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Josh lässt es runter. »Und? Wie sieht es aus?«

Martinez lächelt. »Wir brauchen vorerst eure Waffen.«

Josh starrt ihn an. »Tut mir leid, aber das geht unter gar keinen Umständen.«

Das gesellige Lächeln verschwindet nicht. »Spielregeln der Stadt … Du weißt doch, wie so etwas läuft.«

Josh schüttelt langsam den Kopf. »Nie und nimmer.«

Martinez schürzt die Lippen nachdenklich, ehe das Lächeln wieder in Erscheinung tritt. »Hm, kann nicht behaupten, dass ich es euch übel nehme. Einfach so in etwas hineinstolpern. Aber ich mache euch einen Vorschlag. Könnt ihr zumindest das Luftgewehr im Truck lassen?«

Josh stöhnt erleichtert auf. »Hm, das kriegen wir noch hin.«

»Und könnt ihr eure Waffen zumindest irgendwie verstecken? So dass man sie nicht gleich sieht?«

»Geht auch in Ordnung.«

»Okay … Wenn ihr eine kleine Tour haben wollt, könnte ich bei euch mitfahren. Habt ihr noch Platz für mich?«

Josh dreht sich um und nickt Bob zu. Mit einem Achselzucken schnallt der alte Mann sich ab, steigt aus und zwängt sich dann auf die Rückbank neben Lilly.

Josh steigt auf den Fahrersitz, und Martinez nimmt neben ihm Platz. Er riecht nach Rauch und Maschinenöl. »Immer schön langsam, Kumpel«, mahnt er, wischt sich den geschmolzenen Schnee von der Stirn und deutet auf den Pritschenwagen vor ihnen. »Fahr einfach dem da hinterher.«

Josh gibt ein wenig Gas, und sie folgen dem Pritschenwagen durch die Straßensperre. Sie poltern über eine Reihe von Bahnübergängen und dringen von Südosten her in die Stadt ein. Lilly und Bob schweigen auf der Hinterbank, während Josh sich umblickt. Zu seiner Rechten steht PIGGLY IGGLY auf einem zerbeulten Schild vor einem Parkplatz, der mit Leichen und Glasscherben übersät ist. Der Lebensmittelladen ist auf einer Seite eingestürzt, als ob Dynamit ein Loch hineingeschlagen hätte. Entlang der Straße ist hoher Maschendrahtzaun gespannt, der aber bereits ausgebeult und voller Löcher ist. Sie fahren den Woodbury Highway oder die Main Street hinunter – die Schilder behaupten sowohl das eine als auch das andere –, an deren Seiten überall entsetzliche Brocken menschlicher Überreste sowie verbogene und versengte Metallstäbe und -gitter herumliegen. Die weiße, sandige Erde glüht beinahe in der schneebedeckten Dunkelheit – ein unheimlicher Anblick, der an ein Kriegsgebiet in der Wüste erinnert.

»Wir hatten eine recht große Auseinandersetzung mit einem Schwarm Beißer.« Martinez steckt sich eine Viceroy an und kurbelt das Fenster etwas runter. Der Rauch schlängelt durch den Spalt in das Schneegestöber und löst sich beinahe geisterhaft in Luft auf. »Die Sache war kurz davor, außer Kontrolle zu geraten, aber wir können von Glück sagen, dass die Vernunft gesiegt hat. Wir müssen gleich scharf nach links abbiegen.«

Josh folgt dem Pritschenwagen um eine Haarnadelkurve, um dann auf einer schmaleren Straße weiterzufahren.

In mittlerer Entfernung, hinter einem Schleier von Schneegestöber, taucht das Zentrum Woodburys auf. Vier quadratische Häuserblocks aus Ziegel, wohl aus der Jahrhundertwende, und Stromleitungen, die über eine Kreuzung gespannt sind. Daneben eine Ansammlung von Läden, Holz- und Mietshäusern. Alles ist mit Maschendrahtzaun umsäumt und von erst kürzlich verlassenen Baustellen umgeben. Josh erinnert sich an die Zeiten, als man solche Gemeinden noch kleine Nester oder Käffer genannt hat.

Woodbury ist ungefähr ein halbes Dutzend Häuserblocks breit und genauso lang. Größere öffentliche Bereiche sind in die Wälder im Westen und Norden geschlagen. Aus einigen Schornsteinen steigen Schwaden von schwarzem Rauch auf, entweder die Abgase von Generatoren, Holzöfen oder offenen Feuerstellen. Die meisten Straßenlampen gehen nicht, nur einige wenige sind funktionstüchtig und werden offensichtlich mit Notstrom gespeist.

Als der Konvoi sich dem Zentrum nähert, bemerkt Josh einen Truck, der an einer der Baustellen anhält. »Sind schon seit Monaten am Bauen der Barrikaden«, erklärt Martinez. »Haben beinahe vier Häuserblocks umringt, wollen das aber noch ausbauen, die Mauer weiter und weiter nach außen verschieben.«

»Keine schlechte Idee«, murmelt Josh kaum hörbar, während er den riesigen Wall aus hölzernen Planken, Überresten von Blockhütten, Hausverkleidungen und Kanthölzern sieht. Er ist mindestens vier Meter hoch und verläuft entlang der Jones Mill Road. An Teilen der Barrikade sind noch immer Spuren der Zombie-Attacken zu sehen, und selbst im Schneegestöber und der Dunkelheit sind die Kratzer, notdürftig gestopfte Löcher und pechschwarze Blutflecken unverkennbar.

Das Örtchen vibriert förmlich vor latenter Gewalt. Als ob der Wilde Westen lebt.

Josh hält an, als sich die Türen des Pritschenwagens öffnen und ein junger Gehilfe herausspringt. Er eilt zu dem Zaun, der über die Straße verläuft, zerrt an einem Tor, das gerade breit genug ist für die beiden Trucks, öffnet es, und der Pritschenwagen holpert hindurch, mit Josh im Schlepptau.

»Haben so gut an die fünfzig Leute hier«, fährt Martinez fort und zieht genüsslich an seiner Viceroy, um den Rauch dann aus dem Spalt im Fenster zu blasen. »Da drüben rechts, das ist unser Lebensmittelladen. Da sind sämtliche Essens- und Wasservorräte verstaut. Arzneimittel auch.«

Als sie vorbeifahren, sieht Josh ein altes, verblichenes Schild – DEFOREST’S FEED AND SEED. Die Ladenfront ist mit einem Stahlgitter und hölzernen Planken versehen. Davor stehen zwei bewaffnete Wächter und rauchen Zigaretten. Hinter ihnen wird das Tor wieder verriegelt, und sie rollen langsam weiter in die sichere Zone. Manche Bewohner stehen herum und schauen zu, wie sie an ihnen vorbeifahren – Leute, die in Gruppen auf Bürgersteigen oder Eingangsbereichen stehen. Man kann ihnen die Bedrückung in ihren Augen und Mienen ablesen, auch wenn sie hinter dicken Schals und Mützen verschanzt sind. Aber keiner von ihnen scheint erfreut, die neuen Gesichter zu sehen.

»Haben einen Arzt an Bord, eine funktionierende Praxis und so weiter und so fort.« Martinez schmeißt den fertig gerauchten Zigarettenstummel aus dem Fenster. »Wir hoffen, den Wall bis Ende der Woche um einen weiteren Block nach hinten zu verschieben.«

»Gar nicht so schlecht organisiert«, meldet sich Bob von der Rückbank. Seine wässrigen Augen nehmen alles in sich auf. »Aber wenn ich mal fragen darf, was zum Teufel soll das denn da sein?«

Josh folgt seinem ausgestreckten Zeigefinger und sieht das Dach eines riesigen Gebäudes hinter der ummauerten sicheren Zone. In der diffusen Dunkelheit sieht es aus, als ob ein UFO inmitten eines Feldes außerhalb der Stadt gelandet sei. Es ist umsäumt von einem Feldweg, und dunkle Lichter funkeln durch den Schnee über dem runden Dach.

»Das war mal eine Rennstrecke.« Martinez grinst breit. Im grünen Schimmern des Armaturenbretts scheint sein Lächeln beinahe wölfisch, gar teuflisch. »Landpomeranzen mögen halt ihre Motoren.«

»Wie, ›war einmal‹?«, hakt Josh nach.

»Der Boss hat letzte Woche ein Machtwort gesprochen. Keine Rennen mehr, zu viel Lärm. Zieht die Beißer an.«

»Es gibt hier einen Boss?«

Das Grinsen auf Martinez’ Gesicht verändert sich. »Mach dir keine Sorgen, Kumpel. Du wirst ihn schon früh genug kennenlernen.«

Josh wirft Lilly einen Blick zu, die damit beschäftigt ist, wie wild an den Fingerkuppen zu kauen. »Nicht sicher, ob wir lange genug hier bleiben.«

»Das liegt natürlich an euch.« Martinez zuckt unverbindlich mit den Schultern und zieht sich dann fingerlose, lederne Handschuhe an. »Ihr dürft aber auch nicht die Vorteile für beide Seiten vergessen, von denen wir schon geredet haben.«

»Keine Angst, werde ich nicht.«

»Wir haben derzeit keine freien Wohnungen mehr, aber ihr werdet trotzdem irgendwo unterkommen.«

»Gut zu wissen.«

»Sobald wir die Mauer weiter ausgebaut haben, wird es Tausende von Wohnungen geben.«