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»Hört sich gut an«, unterbricht Josh ihn.

»Aber wir haben einen besseren Vorschlag«, fährt der Mann fort.

»Und der lautet?«

»Ein sicherer Ort, nicht weit weg von hier. Leute wie du und ich, die versuchen, in dieser Scheiße zu überleben.«

»Mach weiter.«

»Ich will damit sagen, dass das Weglaufen ein Ende haben kann. Wir haben einen Teil einer Stadt sichergestellt. Es ist zwar nicht viel … aber immerhin. Sicher, weil wir eine Mauer gebaut haben. Es gibt ein Feld, um Lebensmittel anzubauen. Dazu Generatoren, Wärme – und genug Platz, um fünf Leute mehr unterzubringen.«

Josh antwortet nicht. Er wirft Lilly einen Blick zu, wird aber aus ihrem Gesicht nicht schlau. Sie sieht fertig, verwirrt und verängstigt aus. Dann mustert er die anderen. Er sieht, wie Bob überlegt, alles abwägt. Scott blickt zu Boden, und Megan starrt die Eindringlinge unheilvoll an.

»Überlegt ruhig«, fährt Martinez fort. »Wir könnten uns alles teilen, was hier ist, und unsere getrennten Wege gehen oder zusammenarbeiten. Wir brauchen kräftige Männer. Wenn ich euch ausrauben, euch fertigmachen, zerstören wollte … Was könnte mich schon daran hindern? Ich habe keinen Anlass, Stress zu machen. Kommt mit uns, Hamilton. Was meinst du? Auf der Straße wartet nur Stress, mehr Stress und nie enden wollender Stress – und der Winter … Was sagt du?«

Josh starrt Martinez lange an, ehe er endlich antwortet: »Wir müssen uns beraten.«

Josh und Lilly gehen zu den anderen bei den Kassen.

»Dude, das soll wohl ein Witz sein«, fährt Megan Josh flüsternd an. Die anderen drängen sich in einem Halbkreis um den großen Mann. »Du hast doch nicht wirklich vor, dich mit diesen Arschlöchern einzulassen?«

Josh fährt sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich weiß nicht … Je näher ich sie unter die Lupe nehme, desto mehr glaube ich, dass sie genauso viel Angst haben wie wir.«

»Vielleicht könnten wir uns alles mal anschauen, sehen, wie es da zugeht?«, schlägt Lilly vor.

Bob blickt Josh fragend an. »Im Gegensatz zu der Zeltstadt mit dem Haufen von Hitzköpfen? Wie viel schlimmer könnte das hier werden?«

Megan seufzt. »Liegt es an mir, oder habt ihr euren Scheißverstand verloren?«

»Megan, ich weiß nicht«, wirft Scott ein. »Ich denke mir: Was haben wir zu verlieren?«

»Halt den Mund, Scott.«

»Okay, passt auf«, ergreift Josh das Wort, hält eine Hand in die Höhe und bringt somit alle zum Schweigen. »Es kann nicht schaden, ihnen zu folgen und die Lage zu sondieren. Die Waffen geben wir nicht ab, halten die Augen stets offen und entscheiden uns erst, wenn wir wissen, womit wir es zu tun haben.« Dann wirft er Bob und Lilly einen fragenden Blick zu. »Cool?«

Lilly holt tief Luft und nickt ihm schließlich zu. »Yeah, cool.«

»Na super«, murmelt Megan und folgt den anderen zurück zum Eingang.

Es dauert eine weitere Stunde der gemeinsamen Bemühungen der beiden Gruppen, um den Rest des Ladens nach all den schweren Gerätschaften abzusuchen, die in der Stadt benötigt werden. Sie plündern die Garten- und Heimwerkerabteilungen, nehmen Bauholz, Dünger, Pflanzenerde, Samen, Hämmer und Nägel mit. Lilly verspürt eine gewisse Nervosität zwischen den beiden Trupps. Sie behält Martinez stets im Auge und bemerkt eine unausgesprochene Hierarchie in der zusammengewürfelten Truppe. Martinez ist definitiv der Obermacker und gebietet über die anderen durch einfache Gesten oder ein Nicken hier und da.

Als sie Bobs Truck und die beiden Fahrzeuge der ummauerten Stadt – einen Kasten- und einen Pritschenwagen – bis zum Anschlag vollgeladen haben, geht bereits die Sonne unter. Martinez setzt sich hinter das Steuer vom Kastenwagen und weist Bob an, dem Pritschenwagen zu folgen … Und schon macht sich der Konvoi auf in Richtung Stadt.

Sie bahnen sich den Weg aus dem verstaubten Walmart-Parkplatz und fahren die Auffahrt zum Highway entlang. Lilly sitzt auf der Rückbank und starrt durch die dreckige Windschutzscheibe, während Bob sein Bestes tut, mit der Dreckschleuder von Pritschenwagen mitzuhalten. Sie passieren ein Gewirr von Autowracks, gesäumt von tiefem Wald auf beiden Seiten des Feldwegs. Die Schatten werden immer länger. Der Nordwind fegt über die Landschaft und bringt feinen Schneeregen mit sich.

In der stahlgrauen Dämmerung kann Lilly kaum das erste Fahrzeug ausmachen, das nur wenige Autolängen vor ihnen den Konvoi anführt. Plötzlich aber erhascht sie einen Blick von Martinez im Seitenspiegel. Er hat das Fenster offen, sein tätowierter Arm hängt heraus, während er das Auto mit der anderen Hand steuert.

Vielleicht hat Lilly es sich ja nur vorgestellt, aber sie glaubt gesehen zu haben, wie er sich zu seinen Kameraden lehnt, ihnen etwas erzählt – etwas, das nicht für alle Ohren gedacht ist – und mit frenetischem Lachen belohnt wird.

Die Männer scheinen beinahe hysterisch.

TEIL 2

So endet die Welt

Was Menschen Übles tun, das überlebt sie.

Das Gute wird mit ihnen oft begraben.

William Shakespeare (»Julius Cäsar«)

Acht

Der Konvoi hält zweimal auf dem Weg zur ummauerten Stadt an – zuerst an der Kreuzung der Highways 18 und 109, wo eine bewaffnete Wache sich kurz mit Martinez unterhält, ehe sie ihn durchwinkt. Ein Haufen menschlicher Überreste liegt in einem Graben. Der behelfsmäßige Scheiterhaufen raucht noch. Das zweite Mal werden sie von einer Straßensperre bei einem Stadtschild aufgehalten. Mittlerweile hat sich der Schneeregen zu nassem Schnee verdichtet, den der Wind fast horizontal über den Schotter fegt – ein sehr seltenes Phänomen in Georgia Anfang Dezember.

»Sieht ganz so aus, als ob die Waffen im Überfluss haben«, meint Josh vom Beifahrersitz aus, während sie darauf warten, dass Martinez, der vier Autolängen vor Bobs Truck steht, und die beiden Männer in olivfarbenen Tarnanzügen und M1-Maschinengewehren endlich fertig geredet haben. Ihre Gesichter sind in Schatten getaucht. Der Schneeregen fällt, und die Scheibenwischer von Bobs Truck wischen in einem dumpfen Rhythmus vor sich hin. Lilly und Bob schweigen während des Wortaustauschs, aber man merkt ihnen ihre Nervosität an.

Mittlerweile ist die Dunkelheit hereingebrochen, und das Fehlen des Stromnetzes wie auch das schlechte Wetter verleihen der Stadt etwas Mittelalterliches. Hier und da sieht man Feuer in alten Öltonnen, und Anzeichen eines vor Kurzem stattgefundenen Scharmützels verunstalten die bewaldeten Täler und Kiefernwälder, welche die ummauerte Stadt umgeben. In der Ferne lassen die versengten Dächer, mit Einschusslöchern übersäte Wohnwagen und kaputte Stromleitungen auf eine ganze Reihe scharf ausgetragener Konflikte schließen.

Josh bemerkt, wie Lilly ein mit Rost übersätes grünes Schild unter die Lupe nimmt. Es steckt in der weißen, sandigen Erde, und im Scheinwerferlicht kann man folgende Aufschrift lesen:

WILLKOMMEN IN

WOODBURY

BEVÖLKERUNG 1.102

Tja, diese Zahl dürfte inzwischen nicht einmal mehr annähernd richtig sein, überlegt Lilly. Sie wendet sich an Josh und meint: »Und? Welches Gefühl hast du bei dem Ganzen?«

»Ich weiß noch nicht genau, es sieht aber so aus, als ob wir gleich neue Befehle kriegen werden«, erwidert Josh, als Martinez aussteigt.

Durch den Schnee sehen sie, wie er sich von seinem Kaffeeklatsch abwendet, den Kragen hochschlägt und auf sie zugeht. Er kommt ziel- und selbstbewusst daher, trägt aber noch immer sein 1000-Dollar-Lächeln in dem dunklen, markanten Gesicht. Er schlägt den Kragen erneut auf, als er sich zu Josh ans Fenster lehnt.