu pochen.

Josh geht zu ihr, kniet sich vor ihr hin und flüstert leise: »Da draußen braut sich etwas zusammen. Autos rasen durch die Gegend – total leichtsinnig und so. Ich will nicht, dass sie uns unvorbereitet antreffen.«

Jetzt hört sie es auch, das Aufheulen von Motoren, Steine, die durch die Luft fliegen. Und der Lärm kommt näher. Lillys Mund wird vor Panik ganz trocken. »Josh, wonach suchst du?«

»Zieh dich an, Kleines – beeil dich.« Josh wirft erneut einen Blick durch die Werkstatt. »Bob, siehst du die Schachtel .38er-Patronen, die wir mitgenommen haben?«

Bob Stookey rafft sich umständlich auf die Beine und zieht sich mühsam die Hose über seine lange Unterhose. Der Mondschein strahlt ihn durch das Dachfenster an und erhellt sein tief gefurchtes Gesicht. »Die ist auf der Werkbank«, erwidert er. »Wie lautet der Plan, Captain?«

Josh eilt zur Werkbank und schnappt sich die Schachtel mit der Munition, öffnet das Gewehr und lädt es, während er Befehle gibt: »Lilly, geh und hol unser Liebespärchen. Bob, ich brauche dich und deine Schrotflinte draußen vor der Tankstelle.«

»Und was ist, wenn die uns freundlich gesinnt sind?«, fragt Lilly, zieht sich einen Pullover über und steigt in ihre dreckigen Stiefel.

»Dann müssen wir uns um nichts Sorgen machen.« Er läuft zurück zum Büro. »Nun macht schon, ihr beiden!« Dann verschwindet er.

Mit rasendem Herzen und Gänsehaut am ganzen Körper eilt Lilly aus der Werkstatt hinüber zum Lager, in der Hand eine Lampe, damit sie sieht, wohin sie geht.

»Hey, Leute! Wacht auf!« Sie haut kräftig gegen die Tür.

Geräusche, nackte Füße auf den kalten Holzdielen, dann öffnet sich die Tür einen Spalt breit. Megans schlaftrunkenes Gesicht erscheint inmitten einer Marihuanawolke. »¿Que pasa, Dude?«

»Steh auf, Megan. Da braut sich was zusammen.«

Megans Gesicht verzerrt sich augenblicklich. »Zombies?«

Lilly schüttelt den Kopf nachdrücklich. »Glaube nicht, es sei denn, sie wissen mittlerweile, wie man Auto fährt.«