Выбрать главу

»Um was geht es denn, mein Kleines?« Josh geht zu dem in einer Ecke aufgestapelten Bauholz. Die zehn mal fünfzehn Kanthölzer sehen so aus, als ob sie von einer Scheune stammen – Nut und Feder weisen noch Spuren roter Farbe auf und sind mit Matsch verkrustet.

»Wir müssen weiterziehen, Josh, raus aus dieser Stadt … ehe etwas Furchtbares geschieht.«

»Bald, Lilly.«

»Nein, Josh. Ehrlich. Jetzt hör mir mal zu.« Sie zerrt an seinem Ärmel und stellt sich aufrecht vor ihn hin. »Es ist mir ganz egal, was Megan, Scott und Bob machen … Wir aber müssen hier weg. Es sieht vielleicht so aus, als ob alles wunderbar, gemütlich und malerisch ist, aber das ist nur oberflächlich! Darunter ist dieses Kaff am Verwesen.«

»Ich weiß … Ich muss nur …«

Er hält inne, als ein Schatten in seinem Augenwinkel vor dem mit Brettern vernageltem Fenster erscheint.

»O Gott, Josh. Du hast doch nicht …«

»Komm hinter mich, sofort!«, befiehlt er, als er gleich mehrere Sachen auf einmal bemerkt. Zuerst riecht er den Schimmel in dem alten Lager, hört die tiefen, kehligen Geräusche aus dem hinteren Teil des Gebäudes und sieht etwas Tageslicht durch einen Spalt in einer Ecke.

Am schlimmsten aber ist, dass ihm erst in diesem Augenblick einfällt, wo seine Pistole steckt.

Zehn

Genau im gleichen Augenblick ertönt eine MG-Salve vor dem ehemaligen Eisenbahngebäude.

Lilly zuckt in der Dunkelheit des Lagers zusammen, und Josh wirft sich in Richtung des Bauholzes, als das mit Brettern verschlagene Fenster nach innen explodiert.

Drei knurrende Zombies – ihr Gewicht reicht aus, damit die alten Bretter nachgeben – stürzen in das Lager. Zwei Männer und eine Frau, alle mit tiefen Wunden im Gesicht, die Wangen aufgerissen, um das Zahnfleisch und die dunklen Zähne zu entblößen, stolpern in die Dunkelheit. Das Lager wird erfüllt von ihrem lauten Knurren und Geifern.

Josh hat kaum Zeit, das Schlurfen aus den hinteren Ecken wahrzunehmen, das langsam auf sie zukommt. Er dreht sich rasch um und sieht den riesigen Zombie in Latzhose, wahrscheinlich ein ehemaliger Bauer, dessen Gedärme wie schleimige Gebetsperlen aus dem Bauch hängen. Er taumelt durch den aufgewirbelten Staub langsam auf ihn zu, stößt unkontrolliert in die Stapel alter Eisenbahnschwellen.

»LILLY, KOMM! ICH GEBE DIR DECKUNG!«

Josh schnappt sich ein großes Holzbrett und benutzt es als Schild. Lilly drängt sich an seinen Rücken. Ihre Lungen heben und senken sich rasch, sie fängt an, vor Entsetzen zu hyperventilieren. Josh hebt den Schild und macht sich in Richtung des großen Untoten auf. Er nähert sich langsam an, wird dann aber immer schneller.

Der Zombie stößt ein geiferndes Grunzen aus, als Josh ihn mit dem Schild erwischt.

Der Aufprall des Holzbretts wirft den gewaltigen Zombie zu Boden. Josh holt Schwung und wirft sich mit dem Schild zuerst erneut auf ihn, ehe Lilly mit voller Wucht hinterherfliegt. Ihr gemeinsames Gewicht pinnt den Giganten am Boden fest. Seine toten Glieder zucken unter dem Schild, die angeschwärzten Finger krallen sich in das Holz, schnappen nach ihnen.

Draußen ertönen die Alarmglocken im Wind.

»MOTHERFUCKER!«

Josh verliert vor Rage die Kontrolle, fängt an, das schwere Schild mit aller Wucht auf den Zombie zu rammen. Lilly kann sich nicht mehr festhalten und rollt zu Boden, als Josh mit seinen schweren Stiefeln auf den toten Schädel tritt. Dann widmet er sich dem Brett, springt mit voller Wucht darauf. Er fängt an, undeutliche Schreie von sich zu geben, und sein Gesicht ist vor Zorn völlig entstellt.

Endlich platzt der Kopf unter dem Schild, und das Gehirn spritzt hervor, als das grässliche Geräusch zerborstener Knochen an ihre Ohren dringt. Endlich hört der Zombie auf, sich zu bewegen. Unter dem Schild erscheint eine wahre Sintflut schwarzen Bluts.

All dies geschieht innerhalb weniger Sekunden. Lilly schreckt voller Entsetzen zurück. Plötzlich ertönt eine Stimme von der Straße her. Trotz der Lautstärke ist sie ruhig, gesammelt: »RUNTER MIT EUCH, LEUTE! LEGT EUCH AUF DEN BODEN!« Josh nimmt irgendwo in seinem Unterbewusstsein wahr, dass es Martinez ist. Zur gleichen Zeit erinnert er sich, dass drei weitere Zombies vom Eingang her auf sie zustolpern.

Er lässt von dem Schild ab, dreht sich um und sieht, wie die drei auf Lilly zutaumeln, die leblosen Arme nach ihr ausstrecken. Lilly schreit auf. Josh rennt zu ihr, sucht nach einer Waffe, findet aber nichts weiter außer Sägemehl und kleinen Metallstücken auf dem Boden.

Lilly weicht zurück, schreit auf, und ihr Brüllen vermischt sich mit der dröhnenden, autoritären Stimme, die von draußen ertönt: »AUF DEN BODEN MIT EUCH, LEUTE! LEGT EUCH SOFORT AUF DEN BODEN!«

Endlich versteht Josh, und er schnappt sich Lilly und reißt sie mit sich zu Boden.

Die drei toten Dinger stehen jetzt direkt vor ihnen, die Mäuler aufgerissen, Sabber speiend. Sie sind ihnen so nahe, dass Josh ihren grässlichen, faulen Atem riechen kann.

Plötzlich erhellt sich die Vorderwand – eine Salve Maschinengewehrfeuer zerfetzt die Bretter, und durch jedes Loch strömt Tageslicht ein. Die Kugeln treffen die aufrechten Untoten in die obere Körperhälfte, lassen sie unfreiwillig in der Finsternis in einem bizarren Totentanz zucken und zappeln.

Der Lärm ist unvorstellbar. Holzsplitter, Putz und verwesende Stücke Fleisch regnen auf Josh und Lilly herab, die sich die Hände über den Kopf halten.

Josh kann seinen Augen bei dem Anblick der wild umherzappelnden Zombies kaum trauen. Sie hampeln, wackeln und strampeln zu einem arrhythmischen Beat, illuminiert von den Löchern in der Wand.

Schädel explodieren, die Fetzen fliegen – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Untoten sacken in sich zusammen und brechen einer nach dem anderen zu Boden. Die Schüsse hören nicht auf. Dünne Streifen Tageslicht erhellen jetzt das Lager.

Dann legt sich Stille über die Szene. Nur das gedämpfte Klirren der verbrauchten Patronen, die auf den Boden fallen. Das entfernte Klacken der Waffe, die neu geladen wird. Keuchen.

Einen Moment lang passiert nichts.

Er wendet sich Lilly zu, die neben ihm liegt, sich an ihm festhält, beinahe sein Hemd zerreißt. Sie sieht aus wie erstarrt, das Gesicht hart zu Boden gepresst. Josh umarmt sie, streichelt ihren Rücken.

»Alles okay bei dir?«

»Super … Einfach fantastisch.« Sie scheint aus dem Albtraum zu erwachen, schaut auf die immer größer werdende Lache von Blut und Hirnbrei, auf die Überreste der durchlöcherten Leichen. Lilly setzt sich auf.

Josh erhebt sich, hilft ihr auf die Beine und will etwas sagen, als ein Knarzen vom Eingang seine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das, was von der Tür noch übrig geblieben ist, öffnet sich.

Martinez lugt in das Lager. Er scheint es eilig zu haben, spricht rasch: »Bei euch alles in Ordnung?«

»Ja, wir sind unverletzt«, antwortet Josh und hört dann ein Geräusch in der Ferne. Wütende Stimmen erheben sich, werden von dem Wind an seine Ohren getragen. Dann ein unterdrücktes Krachen.

»Okay. Wir haben eine weitere Baustelle, um die wir uns kümmern müssen – wenn bei euch alles klar ist.«

»Schon gut, mach man.«

Martinez nickt kurz, dreht sich um und verschwindet aus ihrem Blickfeld.

Zwei Häuserblöcke östlich der Eisenbahnschienen, unweit der Barrikade, ist ein Kampf ausgebrochen. Nicht dass das etwas Besonderes in Woodbury ist. Zwei Wochen zuvor haben sich die beiden Wachen des Metzgers um eine Ausgabe des Playboy geprügelt, und Doc Stevens durfte sich um einen ausgerenkten Kiefer und eine halb zertrümmerte Augenhöhle mehr kümmern.