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»Eins, zwei …«

Josh hält mitten im Zählen inne, und Lilly hört etwas, das überhaupt keinen Sinn macht.

Josh schnappt sich Lilly und drückt sie gegen den Verkaufstresen. Gelähmt vor Unentschlossenheit kauern sie im Schatten und warten. In Lillys Kopf schwirrt nur ein Gedanke umher.

Zombies können nicht reden.

»Hallo?« Die Stimme hallt durch den leeren Walmart. »Ist jemand zu Hause?«

Josh zögert noch eine Weile hinter der Theke, wägt die Alternativen ab. Panik ergreift ihn. Die Stimme klingt freundlich gesinnt … zumindest nicht feindlich … Es ist offensichtlich ein Mann, so tief ist sie. Er hat einen merkwürdigen Akzent.

Josh wirft Lilly einen Blick über die Schulter zu. Sie hält die Axt wie einen Baseballschläger, ist jederzeit bereit, zuzuschlagen. Ihre Lippen beben vor Anspannung. Josh hebt seine riesige Hand – bedeutet ihr, dass er etwas vorhat. Er entsichert gerade die Pistole, als plötzlich eine andere Stimme ertönt und die Sachlage von Grund auf ändert.

»LASST SIE SOFORT FREI, IHR ARSCHLÖCHER!«

Josh springt hinter der Theke hervor, die .38er in der Hand, jederzeit feuerbereit.

Lilly folgt ihm mit der erhobenen Axt.

Eine Gruppe von sechs Männern – alle bis an die Zähne bewaffnet – befindet sich im Eingangsbereich.

»Easy … Immer mit der Ruhe, macht euch locker!« Der Anführer, er steht vor dem Rest der Meute – hält ein Maschinengewehr in der Hand, das er jetzt bedrohlich in die Runde hebt. Er ist vielleicht Ende zwanzig, höchstens Anfang dreißig, groß, mit dunklem Teint und trägt ein Kopftuch, das im Nacken zusammengebunden ist. Die Ärmel seines Flanellhemds sind abgeschnitten und geben den Blick auf seine muskulösen Arme frei.

Zuerst geschieht alles so schnell, dass Josh kaum mitkommt. Er steht wie angewurzelt da und hält die Pistole auf den Bandana-Mann gerichtet.

Bob Stookey prescht auf einmal hinter den Kassen hervor und auf die Eindringlinge zu. Er hält die Desert Eagle generalstabsmäßig in beiden Händen, und seine rot umrandeten Augen sind mit angetrunkenem Mut weit aufgerissen. »LASST SIE GEHEN!« Der Grund seiner Rage steht hinter dem Bandana-Anführer und wird von einem jüngeren Mitglied des Überfallkommandos festgehalten. Megan Lafferty krümmt und windet sich wütend, wehrt sich, so gut sie kann, gegen den jungen schwarzen Mann mit wild starrenden Augen. Der aber lässt nicht locker und presst ihr eine schmutzige Hand auf den Mund, damit sie ihre Kumpels nicht warnen kann.

»BOB – NICHT!« brüllt Josh, und die Autorität in seiner Stimme lässt den alten Mann innehalten. Er kommt am Ende der Kassenlaufbänder zum Stehen, nur fünf Meter von dem Typen entfernt, der Megan festhält. Bob ringt nach Luft, starrt Megan hilflos an. Josh kann die Emotionen förmlich riechen, die in dem alten Mann toben.

»Jetzt schaltet mal alle einen Gang runter«, befiehlt Josh seinen Leuten.

Plötzlich erscheint Scott Moon hinter Bob mit erhobenem Luftgewehr.

»Scott, immer mit der Ruhe, runter mit der Flinte!«

Der Mann mit dem Bandana hält sein AK-47 weiter aufgerichtet. »Jetzt macht euch mal alle locker, macht schon – wir haben keinen Bock auf eine Lose-lose Situation.«

Die Kerle hinter dem Anführer sind allesamt mit schwerkalibrigen Waffen ausgerüstet. Sie scheinen ungefähr so alt wie er zu sein, ein paar sind weiß, die anderen schwarz, einige in Hip-Hop-Klamotten, andere in zerfledderten Tarnanzügen und Daunenjacken. Sie machen einen ausgeruhten Eindruck, sind wohlgenährt und ziemlich wahrscheinlich auf Drogen. Aber was Josh am meisten interessiert, ist, dass sie den Anschein machen, als ob sie am liebsten einfach abdrücken würden.

»Wir sind cool«, meint Josh, aber er ist sich sicher, dass sein Ton, sein Gesichtsausdruck und die Tatsache, dass auch er seine Waffe nicht gesenkt hat, dem Bandana-Mann genau das Gegenteil vermitteln. »Oder, Bob? Sind wir etwa nicht cool?«

Bob murmelt etwas Unverständliches. Er hat die Desert Eagle noch immer gehoben und aufs Ziel gerichtet. Die beiden Gruppen stehen einander gegenüber, sämtliche Waffen zeigen auf diverse lebenswichtige Organe und Körperteile. Josh schätzt seine Chance schlecht ein. Von Waffengleichheit kann keine Rede sein. Die Eindringlinge sind in der Lage, es mit einer kleinen Garnison aufnehmen. Andererseits hat Joshs Seite drei Waffen gleichzeitig auf den Anführer der Bande gerichtet, dessen Tod die Dynamik der Gruppe wohl ziemlich durcheinanderbringen würde.

»Lass das Mädchen gehen, Haynes«, befiehlt der Bandana-Mann seinem Untergebenen.

»Aber was ist mit …«

»Ich habe gesagt, du sollst sie gehen lassen!«

Der junge Mann mit den wilden Augen schubst Megan von sich in den Walmart, und Megan stolpert, geht beinahe zu Boden, fängt sich aber wieder und strauchelt dann zu Bob. »Was für eine Bande von Arschlöchern!«, murrt sie.

»Alles klar mit dir, Süße?«, fragt Bob und legt einen Arm um sie, ohne die Augen oder den Lauf seiner Waffe von den Eindringlingen zu nehmen.

»Die Säcke haben sich angeschlichen«, erzählt sie, reibt sich die Handgelenke und starrt die Männer wütend an.

Der Bandana-Mann senkt seine Waffe und wendet sich an Josh. »Pass auf, heutzutage darf man keine Risiken mehr eingehen. Wir haben keine Ahnung gehabt, was hier auf uns wartet … Wir gehen nur auf Nummer sicher.«

Josh ist nicht überzeugt, hält die Waffe noch immer auf die Brust des Mannes gerichtet. »Und was hat das damit zu tun, dass ihr euch das Mädchen aus dem Truck geschnappt habt?«

»Wie schon gesagt … Wir wussten nicht, mit wem wir es zu tun haben oder wen sie warnen würde … Woher auch?«

»Ist das euer Laden?«

»Nein … Was meinst du damit? Nein.«

Josh schenkt ihm ein kaltes Lächeln. »Dann mache ich dir einen Vorschlag … Ich habe eine Idee, wie wir mit der Situation hier umgehen.«

»Schieß los.«

»Es gibt genügend Zeug für alle … Warum lasst ihr uns nicht einfach gehen, und ihr könnt den Rest haben?«

Der Bandana-Mann dreht sich zu seiner Truppe um. »Runter mit den Waffen, Jungs. Los.«

Beinahe widerwillig gehorchen sie ihm.

Dann wendet sich der Bandana-Mann wieder Josh zu. »Ich bin Martinez … Tut mir leid, aber wir haben wohl einen schlechten Start gehabt.«

»Ich bin Hamilton. Nett, euch kennenzulernen, und es würde mich freuen, wenn ihr uns jetzt hier rauslasst.«

»No problema, mi amigo … Aber darf ich noch einen Vorschlag machen, ehe wir getrennte Wege gehen?«

»Ich höre.«

»Erstens: Könnt ihr endlich aufhören, eure Waffen auf uns zu richten?«

Josh lässt Martinez nicht aus den Augen, senkt aber seinen Revolver. »Scott, Bob … Nun macht schon … Alles ist cool.«

Scott wirft seine Flinte über die Schulter und lehnt sich gegen eine Kasse. Bob steckt seine Desert Eagle widerwillig in den Gürtel, den Arm noch immer um Megan gelegt.

Lilly senkt die Axt und lehnt sie gegen den Apothekentresen.

»Vielen Dank, wirklich sehr nett.« Martinez holt tief Luft und stöhnt auf. »Ich überlege nur laut. Aber ihr scheint eine recht vernünftige Truppe zu sein. Und natürlich dürft ihr die ganzen Sachen hier rauskarren. Aber die Frage stellt sich für mich: wohin damit?«

»Eigentlich nirgendwohin«, antwortet Josh. »Nirgendwohin außer in den Truck.«

»Soll das heißen, dass ihr ständig auf der Straße seid?«

»Na und?«

Martinez zuckt mit den Schultern. »Pass auf, ich weiß, dass du keinen Grund hast, mir zu vertrauen, aber es ist, wie es ist … Leute wie wir, wir können voneinander profitieren, eine Art Win-win-Situation. Verstehst du, was ich meine?«

»Um ehrlich zu sein – nein. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, was du damit sagen willst.«

Martinez seufzt. »Okay, ich lege unsere Karten auf den Tisch. Unsere Wege könnten sich hier und jetzt trennen, ohne dass einer den anderen hintergeht. Verabschiedung mit Tränen und so weiter … Alles easy.«