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Sie verbringen die Nacht eher schlecht als recht mit Megan, Scott und Bob hinten im Camper-Aufsatz, Lilly auf der Rückbank in der Fahrerkabine und Josh auf den beiden Vordersitzen. Er schafft es kaum, seinen riesigen Körper vernünftig auszustrecken.

Am nächsten Tag werden Bob und Josh fündig. Sie finden einen umgestürzten Laster eineinhalb Kilometer entfernt. Die Hinterachse ist zwar gebrochen, aber der Rest ist noch in einwandfreiem Zustand – und mit beinahe vollem Tank. Noch vor Mittag haben sie achtzig Liter in Container umgefüllt und den Truck befüllt. Sie machen sich Richtung Südwesten auf, fahren durch weitere dreißig Kilometer brachliegendes Ackerland, ehe sie unter einer Eisenbahnbrücke parken, wo der Wind ihnen sein immerwährendes, trauriges Lied um die Ohren pfeift.

In der Dunkelheit des stinkenden Trucks fangen sie zu streiten an: Sollen sie weiterfahren oder nicht, wer schläft wo, wer schnarcht, wer hat mehr zu essen gekriegt, wer hat die am übelsten riechenden Füße und so weiter. Der Camper-Aufsatz hat weniger als zehn Quadratmeter Fläche, und das meiste davon ist mit Bobs Müll übersät. Scott und Megan schlafen wie Sardinen gegeneinander gepresst an der Hintertür, während Bob sich in seinem halb nüchternen Zustand hin und her wirft.

So verbringen sie beinahe eine ganze Woche, fahren im Zickzack gen Südwesten, immer den Schienen der West Central Georgia Railway folgend. Sie füllen den Tank so oft auf, wie es geht, und die Stimmung wird immer schlechter und angespannter. Es ist, als ob die Wände des Trucks sie langsam zu ersticken drohen.

Eines Morgens, während Megan und Scott noch im Camper-Aufsatz schlummern, sitzen Josh und Lilly auf der vorderen Stoßstange und teilen sich eine Thermoskanne Pulverkaffee in der blassen Sonne. Der Wind scheint kälter geworden zu sein, der Himmel erdrückender … Der Geruch vom Winter liegt in der Luft. »Fühlt sich so an, als ob der Schnee nicht mehr lange auf sich warten lässt«, bemerkt Josh.

»Wo ist denn Bob hin?«

»Hab ihn gesehen, wie er nach Westen gegangen ist. Hat seine Angel dabeigehabt.«

»Und die Schrotflinte auch?«

»Axt.«

»Ich mache mir Sorgen um ihn, Josh. Er zittert die ganze Zeit, das will gar nicht mehr aufhören.«

»Der wird schon wieder.«

»Gestern Nacht habe ich gesehen, wie er von einer Flasche Mundwasser getrunken hat.«

Josh blickt sie an. Lillys Wunden sind beinahe völlig verheilt, die Augen das erste Mal seit der Tracht Prügel wieder klar. Ihre Schwellungen sind so gut wie abgeklungen, und sie hat die Bandagen um die Rippen am Tag zuvor abgemacht und gemerkt, dass sie sich genauso gut ohne sie bewegen kann. Aber der Schmerz, Sarah Bingham verloren zu haben, nagt noch immer an ihr. Josh blickt sie jede Nacht an, sieht die Sorgenfalten in ihrem verschlafenen Gesicht – der schönste Anblick, der ihm je untergekommen ist. Es verlangt ihn danach, sie wieder zu küssen, aber die Situation lässt einen solchen Luxus nicht zu. »Uns wird es schon allen viel besser gehen, sobald wir etwas Vernünftiges zwischen die Zähne kriegen«, meint er schließlich. »Langsam habe ich Nase voll vom Dosenfutter.«

»Und viel Wasser haben wir auch nicht mehr. Außerdem gibt es noch etwas, das mir die Haare im Nacken aufstellt, wenn ich daran danke.«

Josh wirft ihr einen fragenden Blick zu. »Was denn?«

»Was ist, wenn wir wieder auf einen Schwarm treffen? Die könnten einfach den Truck umwerfen, Josh. Das weißt du genauso gut wie ich.«

»Ein Grund mehr, warum wir nicht anhalten sollten. Weiter nach Süden, weg von Ballungszentren.«

»Ich weiß, aber …«

»Außerdem finden wir da vielleicht Vorräte.«

»Das verstehe ich ja alles, aber …«

Lilly hält inne, als sie die Umrisse einer Gestalt auf der Eisenbahnbrücke erkennt. Sie ist vielleicht noch dreihundert Meter von ihnen entfernt. Sie kommt auf sie zu, folgt dem Schienenstrang. Sie wirft einen langen, schmalen Schatten, der in der Morgensonne durch die Eisenbahndielen auf die Querträger scheint. Die Gestalt bewegt sich zu schnell für einen Zombie.

»Wenn man vom Teufel spricht«, meint Josh schließlich, als er endlich sieht, um wen es sich handelt.

Der alte Mann kommt näher. Er trägt einen Eimer und eine Angelroute, läuft immer schneller die Gleise entlang. Die Spannung steht ihm im Gesicht geschrieben. »Guten Morgen miteinander!«, ruft er hinab, als er bei der Leiter, die hinunter zur Straße führt, angekommen ist.

»Ruhig, Bob, immer schön ruhig«, ermahnt Josh ihn und geht mit zusammen Lilly zum Fuß der Leiter.

»Wartet nur ab, bis ihr seht, was ich dabeihabe«, fährt Bob unbeirrt fort und klettert die Sprossen herunter.

»Sag bloß, du hast einen großen Fisch gefangen!«

Endlich steht er vor ihnen. Er holt Luft, und seine Augen funkeln vor Aufregung. »No, Sir! Habe nicht einmal ein gottverdammtes Flüsschen gefunden.« Er lächelt die beiden mit seiner Zahnlücke an. »Bin dafür aber über etwas viel Besseres gestolpert.«

Der Walmart liegt an der Kreuzung zweier Highways, eineinhalb Kilometer nördlich der Eisenbahn. Bob hat das unverkennbare Schild mit blaugelber Schrift und den Sternen von den erhöhten Schienen aus erspäht. Die nächstgelegene Stadt ist zwar kilometerweit entfernt, aber diese Einkaufszentren mitten im Nirgendwo beziehungsweise zwischen einer Vielzahl von Bauernhöfen, insbesondere in der Nähe einer großen Interstate wie der US 85, haben sich als sehr profitabel erwiesen. Der Hogansville-Anschluss ist nur zehn Kilometer westlich gelegen.

»Okay, hier mein Plan«, verkündet Josh den anderen, nachdem sie vor dem Walmart geparkt haben. Kurz vor dem Eingang liegt ein verlassener Tieflader, dessen Fahrerkabine sich um einen Flaggenmast gewickelt hat. Die Ladung, hauptsächlich Bauholz, liegt über dem gesamten, gewaltigen Parkplatz verstreut, der selber mit einem Haufen herrenloser Autos vollgemüllt ist. Der riesige, niedrig gehaltene Supermarkt sieht verlassen aus, aber das muss an sich noch nichts heißen. »Wir schauen uns erst einmal ein wenig auf dem Parkplatz um, fahren ein paarmal im Kreis, checken die Lage ein wenig.«

»Sieht schon verdammt leer aus, Josh«, sagt Lilly und kaut auf der Hinterbank an ihrem Daumennagel. Während der gesamten viertelstündigen Fahrt über staubige Landstraßen hat sie an jedem erdenklichen Fingernagel gekaut, der ihr zur Verfügung stand, bis nichts mehr davon übrig war. Jetzt ist sie an der Nagelhaut angelangt.

»Schwer zu sagen, wenn man nur schauen kann«, meldet sich Bob zu Wort.

»Haltet die Augen offen, egal ob für Zombies oder irgendeine andere Bewegung«, wiederholt Josh, legt einen Gang ein und fährt vorsichtig über das auf dem Boden liegende Bauholz.

Sie drehen gleich zwei Runden um den Parkplatz, passen höllisch auf, insbesondere auf die Schatten der Laderampen und Eingänge. Sämtliche Autos sind leer, einige von ihnen völlig ausgebrannt. Die meisten Glastüren sind kaputt. Ein Teppich von Glasscherben vor dem Vordereingang funkelt in der kalten Nachmittagssonne. Der Laden ist beinahe so dunkel wie unter Tage. Keine Bewegung. Im Vorraum sieht man einige Leichen auf dem Boden liegen. Was auch immer hier vorgegangen ist, ist weder gestern noch vorgestern passiert, sondern liegt bereits ein ganzes Weilchen zurück.

Nach der zweiten Runde hält Josh vor dem Laden an, legt den Leerlauf ein, lässt den Motor an und überprüft die drei Kugeln, die noch im Zylinder seiner .38er stecken. »Okay, ich will den Truck nicht unbewacht hier zurücklassen«, sagt er und wirft Bob einen fragenden Blick zu. »Wie viel Munition hast du noch?«

Bob öffnet mit zitternden Händen den Lauf seiner Schrotflinte. »Eine im Lauf, eine in meiner Tasche.«

»Okay, hier also der Plan …«

»Ich komme mit dir …«, verkündet Lilly.

»Nicht ohne Waffe, niemals. Nicht bis wir wissen, wie es da drinnen aussieht.«

»Ich hole mir eine Schaufel aus dem Camper-Aufsatz«, erwidert sie. Sie wirft einen Blick über die Schulter und sieht Megans Gesicht am Fenster. Sie erinnert an eine Eule. Ihre großen Augen schielen durch die Windschutzscheibe in der Hoffnung, etwas zu erkennen. Lilly sieht Josh an. »Du brauchst so viele Augen im Laden wie nur möglich.«