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Während das Haus verbrennt, bringt Lilly genügend Mut auf, sich von dem niedrigsten Ast auf das Dach der Remise zu schwingen, ehe sie von dort die Hinterseite hinunterklettert, um vor der Hintertür der Garage zum Stehen zu kommen. Josh folgt ihr. Es gibt nur noch wenige Zombies, die von dem Inferno verschont worden sind, und Josh erledigt die gelegentlichen Streuner ohne weitere Probleme mit seiner .38er.

Er lädt die Waffe neu, benutzt seine letzten sechs Kugeln. Dann schleichen sie sich fort, halten sich dabei stets an der Mauer. Josh hat den Rucksack über der Schulter. Sie kauern inmitten des Unkrauts in der Nähe der Garage und warten, bis auch der letzte Untote in Richtung Feuer und Lärm getaumelt ist, ehe sie durch den Garten und in den angrenzenden Wald türmen.

Puh, Schwein gehabt!

Sie laufen von Baum zu Baum, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Die Zugangsstraße verläuft südlich von ihnen und wird vom schwindenden Tageslicht erhellt. Josh und Lilly halten sich aber stets im Schatten des ausgetrockneten Bachlaufs, der sich parallel zu der sich windenden geteerten Straße zieht. Sie arbeiten sich nach Osten vor, die sanfte Böschung hinab zur Stadt.

So laufen sie zwei Kilometer, verhalten sich wie lang verheiratete Eheleute, die sich gerade gestritten haben. Angst und das Adrenalin in ihren Adern werden jetzt von einer enormen Erschöpfung abgelöst.

Die Tatsache, dass sie gerade noch einmal davongekommen sind, zusammen mit der Feuersbrunst – all das hat Lilly in Panik versetzt. Sie zuckt bei jedem Geräusch zusammen, scheint nie genügend Luft in ihre Lungen saugen zu können. Ständig liegt ihr der Geruch von Untoten in der Nase, und sie glaubt, Schlurfgeräusche hinter jedem Baum zu hören – die aber vielleicht auch nur das Echo ihrer eigenen, müden Schritte sind.

Endlich biegen sie in die Canyon Road ein, und Josh sagt: »Das eine will ich noch klarstellen: Hast du gesagt, dass du mich nur ausnutzt?«

»Josh, das habe ich nie …«

»Weil ich dich beschütze? Und das war es? Mehr Gefühle hast du für mich nicht?«

»Josh …«

»Oder … oder hast du gesagt, dass du nur nicht willst, dass ich nicht denke, dass du es tust?«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Doch, Baby. So leid es mir tut, aber genau das hast du.«

»Das ist doch Schwachsinn.« Lilly steckt die Hände in die Taschen ihrer Cordjacke. Rauch, Asche und Dreck lassen das Material in der Spätnachmittagssonne in einem fahlen Grau erscheinen. »Ich will nicht mehr darüber reden. Ich hätte gar nicht erst damit anfangen sollen.«

»Nein!« Josh schüttelt langsam den Kopf und geht weiter. »So einfach kommst du mir nicht davon.«

»Was soll denn das schon wieder heißen?«

Er wirft ihr einen Blick zu. »Glaubst du, dass das mit uns nur so eine vorübergehende Sache ist?«

»Wie bitte?«

»Wie bei einem Zeltlager? Wir gehen nach den Sommerferien einfach nach Hause, haben unsere Unschuld verloren, und das war’s?« In seiner Stimme klingt eine Schärfe mit, die Lilly noch nie zuvor bei Josh Lee Hamilton vernommen hat. Sein tiefer Bariton bewegt sich am Rande der Wut, sein bebendes Kinn lässt den Schmerz erahnen, der ihn tief im Innersten erschüttert. »Du kannst doch nicht einfach eine solche Bombe legen und dann so tun, als ob nichts gewesen wäre.«

Lilly seufzt genervt auf, weiß nicht, was sie dazu sagen soll, und stapft weiter. Die Woodbury-Barrikade erscheint in der Ferne, dann das westliche Ende der Bauarbeiten, wo ein Bulldozer und ein kleiner Kran tiefe Schatten werfen. Die Arbeiter haben auf die harte Tour gelernt, dass Zombies – wie Fische – am liebsten in der Dämmerung beißen.

»Was zum Teufel soll ich denn sagen, Josh?«, fährt Lilly ihn schließlich an.

Er starrt zu Boden, geht weiter und grübelt. »Wie wäre es mit einer Entschuldigung? Dass du lange darüber nachgedacht hast, und du vielleicht nur Angst hast, dass du jemandem sehr nahe kommst, weil du nicht willst, dass du ihm wehtust, weil dir schon einmal wehgetan wurde. Und dass du alles zurücknimmst und mich genauso liebst wie ich dich? Wie wäre es damit?«

Sie starrt ihn an. Ihr Rachen brennt vor Rauch und dem erlebten Horror. Sie hat einen solchen Durst. Sie ist müde, durstig, verwirrt und hat Angst. »Und woher hast du die Idee, dass mir schon einmal wehgetan wurde?«

»Habe nur geraten.«

Sie lässt den Blick nicht von ihm ab. Jetzt schnürt Wut ihr den Magen zusammen. »Du kennst mich doch nicht einmal.«

Jetzt erwidert er ihren Blick. Seine Augen sind weit aufgerissen, drücken seinen Schmerz aus. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«

»Wir sind jetzt seit – was – zwei Monaten zusammen? Wenn überhaupt. Ein paar Leute, die sich vor Angst in die Hose machen. Niemand kennt niemanden. Wir versuchen alle nur, das Beste daraus zu machen.«

»Du willst mich also auf den Arm nehmen. Nach all dem, was wir durchgemacht haben? Und ich soll dich nicht kennen?«

»Josh, so habe ich das nicht …«

»Du siehst mich also im gleichen Licht wie Bob und den Junkie? Megan und die Typen in der Zeltstadt? Bingham?«

»Josh …«

»Die ganzen Sachen, die du mir diese Woche ins Ohr geflüstert hast … Was soll das? Hast du etwa gelogen? Hast du all das nur gesagt, damit ich mich besser fühle?«

»Ich habe jedes Wort so gemeint«, murmelt sie leise. Die Schuld in ihr macht ihr zu schaffen. Für einen Moment erinnert sie sich an den grässlichen Moment, als sie Sarah Bingham verloren hat – wie die Untoten sich vor dem gottverlassenen Zirkuszelt über sie hergemacht haben. Die Hilflosigkeit. Sie war wie gelähmt gewesen, den ganzen Tag lang. Der Verlust, die Trauer, der Gram, so tief wie ein Brunnen. Und Josh hat recht. Lilly hat ihm so manches während ihrer nächtlichen Liebesakte ins Ohr geflüstert, das nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Auf irgendeine Art liebt sie ihn, sorgt sich um ihn, besitzt starke Gefühle für ihn … Aber sie projiziert etwas Krankes tief aus sich heraus, etwas, das mit Angst verbunden ist.

»Super, einfach super«, meint Josh Lee Hamilton schließlich und schüttelt den Kopf.

Sie kommen zur Lücke in der Barrikade. Der Eingang, ein breites Loch zwischen zwei unfertigen Mauerteilen, ist nichts weiter als ein hölzernes Tor, das an einer Seite mit etwas Seil gesichert ist. In etwa fünfzig Metern Entfernung sitzt eine Wache auf dem Dach eines Bauwagens und starrt in die entgegengesetzte Richtung, das Maschinengewehr an der Hüfte.

Josh marschiert zum Tor und zerrt wütend am Seil, ehe er das Tor aufreißt. Bei dem Geräusch zuckt Lilly zusammen, kriegt Gänsehaut vor Panik. »Josh, sei vorsichtig, die werden uns noch hören«, flüstert sie.

»Mir doch scheißegal«, entgegnet er und hält ihr das Tor auf. »Ist das denn ein Gefängnis hier? Die können uns nicht davon abhalten, rein- und rauszuspazieren, wie und wann wir es für richtig halten.«

Sie folgt ihm durch das Tor und entlang einer Seitenstraße Richtung Hauptstraße.

Zu dieser Zeit ist kaum noch jemand unterwegs. Die meisten Bewohner Woodburys sind jetzt in den eigenen vier Wänden und essen zu Abend oder knallen sich die Birne mit irgendeinem Schnaps voll. Hinter der Rennstrecke ertönt das unheimliche Surren der Generatoren. Einige der Flutlichter beginnen zu flimmern. Der Wind pfeift durch die nackten Bäume auf dem Marktplatz, fegt die toten Blätter auf dem Bürgersteig vor sich her.

»Aber du sollst es genau so kriegen, wie du es haben willst«, meint Josh schließlich, als sie rechts in die Hauptstraße abbiegen und auf ihre Wohnung zusteuern. »Wir sind einfach nur Fickfreunde. Ab und zu poppen, zur Entspannung. Bloß keinen Stress …«

»Josh, das will ich …«