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Die drei Kauze glucksen vor sich hin, als ob es das Lustigste wäre, das seit Jahren passiert ist.

Josh lächelt zurück und wartet, bis sie sich wieder beruhigen. »Das hier ist das Lebensmittellager, oder?«

»Könnte man so nennen.« Mehr Schmunzeln. »Behalte deine Frau im Auge.«

»Danke, das werde ich«, erwidert Josh und nimmt Lillys Hand. Sie klettern die Stufen und gehen hinein.

Der lange, schmale Laden erstreckt sich vor ihnen und ist in ein düsteres, undurchdringliches Licht getaucht. Er riecht nach Terpentin und Schimmel. Die Regale sind herausgerissen und mit Schachteln, Boxen und Kisten voll Trockengut, Kurzwaren, Toilettenpapier, großen Flaschen mit Trinkwasser, Bettwäsche und sonstigen, nicht identifizierbaren Sachen ersetzt, die bis zur Decke aufgestapelt sind. Die einzige Kundin, eine ältere Frau, dick in Jacken und Schalen eingepackt, sieht Josh, drängt sich rasch an ihm vorbei und eilt dann aus der Tür ins Freie. Sie vermeidet jeglichen Augenkontakt. Die kühle Luft und die künstliche Wärme des Heizofens knistern förmlich vor Anspannung.

In der hinteren Ecke des Ladens, zwischen Säcken voller Samengut, das bis zu den Dachsparren gestapelt ist, gibt es einen behelfsmäßigen Tresen. Ein Mann in einem Rollstuhl sitzt dahinter, flankiert von zwei bewaffneten Männern.

Josh geht zu ihm. »Und? Wie läuft es denn so heute Morgen?«

Der Mann im Rollstuhl mustert ihn mit halb geöffneten Augen. »Ach du grüne Neune, das ist aber ein Riese«, entfährt es ihm, und sein langer, strähniger Bart wackelt mit jedem Wort. Er trägt eine ausgebleichte Armee-Latzhose, ein Haarband hält seinen fettigen Pferdeschwanz zusammen. Sein Gesicht ist Zeuge jahrelanger Missachtung jeglicher gesundheitlicher Ratschläge – angefangen mit den rot umrandeten, wässrigen Augen bis hin zu seinem pickligen, vereiterten Zinken.

Josh ignoriert ihn. »Wollte nur wissen, ob man hier etwas Frisches zu essen kriegen kann. Oder vielleicht ein paar Eier? Wir haben auch etwas zu tauschen.«

Der Mann im Rollstuhl starrt ihn an. Josh spürt die argwöhnischen Blicke der Wachen. Die bewaffneten Posten hinter ihm sind schwarz, jung und in Gang-Farben gekleidet. »Und an was hättest du gedacht?«, will er von Josh wissen.

»Die Sache ist die … Wir haben gerade eine ganze Menge Sachen vom Walmart zusammen mit Martinez mitgehen lassen. Und da habe ich mir gedacht, dass wir vielleicht zusammenkommen könnten.«

»Das ist zwischen dir und Martinez, aber was springt für mich dabei heraus?«

Josh will schon antworten, merkt aber, dass alle drei Männer jetzt Lilly anstarren, und die Art, wie sie es tun, lässt ihn aufhorchen.

»Was kriege ich hierfür?«, fragt er endlich, streckt den Arm aus und macht sich an seinem Uhrenarmband zu schaffen. Er nimmt es ab und legt die Uhr auf die Theke. Es ist zwar keine Rolex, aber auch keine billige Timex. Der Chronograf hat ihn vor zehn Jahren dreihundert Dollar gekostet – damals, als er noch gutes Geld verdient hat.

Der Mann im Rollstuhl schielt an seiner gewaltigen Nase vorbei auf die funkelnde Uhr vor sich. »Was zum Teufel soll das denn sein?«

»Eine Movado. Ist locker fünfhundert wert.«

»Hier nicht.«

»Habt Mitleid mit uns. Wir ernähren uns seit Wochen aus Dosen.«

Der Mann nimmt sie in die Hand, mustert sie mit mürrischer Miene, als ob sie ein stinkendes, faules Stück Fleisch wäre. »Ich gebe dir Reis, Bohnen, Bacon und Eier im Wert von fünfzig Dollar für das Teil.«

»Was? Nur fünfzig Dollar?«

»Habe auch weiße Pfirsiche im Lager. Sind gerade reingekommen. Davon kannst du auch noch welche haben. Aber mehr geht nicht.«

»Ich weiß nicht.« Josh wirft Lilly einen Blick zu, die ihn erwidert und mit den Achseln zuckt. Dann wendet er sich wieder dem Mann im Rollstuhl zu. »Ich weiß nicht …«

»Das reicht für euch beide – und zwar eine ganze Woche.«

Josh seufzt. »Das ist eine Movado, verdammt noch mal. Allerfeinste Handwerkskunst.«

»Hey, ich will mich nicht mit dir streiten …«

Plötzlich ertönt ein Bariton hinter den Wachen und unterbricht den Mann im Rollstuhl jäh. »Gibt es etwa ein verdammtes Problem?«

Alle Augen richten sich jetzt auf die Gestalt, die aus der hinteren Ecke des Lagers kommt und sich die Hände an einem blutigen Handtuch abwischt. Der große, hagere Mann mit verwitterter Haut trägt eine völlig verdreckte Metzgerschürze, deren Material vor getrocknetem Blut und Knochenmark von ganz allein aufrecht stehen könnte. Sein markantes, sonnengebräuntes Gesicht wird von seinen eiskalten blauen Augen untermalt. Er starrt Josh finster an. »Problem, Davy?«

»Alles unter Kontrolle, Sam«, erwidert der Mann im Rollstuhl, ohne die Augen von Lilly zu nehmen. »Diese Leute hier sind nicht zufrieden mit meinem Angebot und wollten gerade gehen.«

»Einen Augenblick noch.« Josh hebt zerknirscht die Hand. »Es tut mir leid, wenn ich Sie verärgert habe, habe aber nie behauptet, dass ich nicht …«

»Die Angebote sind nicht verhandelbar«, verkündet Sam der Metzger, wirft das vor Dreck stehende Handtuch auf den Tresen und starrt Josh an. »Es sei denn …« Er scheint es sich anders zu überlegen. »Ach, vergiss es.«

Josh sieht ihn fragend an. »Es sei denn?«

Der Mann in der Schürze lässt den Blick in die Runde wandern und schürzt dann nachdenklich die Lippen. »Hm … Die meisten Leute hier bezahlen ihre Schulden, indem sie bei der Mauer mithelfen, Zäune flicken, Sandsäcke stapeln und so weiter. Und da hast du mit deinen Muskeln keine schlechten Karten.« Dann konzentriert er sich auf Lilly. »Es gibt natürlich allerlei Dienstleistungen, manche flicken, andere ficken.« Er grinst. »Insbesondere solche der weiblichen Art.«

Jetzt erst merkt Lilly, dass die Männer hinter dem Tresen sie anglotzen und ihr lüstern zugrinsen. Zuerst kann sie es kaum fassen und steht einfach ungläubig da. Dann spürt sie, wie ihr das Blut in den Kopf schießt. Ihr wird schwindlig. Sie will um sich treten oder einfach nur raus aus diesem modrig riechenden Laden, alles in ihrem Weg zu Boden reißen und ihnen sagen, dass sie sich selber ficken können. Aber die Angst, diese den Hals zuschnürende Angst – ihre alte Nemesis – lässt sie erstarren. Ihre Füße sind wie an den Boden genagelt. Sie kann nicht verstehen, was mit ihr los ist. Wie hat sie es geschafft, so lange zu überleben, ohne verschlungen zu werden? Sie hat so viel durchgemacht, so viel erlebt, und jetzt kann sie sich nicht einmal gegen ein paar sexistische Arschlöcher wehren?

»Passt auf … Wisst ihr was? All das ist nicht nötig«, hört sie Josh sagen.

Lilly blickt ihn an und sieht, wie sein riesiger Kiefer vor Nervosität zu zucken beginnt. Sie fragt sich, was er wohl damit meint – dass Lilly keine Sexdienste leisten muss, oder dass diese Gangster keine rohen, chauvinistischen Bemerkungen ihr gegenüber machen sollen. Auf einmal ist es ganz still im Laden. Sam der Metzger wendet sich Josh zu.

»Überleg es dir gut, Hüne.« Ein Funke der Verachtung glüht in den Augen des Metzgers. Er wischt sich die schmierigen Hände an seiner Schürze. »Die kleine Lady hat einen Körper an sich, von dem du dich monatelang mit Steak und Eiern ernähren könntest.«

Der Rest der Männer fängt laut zu lachen an, aber der Metzger verzieht kaum seine grimmige Miene. Sein teilnahmsloses Starren ist mit der Intensität eines Schweißers auf Josh gerichtet. Lilly spürt, wie ihr Herz zu rasen beginnt.

Sie legt eine Hand auf Joshs Arm, und sie spürt, wie jeder seiner Muskeln unter der Holzfällerjacke bis aufs Äußerste gespannt ist. »Los, Josh«, haucht sie ihm zu. »Ist schon gut. Nimm deine Uhr, und wir verschwinden von hier.«

Josh lächelt die Kerle an. »Steak und Eier. Der ist nicht schlecht. Aber hört zu, ihr könnt die Uhr behalten. Wir nehmen das Angebot an.«

»Los, holt ihr Essen«, befiehlt der Metzger, ohne die Augen von Josh zu nehmen.