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Umso mehr Grund für Josh und Lilly, sich aus der Stadt zu schleichen. Vielleicht finden sie ja ihre eigenen Vorräte.

»Bleib bei mir, Kleines«, ermahnt Josh sie, und führt sie den Waldrand entlang.

Sie halten sich trotz der aufgehenden Sonne stets im Schatten, arbeiten sich an der einen Seite des riesigen Friedhofs zu ihrer Linken vor. Uralte Weiden überdachen mit ihren Ästen die Bürgerkriegsdenkmäler, und das geisterhafte Licht der ersten Morgenstrahlen verleiht dem Ort einen unheimlichen, trostlosen Touch. Viele der Grabmäler liegen umgestürzt am Boden, einige der Gräber sind geöffnet. Der Anblick des Friedhofs stellt Josh die Nackenhaare auf, und er drängt Lilly, endlich zur Kreuzung von Main und Canyon Drive zu gelangen.

Sie biegen nach Norden ab, hin zu den Pekannussfeldern vor den Stadtgrenzen.

»Halte Ausschau nach Verkehrsspiegeln«, bittet Josh sie, als sie eine sanfte Steigung zu den bewaldeten Hügeln emporsteigen. »Oder Briefkästen. Oder sonstigen Anzeichen von einer privater Auffahrt.«

»Und was ist, wenn wir nichts weiter als noch mehr Bäume finden?«

»Da muss irgendwo ein Bauernhof sein … oder sonst etwas.« Josh sucht ständig die Bäume auf beiden Seiten der schmalen, geteerten Straße ab. Die Sonne ist nun endgültig über dem Horizont aufgegangen, doch die Wälder um Canyon Drive sind noch düster und voll tanzender Schatten. Geräusche vermischen sich, und raschelndes Laub klingt wie taumelnde Schritte. Josh hält inne, steckt die Hand in den Rucksack, holt seine Pistole hervor und überprüft, ob sie geladen ist.

»Was ist denn?«, will Lilly wissen, die Augen fragend auf die Waffe gerichtet, ehe auch sie den Wald absucht. »Hast du etwas gehört?«

»Alles ist gut, Kleines.« Er steckt sich den Revolver in den Gürtel und klettert weiter die Steigung hinauf. »Solange wir uns schön ruhig verhalten, nicht anhalten … Alles wird gut.«

Sie marschieren einen halben Kilometer, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Im Entenmarsch, einer hinter dem anderen, stets auf der Hut. Sie beäugen die schwingenden Äste im Wald, beobachten selbst die Schatten hinter den Schatten. Seit dem Vorfall im Eisenbahnlager haben sich die Zombies nicht mehr in Woodbury sehen lassen, und Josh kann das Gefühl nicht abschütteln, dass es mal wieder Zeit für einen Angriff ist. Er wird schon nervös, dass sie so ungeschützt im Freien sind, als er einen Hinweis auf ein bebautes Grundstück sieht.

Der riesige, metallene Briefkasten in Form einer kleinen Blockhütte steht am Ende einer unbeschilderten Auffahrt. Lediglich die Buchstaben L. HUNT verraten die Identität des Besitzers. Daneben sind die Zahlen 20034 in das rostige Metall geprägt.

Circa fünfzig Meter hinter dem bizarren Briefkasten finden sie weitere, über ein Dutzend an der Zahl – an einer Einfahrt stehen gleich sechs auf einmal –, und Josh glaubt, den Jackpot getroffen zu haben. Er holt den Hammer aus dem Rucksack und reicht ihn Lilly. »Den Hammer immer schön griffbereit haben, Baby. Wir schauen uns mal diese Auffahrt mit den vielen Briefkästen an.«

»Ich folge dir auf Schritt und Tritt«, antwortet sie und geht dann mit ihm die Auffahrt hoch.

Das erste Ungetüm wird gleich einer Fata Morgana im Morgenlicht hinter den Bäumen sichtbar, steht inmitten einer Lichtung, als ob es aus dem All stammt. Wenn das Haus irgendwo an einem von Bäumen gesäumten Boulevard in Connecticut oder Beverly Hills stünde, würde es gar nicht erst auffallen, aber hier, mitten auf dem Land, verschlägt es Josh beinahe die Sprache. Das Haus erstreckt sich über drei Stockwerke, ist von einem englischen Rasen umgeben, auf dem sich mittlerweile Unkraut ausgebreitet hat, und stellt ein architektonisches Wunder aus frei tragenden Räumen und Balustraden dar. Es weist mehr Dachschrägen auf, als man an zwei Händen abzählen kann, sieht aus wie ein verschollenes Meisterstück von Frank Lloyd Wright. Im Hinterhof kann man gerade so einen mit Laub bedeckten Infinity-Pool mit verdeckter Wasserkante erspähen. Auch den riesigen Balkons sieht man die Vernachlässigung an – Eiszapfen hängen von ihnen herab, und überall liegt dreckiger Schnee. »Das ist wohl die Sommerresidenz von irgendeinem großen Macker«, mutmaßt Josh.

Sie folgen der Straße, die weiter in den Wald führt, und finden noch mehr verlassene Häuser.

Eins sieht aus wie ein viktorianisches Museum mit gigantischen Türmchen, die aus den überall auf dem Grundstück verstreut stehenden Pekannussbäumen zu schießen scheinen. Ein weiteres Haus scheint aus Glas gebaut zu sein. Außerdem besitzt es eine Veranda, die sich über einen Hügel erstreckt und eine atemberaubende Aussicht bietet. Jede Villa besitzt ihren eigenen Pool und Remise, eine Garage groß genug für sechs Autos und einen riesigen Rasen. Außerdem sind alle verlassen, dunkel, verschlossen, verbarrikadiert und tot wie Mausoleen.

Lilly hält vor dem in dunklem Glas gerahmten Wunder inne und starrt hinein. »Glaubst du, dass wir da reinkommen?«

Josh grinst. »Reich mir doch mal den Hammer, Kleines … und geh in Sicherheit.«

Sie finden sich in einem Schlaraffenland wieder. Trotz all der verdorbenen Lebensmittel und Anzeichen früherer Einbrüche – wahrscheinlich auf Anlass des Governors und seiner angeheuerten Schläger – finden sie noch immer halb volle Speisekammern, Bars und Wäscheschränke, die bis zum Rand mit frischer Bettwäsche vollgestopft sind. Sie stolpern über Werkstätten mit mehr Werkzeug und Ausrüstung als in einem Handwerkerladen. Sie finden Waffen, Schnaps, Benzin und Arzneimittel. Sie können es kaum glauben, dass der Governor und seine Schergen diese Oasen der Fülle noch nicht vollständig ausgeraubt haben. Und das Beste an allem ist, dass weit und breit keine Zombies zu sehen sind.

Später schaut sich Lilly im Eingangsbereich eines noch völlig intakten, einstöckigen Holzhauses um und bestaunt die kunstvollen Tiffany-Lampen. »Weißt du, was ich denke?«

»Keine Ahnung, Liebes. Was denkst du denn?«

Sie wirft ihm einen ernsten Blick zu. »Wir könnten hier wohnen, Josh.«

»Hm, ich weiß nicht …«

Sie sieht sich um. »Wir können ruhig sein, kein Aufsehen erregen. Wir müssen es doch nicht in die Welt hinausposaunen, dass wir hier sind.«

Josh überlegt einen Augenblick. »Vielleicht sollten wir das langsam angehen. Dumm spielen, schauen, ob jemand anders Wind davon bekommen hat.«

»Aber das ist doch das Coole an der Sache, Josh. Die sind schon hier gewesen … und kommen nicht wieder.«

Er seufzt. »Lass mich darüber nachdenken, Kleines. Vielleicht sollten wir Bob zurate ziehen.«

Sie schauen sich in den Garagen um und finden eine Handvoll Luxuskarossen unter Planen, schmieden Zukunftspläne, überlegen, ob sie wieder auf die Straße sollten. Sie einigen sich darauf, erst mit Bob zu reden und dann eine Entscheidung zu treffen.

Abends kehren sie in die Stadt zurück, schleichen sich unbemerkt durch die Bauarbeiten am südlichen Ende der Barrikade hindurch, bis sie sich wieder in der sicheren Zone befinden.

Von ihrer Entdeckung teilen sie niemandem etwas mit.

Unglücklicherweise ist weder Josh noch Lilly der eine entscheidende Nachteil ihrer Luxusenklave aufgefallen. Die meisten Gärten reichen gute dreißig Meter bis an den Rand eines Abhangs. Dahinter geht es dann steil und steinig bergab in einen tiefen Canyon. In seinem trockenen Flussbett, inmitten toter Kletterpflanzen, stolpert eine Horde Zombies umher, mindestens hundert an der Zahl.

Die Kreaturen brauchen keine achtundvierzig Stunden – wenn sie erst mal Menschenfleisch gerochen und den Lärm von oben mitgekriegt haben –, um einen Zentimeter nach dem anderen an der Canyonwand hochzuklettern.