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»Dasselbe könntest du dir natürlich mit einer Flasche Schnaps und einem Vibrator besorgen … Aber was soll’s? So ein warmer Körper hat doch auch was, oder?«

»Josh, was soll das? Warum müssen wir uns jetzt so benehmen? Ich will doch nur …«

»Ich will nicht mehr darüber reden«, unterbricht er sie und beißt die Zähne zusammen. Er meint es ernst.

Als sie zum Lebensmittellager kommen, steht eine Gruppe Männer davor und wärmt sich die Hände über einem Feuer in einer alten Tonne. Sam der Metzger ist unter ihnen, trägt seine mit Blut verdreckte Schürze, darüber einen abgewrackten Mantel. Sein hageres Gesicht zieht sich vor Abneigung zusammen. Er kneift seine diamantblauen Augen zusammen, als er die beiden von Westen her näher kommen sieht.

»Okay, Josh, wie du willst.« Lilly steckt die Hände noch tiefer in die Taschen und stapft neben dem großen Mann her. Kopfschüttelnd sagt sie: »Was immer du auch sagst.«

Sie passieren die Gruppe.

»Hey! Green Mile!« Das war Sam der Metzger, die Stimme so kratzig, hart, unnachgiebig wie ein Messer, das auf einem Wetzstein geschliffen wird. »Komm mal kurz her, Großer.«

Lilly hält inne, die Haare sträuben sich ihr im Nacken.

Josh geht zu ihm. »Ich habe auch einen Namen«, ermahnt er ihn ohne Emotion in der Stimme.

»Oha! Tja, da werde ich wohl auf Knien um Vergebung bitten müssen«, gibt der Metzger zum Besten. »Wie lautet der gleich noch mal? Hamilburg? Hammington?«

»Hamilton.«

Der Metzger lächelt ihn kalt an. »Gut, sehr gut. Mr. Hamilton, Sir. Dürfte ich Sie ganz kurz stören, wenn Sie gerade einen Moment Zeit für mich hätten?«

»Was wollen Sie?«

Das kalte Lächeln des Metzgers verharrt in seinem Gesicht. »Nur so aus Neugier – was haben Sie denn da in Ihrem Rucksack?«

Josh starrt ihn an. »Nichts … Nur dieses und jenes.«

»Dieses und jenes? Wie soll ich mir das vorstellen, dieses und jenes?«

»Nur Sachen, die wir gefunden haben. Nichts, das für irgendjemanden von Interesse sein könnte.«

»Sie sind sich schon der Tatsache bewusst, dass Sie noch immer Schulden bei mir haben – für all ›dieses und jenes‹, das ich Ihnen während der letzten Tage überlassen habe.«

»Von was reden Sie?« Josh starrt ihn weiterhin an. »Ich habe jeden Tag hart dafür gearbeitet.«

»Aber nicht genug, Junge. Das Heizöl wächst nicht auf Bäumen, nur dass Sie wissen, woher der Wind weht.«

»Sie haben gesagt, vierzig Stunden würden reichen.«

Der Metzger zuckt die Achseln. »Sie haben mich wohl missverstanden. Soll vorkommen.«

»Wie bitte?«

»Ich habe gesagt, vierzig Stunden plus. Also vierzig Stunden außer dem, was Sie schon gearbeitet haben. Jetzt verstanden?«

Die beiden starren sich noch eine Weile an, und jegliche Unterhaltung bei der Tonne verstummt. Sämtliche Augen haben sich jetzt auf die beiden Männer gerichtet. Lilly kriegt eine Gänsehaut, als sie bemerkt, wie Joshs Schulterblätter sich unter seiner Holzfällerjacke anspannen.

Endlich zuckt Josh mit den Achseln. »Dann arbeite ich noch etwas mehr.«

Sam der Metzger neigt sein hageres, markantes Gesicht in Richtung Tasche. »Und ich danke Ihnen sehr, dass Sie uns ›dieses und jenes‹ für die Sache spenden.«

Der Metzger streckt die Hand nach dem Rucksack aus.

Der aber dreht sich zur Seite, außer Reichweite des anderen Manns.

Die Stimmung kippt abrupt, als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte. Die anderen Männer, hauptsächlich älteren Baujahrs mit ausgelaugten Augen und grauen Strähnen im Gesicht, ziehen sich langsam zurück. Die Spannung steigt. Die Stille heizt die Lage nur noch mehr an, kochende Wut brodelt unter der vermeintlichen Ruhe. Man kann lediglich das vereinzelte Prasseln der Flammen im Wind hören.

»Josh, ist gut …« Das kommt von Lilly. Sie steht jetzt neben Josh und versucht, die Situation zu entschärfen, legt eine Hand auf den Rucksack. »Wir brauchen doch nicht …«

»Nein!« Josh zerrt ihn ihr aus der Hand, lässt den Metzger aber keinen Augenblick aus den Augen. »Niemand nimmt den Rucksack!«

Die Stimme des Metzgers verwandelt sich in ein Brummen, wird tief und düster: »Das solltest du dir lieber zweimal überlegen, Jungchen. Mit mir spielt man nicht.«

»Die Sache ist, dass ich gar nicht mit Ihnen spiele«, erwidert Josh. »Ich will damit nur eine Tatsache ausdrücken. Die Sachen im Rucksack gehören uns. So ist das nun mal. Und niemand wird sie uns stehlen.«

»Wer es findet, dem gehört’s?«

»Genau so sieht es aus.«

Die alten Männer ziehen sich jetzt noch weiter zurück, so dass Lilly sich vorkommt, als stünde sie in einem flackernden, eiskalten Boxring zusammen mit zwei in die Enge getriebenen Tieren. Sie sucht händeringend nach einer Möglichkeit, die Situation zu entspannen, aber die Worte bleiben ihr in der Kehle stecken. Sie ergreift Joshs Schultern, aber er schüttelt sie einfach ab. Der Metzger wirft Lilly einen Blick zu. »Sag deinem Freund hier, dass er gerade im Begriff ist, den größten Fehler seines Lebens zu machen.«

»Sie hat damit überhaupt nichts zu tun«, mischt sich Josh ein. »Das hier, das ist eine Sache zwischen uns beiden.«

Der Metzger beißt sich nachdenklich auf die Backen. »Ich schlag dir etwas vor … Bin ein fairer Mann … Ich gebe dir noch eine Chance. Gib mir einfach, was du gefunden hast, und ich streiche deine Schulden. Wir tun so, als ob das hier nie passiert wäre.« Etwas, das als Lächeln verstanden werden soll, huscht über sein wettergegerbtes Gesicht. »Das Leben ist zu kurz, weißt du, was ich damit sagen will? Insbesondere hier.«

»Los, Lilly«, sagt Josh, ohne die Augen vom Metzger abzuwenden. »Wir haben Besseres zu tun, als hier herumzustehen und unsere Zeit zu vergeuden.«

Josh wendet sich ab.

Sam Metzger will ihm den Rucksack entreißen. »GIB MIR DAS VERFICKTE ZEUG!«

Lilly muss mit ansehen, wie es mitten auf der Straße zu einem Kampf zu kommen droht.

»JOSH! NEIN!«

Der große Mann dreht sich, lässt die Schulter fallen und rammt sie dem Metzger in die Brust. Die Bewegung ist so plötzlich und schnell, erinnert ihn sogar an seine Tage als American-Football-Spieler, an damals, als er das gesamte Feld von hinten aufgeräumt hat. Der Mann in der blutigen Schürze wird so heftig zurückgeworfen, dass es ihm den Atem verschlägt. Er stolpert über die eigenen Beine und landet hart auf dem Hintern, blinzelt dann vor Schock und Empörung.

Josh tut so, als ob nichts geschehen wäre, dreht sich um und geht weiter die Straße entlang, ruft über die Schulter: »Lilly, ich habe gesagt, wir gehen!«

Lilly sieht nicht, wie der Metzger sich plötzlich auf dem Boden wälzt, versucht, etwas aus dem Gürtel unter seiner Schürze zu holen. Sie sieht nicht das Schimmern des blauen Stahls in seiner Hand, auch hört sie nicht das verräterische Klicken, als er die Waffen entsichert. Und sie sieht nicht den Wahnsinn in den Augen des Metzgers, bis es zu spät ist.

»Josh, warte!«

Lilly macht einige Schritte, ist jetzt nur noch drei Meter hinter Josh, als der Schuss ertönt, der Knall die Luft erschüttert. Die 9-mm ist so laut, dass die Fenster selbst einen halben Block weit entfernt scheppern. Instinktiv sucht Lilly Deckung, stürzt sich auf den Schotter, so dass ihr die Luft wegbleibt.

Als sie endlich wieder atmen kann, fängt sie an zu schreien. Eine Schar Tauben erhebt sich von dem Dach des Lebensmittellagers, verbreitet sich im immer dunkler werdenden Himmel wie schwarze Spitze.

Zwölf

Für den Rest ihres Lebens wird Lilly Caul sich an diesen Tag erinnern. Der rote Kranz aus Blut und Gewebe schwebt ihr ständig vor Augen, er wächst aus Josh Lee Hamiltons Kopf wie eine Blume. Die Wunde erscheint eine Nanosekunde später, ehe Lilly den Knall der Glock wahrnimmt. Sie erinnert sich daran, dass sie gestolpert, auf den Bürgersteig gefallen ist, keine zwei Meter hinter Josh, und sich einen Backenzahn angebrochen hat. Ein Schneidezahn bohrte sich durch ihre Zunge. Danach hat es in ihren Ohren geklingelt, und ein feiner Regen von Blut hat sich auf ihre Handrücken und Unterarme gelegt.