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Die beiden Wachen verschwinden für einen Moment im Lager und sammeln alles zusammen. Kurz darauf erscheinen sie mit einer hölzernen Kiste voller fettiger, brauner Papiertüten. »Vielen Dank«, sagt Josh und übernimmt die Kiste. »Dann gehen wir mal wieder. Schönen Tag noch.«

Josh führt Lilly zur Tür, aber sie kann jeden einzelnen Blick der Männer spüren, die jedes Wippen ihres Hinterteils auf dem Weg nach draußen genauestens verfolgen.

Am Nachmittag lockt ein Tumult auf einem der unbebauten Grundstücke die Aufmerksamkeit der Bewohner auf sich.

Außerhalb der sicheren Zone, hinter einem Wäldchen, ertönt eine Reihe ekelerregender Schreie. Auch Josh und Lilly kriegen es mit und rennen den Zaun entlang zum Rand der Bauarbeiten, um zu sehen, was dort vorgeht.

Als sie einen kleinen Schotterhügel erklimmen und in die Ferne schauen, dringen drei Schüsse an ihre Ohren. Sie stammen aus der Richtung hinter dem Wäldchen in circa hundertfünfzig Metern Entfernung.

Sie gehen in Deckung. Die Sonne ist bereits kurz vorm Untergehen. Der Wind weht ihnen ins Gesicht, während sie in die Ferne stieren und fünf Männer in der Nähe eines Lochs im Zaun sehen. Einer der Männer – Blake, der selbst ernannte »Governor« – trägt einen langen Mantel und hält eine Waffe in der Hand. Sie können die Anspannung bis zu ihrem Versteck spüren.

Auf dem Boden vor Blake, in den Maschen und Drähten des kaputten Zauns verheddert, liegt ein Teenager. Das Blut sprießt aus seinen Bisswunden. Er kratzt den Boden mit seinen Fingern auf, versucht verzweifelt, sich zu befreien, endlich wieder nach Hause zu gelangen.

Im Schatten des Waldes, direkt hinter ihm, sind drei tote Zombies auf einen Haufen gestapelt, die Köpfe von Kugeln durchlöchert. Lilly sieht das erst kürzlich Geschehene plötzlich vor ihrem inneren Auge:

Der Junge ist wohl allein in den Wald gegangen, wollte ihn erkunden und ist angegriffen worden. Jetzt, schlimm verletzt und infiziert, versucht er, wieder in Sicherheit zu gelangen, zuckt vor Schmerzen und Entsetzen zusammen, während Blake ohne jegliche Emotionen über ihm steht und ihn mit den teilnahmslosen Augen eines Bestatters anblickt.

Lilly zuckt, als der Schuss von Philip Blakes 9-mm bis an ihre Ohren vordringt. Der Schädel des Jungen explodiert, und der Körper sackt leblos zu Boden.

»Ich mag das hier nicht, Josh. Überhaupt nicht.« Lilly sitzt auf der hinteren Stoßstange von Bobs Truck und nippt an einem lauwarmen Kaffee in einem Pappbecher.

Die Dunkelheit ist hereingebrochen, legt sich über ihren zweiten Abend in Woodbury. Die Stadt hat Megan, Scott und Bob bereits in sich aufgesogen, wie ein komplexer Organismus, der sich von Furcht und Verdacht ernährt und ständig neue Lebensformen akquiriert. Man hat den Neuankömmlingen eine Wohnung angeboten – ein Studio-Apartment über einem mit Brettern verschlagenen Laden an einem Ende der Hauptstraße. Es ist zwar ein gutes Stück von der sicheren Zone entfernt, aber hoch genug, dass sie zumindest vor Zombies sicher sind. Megan und Scott haben bereits die meisten ihrer Sachen hochgeschleppt und ihre Schlafsäcke gegen ein bisschen Gras eingetauscht.

Bob ist indessen über eine Kneipe innerhalb der sicheren Zone gestolpert und hat die Hälfte seiner Walmart-Rationen gegen ein paar Schnäpse und etwas besoffener Gesellschaft verhökert.

»Ich bin auch nicht gerade entzückt, Kleine«, stimmt Josh zu, während er hinter dem Camper-Aufsatz auf und ab geht. Sein Atem ist in der kalten Winterluft sichtbar. Seine Hände sind von dem Bacon ganz fettig, den er zum Abendessen auf dem Camping-Kocher zubereitet hat. Er wischt sie an seiner Holzfällerjacke sauber. Die beiden haben sich den ganzen Tag lang nicht weit vom Truck entfernt und versucht, die Vor- und Nachteile von Woodbury abzuwägen. »Sieht aber nicht so aus, als ob wir gerade viele Optionen oder Alternativen offen haben. Hier ist es immer noch besser als auf der Straße.«

»Glaubst du?« Lilly zittert vor Kälte und schlägt sich den Kragen ihrer Daunenjacke auf. »Bist du dir da sicher?«

»Zumindest befinden wir uns hier in Sicherheit.«

»Sicher? Wovor? Ich mache mir weniger Sorgen um die Zombies als …«

»Ich weiß, ich weiß.« Josh zündet sich einen Zigarrenstumpen an und zieht einige Male daran. »Die sind alle ganz schön aufgedreht hier. Und das ist das Gleiche überall, ganz egal, wohin wir gehen.«

»Verdammt.« Lilly beginnt erneut zu zittern und nimmt einen weiteren Schluck Kaffee. »Wo zum Teufel treibt Bob sich eigentlich rum?«

»Dreimal darfst du raten – hängt mit seinen Saufkumpanen in der Kneipe ab.«

»Hätte ich mir denken können.«

Josh geht rüber zu ihr und legt ihr eine Hand auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Lil. Wir ruhen uns jetzt erst einmal vernünftig aus, legen Vorräte an … Ich werde dafür arbeiten … und Ende nächster Woche verschwinden wir von hier.« Er wirft seinen Zigarrenstumpen fort und setzt sich neben sie. »Ich werde schon darauf achten, dass dir nichts passiert.«

Sie blickt ihn flehend an. »Versprochen?«

»Versprochen.« Er küsst sie auf die Wange. »Ich werde dich beschützen, mein Kleines. Für immer. Für immer …«

Sie erwidert seinen Kuss.

Dann legt er die Arme um sie und küsst sie auf die Lippen. Lilly tut es ihm gleich, und schon entwickelt sich etwas, das sie nicht mehr aufhalten können. Seine riesigen und doch so zarten Hände fühlen sich ihren Rücken auf und ab, und ihre Küsse werden immer heißer, immer begehrender. Sie sind ineinander verschlungen, und Josh drängt Lilly in den Camper-Aufsatz, in ihre kleine, dunkle Privatsphäre.

Sie vergessen, die Hintertür zu schließen, sind allem gegenüber taub, konzentrieren sich einzig und allein aufeinander, auf ihre Körper.

Es ist besser, als sie erhofft, geschweige denn sich erträumt hatten. Lilly verliert sich in der verschwommenen Dunkelheit des eiskalten Vollmonds, der durch den Spalt scheint, während Josh seinem ganzen einsamen Verlangen nach ihr mit heftigem Stöhnen Ausdruck gibt. Er streift die Holzfällerjacke ab, zieht das Unterhemd aus – im Mondlicht scheint seine Haut beinahe indigoblau. Lilly wirft ihren BH von sich, und das Gewicht ihrer Brüste lässt sie sanft auf ihren Brustkorb fallen. Gänsehaut breitet sich über ihren Bauch aus, als Josh sanft in sie eindringt und langsam in Fahrt kommt.

Sie lieben einander, verlieren sich ineinander. Lilly vergisst alles um sich herum, auch die brutale Außenwelt außerhalb des Campers.

Eine Minute, eine Stunde – die Zeit hat jegliche Bedeutung verloren – vergeht wie im Nu.

Später liegen sie inmitten des ganzen Mülls in Bobs Camper, die Beine ineinander verschlungen, Lillys Kopf ruht auf Joshs enormem … Bizeps. Sie haben sich eine Decke übergeworfen, wegen der Kälte. Josh drückt seine Lippen gegen Lillys weiches Ohr und flüstert: »Alles wird gut.«

»Yeah«, murmelt sie.

»Wir schaffen das.«

»Genau.«

»Zusammen.«

»Das werden wir.« Sie blickt ihm in die traurigen Augen. Dabei kommt sie sich merkwürdig vor. Heiter, lebhaft und doch benebelt. »Ich habe schon so lange über diesen Moment nachgedacht.«

»Ich auch.«

Sie lassen sich vom Schweigen umhüllen, driften davon, bleiben eine ganze Zeit so liegen – in Unkenntnis der Gefahren, die auf sie warten … in Unkenntnis der brutalen Außenwelt, welche die Schraube um sie herum immer enger dreht.

Aber am wichtigsten ist: Sie bemerken nicht, dass sie beobachtet werden.

Neun

An ihrem dritten Tag in Woodbury zieht der Winter ein und legt eine dunkle graue Decke über die Stadt. Es ist bereits Anfang Dezember, und Thanksgiving ist schon längst vorüber, ohne dass auch nur ein Truthahn geschlachtet worden wäre. Die Feuchtigkeit und Eiseskälte kriechen jetzt in die Knochen. Die sandigen, unbebauten Flächen entlang der Hauptstraße fühlen sich an wie nasser Putz, und die Kanalisation kann mit den Wassermassen nicht mehr mithalten, so dass dreckiges Abwasser aus den Gullis fließt. Aus einem winkt eine aufgedunsene, menschliche Hand …