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Er fixiert sie mit seinem Blick. »Du bist ab jetzt mit Bob zusammen.«

»Wie bitte? Was?« Sie wischt sich die Augen. »Was soll ich sein?«

»Du bist ab jetzt mit Bob zusammen. Bist du schwerhörig?«, wiederholt der Governor. »Erinnerst du dich an Bob Stookey, den Typ, mit dem du hier aufgekreuzt bist?«

Sie nickt.

»Du bist jetzt mit ihm zusammen. Verstehst du? Von jetzt ab seid ihr ein Paar.«

Sie nickt langsam.

»Ach, und noch etwas«, fügt der Governor sanft hinzu, beinahe als Nachsatz. »Wenn du irgendjemandem auch nur ein Sterbenswörtchen hiervon erzählst, kommt dein Kopf in das Aquarium neben dem Junkie.«

Kurz nachdem Megan Lafferty abgehauen ist, in die Schatten des Ganges getaucht, sich zitternd und hyperventilierend den Mantel übergezogen hat, verschwindet der Governor im Nebenzimmer. Er lässt sich mit einem Plumps auf den Liegesessel fallen und starrt auf die Aquarien.

Er sitzt eine ganze Weile da, starrt auf die Fischtanks, verspürt eine große Leere. Gedämpftes Grunzen hallt durch die Zimmer hinter ihm. Die Kreatur, die einmal seine Tochter gewesen ist, hat wieder Hunger. Dem Governor kommt die Gallenflüssigkeit hoch. Sein Magen verkrampft sich, und seine Augen beginnen zu tränen. Er fängt zu zittern an. Alles, was er getan hat, steigt in ihm auf, und er erleidet einen Schock, einen Schock des Entsetzens, der seine Sehnen zu Eis werden lässt.

Einen Augenblick später stürzt er nach vorne, fällt vom Stuhl auf die Knie und beginnt zu kotzen. Abendessensüberreste fliegen über den dreckigen Teppich. Er stützt sich jetzt mit den Händen ab, entleert den Rest seines Mageninhalts und lehnt sich dann mit dem Rücken gegen den Liegesessel und keucht nach Luft.

Ein Teil von ihm – der tief begrabene Teil namens Brian – verspürt die Welle des Ekels, die ihn ertränkt. Er kann nicht mehr atmen, kann nicht mehr denken. Und trotzdem zwingt er sich dazu, die aufgedunsenen Gesichter anzuschauen, die sich langsam in den Aquarien heben und senken und Blasen werfen.

Er will sich abwenden, will aus dem Zimmer flüchten, weg von diesen zuckenden, gurgelnden, abgetrennten Köpfen. Aber er weiß genau, dass er sie weiter anstarren muss, bis all seine Sinne taub sind. Er muss stark sein.

Er muss darauf vorbereitet sein. Auf das, was kommt.

Fünfzehn

Im Westen, innerhalb der Sicherheitszone, in einer Wohnung im ersten Stock nahe der Post hört Bob Stookey ein Klopfen. Er setzt sich auf, lehnt sich gegen das Kopfende aus Messing und legt das Taschenbuch mit Eselsohren beiseite – einen Louis-L’Amour-Western namens Die Geächteten von Mesquite. Dann steigt er in seine Hose, hat aber Probleme mit dem Reißverschluss und fummelt wild in der Gegend herum. Zuletzt schlüpft er in seine abgewetzten Pantoffeln.

Weil er sich nach dem Schauspiel besinnungslos vollgesoffen hat, fühlt er sich immer noch sehr labil und nicht ganz bei Sinnen. Ein Schwindelgefühl zerrt an seinem Bewusstsein, und sein Magen macht Purzelbäume, als er aus dem Schlafzimmer schlurft und durch die Wohnung zum Nebeneingang geht, der in einem hölzernen Treppenabsatz endet. Bob rülpst und schluckt den Gallensaft hinunter, als er die Tür öffnet.

»Bob … Etwas Furchtbares ist gerade … O mein Gott, Bob«, schluchzt Megan Lafferty aus den Schatten des Treppenhauses. Ihr Gesicht ist über und über nass vor Tränen, ihre Augen liegen tief in den Höhlen und sind stark gerötet. Sie sieht so aus, als ob sie im nächsten Augenblick zerbirst wie eine Glasfigur. Sie zittert in der Kälte und hält den Kragen ihrer Jeansjacke hoch, um den eisigen Wind abzuhalten.

»Komm rein, Schätzchen, komm ruhig rein«, begrüßt Bob sie und öffnet die Tür vollends. Sein Herz beginnt heftig zu pochen. »Was zum Teufel ist denn passiert?«

Megan stolpert in die Küche. Bob nimmt sie an den Armen und hilft ihr zu einem Küchenstuhl neben dem mit Krimskrams überhäuften Tisch. Sie lässt sich mit einem Plumps auf den Stuhl fallen und versucht, etwas zu sagen, kriegt aber vor lauter Schluchzen kein Wort heraus. Bob kniet sich vor sie, streichelt ihr die Schulter, und Megan hält sich mit beiden Händen den Kopf und weint.

»Ist schon gut, Schätzchen … Was immer auch los ist … Wir werden das Kind schon schaukeln.«

Sie stöhnt, es ist ein Stöhnen voller Schmerz und Bestürzung. Ihre Tränen benetzen ihr ärmelloses Top unter der Bluse. Er nimmt ihren Kopf in die Hände, streichelt die feuchten Locken. Nach einer Weile blickt sie zu ihm auf. »Scott ist tot.«

»Was

»Ich … habe … ihn … gesehen, Bob.« Sie bringt jedes Wort zwischen heftigem Keuchen und Stöhnen hervor. »Er ist … Er ist tot und … Er ist einer von denen geworden.«

»Jetzt mal ganz von vorne. Hol mal tief Luft, und erzähl mir, was passiert ist.«

»Ich habe keine Ahnung, was passiert ist!«

»Wo hast du ihn gesehen?«

Sie schnieft, versucht, das Schluchzen unter Kontrolle zu bringen, und erzählt Bob dann in halb geformten Satzbrocken von den abgetrennten Köpfen, die sich in der Dunkelheit im Wasser heben und senken.

»Und wo hast du das gesehen?«

Sie ist am Hyperventilieren. »Im … Drüben, beim … Beim Governor.«

»Beim Governor? Du hast Scott beim Governor gesehen?«

Sie nickt, will gar nicht mehr aufhören. Sie will alles erklären, aber die Worte bleiben ihr im Hals stecken.

Bob streichelt ihren Arm. »Schätzchen, was hast du denn beim Governor zu suchen?«

Sie versucht zu antworten, das Schluchzen beginnt erneut, und sie legt den Kopf wieder in die Hände.

»Ich hole dir ein Glas Wasser«, sagt Bob schließlich. Er eilt zum Waschbecken und füllt einen Plastikbecher mit Wasser aus dem Wasserhahn. Die Hälfte der Häuser in Woodbury hat keinerlei Strom, Wasser oder Gas. Die wenigen Privilegierten, die sich dessen rühmen können, gehören zum inneren Kreis des Governors – die behelfsmäßigen Machtstrukturen haben ihnen ein paar Vorteile verschafft. Bob ist aus sentimentalen Gründen zum Günstling des Governors aufgestiegen, und seine Wohnung reflektiert diesen Status. Sie ist voll mit leeren Flaschen, Essensverpackungen, Dosen, Pfeifentabak, Softpornoheftchenen, warmen Decken und elektronischem Spielzeug, also ein wahrhaftiges Vorzeigemodell einer Junggesellenwohnung.

Bob reicht Megan das Glas Wasser, und sie trinkt es in zwei großen Schlucken halb aus. Rinnsale laufen ihr die Mundwinkel hinunter, auf ihre Jacke. Bob hilft ihr, den Mantel auszuziehen, und sie setzt erneut an und gießt den Rest hastig in sich hinein. Er wendet den Blick ab, als er bemerkt, dass ihre Bluse schief zugeknöpft ist. Der Bauchnabel ist zu sehen, und sie gibt einen Blick auf eine Reihe roter Flecken und tiefer Kratzer auf ihrem Brustbein zwischen ihren blassen Brüsten frei. Der BH sitzt schief, und einer ihrer Nippel ist erigiert.

»Hier, Kleine«, versucht er, sie zu beruhigen, und geht zum Wäscheschrank im Flur. Er holt eine Decke, kehrt zurück und legt sie Megan fürsorglich um die Schultern. Sie fängt sich wieder, bis das Schluchzen zu einer Reihe keuchender, stoßender Atemzüge abgeebbt ist. Sie starrt zu Boden. Ihre kleinen Hände liegen mit den Handflächen nach oben auf ihrem Schoß, als ob sie vergessen hatte, wozu man sie benutzen kann.

»Ich hätte nie …«, beginnt sie und hält dann inne. Ihre Nase läuft, und sie wischt sie ab, schließt die Augen. »Was habe ich bloß getan … Bob … Was zum Teufel ist bloß los mit mir?«

»Nichts ist los mit dir«, tröstet er sie sanft und legt den Arm um sie. »Ich bin jetzt hier, Süße. Ich passe auf dich auf.«

Sie schmiegt sich an ihn, legt den Kopf an seine Schulter, und atmet jetzt regelmäßiger. Bald schon holt sie in langen Abständen Luft, als ob sie einschläft. Bob erkennt sofort die typischen Schocksymptome. Ihre Haut ist eiskalt. Er deckt sie vernünftig zu, und sie schmiegt sich enger an seinen Hals.