Выбрать главу

Vor langer Zeit wurden diese Korridore einmal von Racing-Fans benutzt, die T-Shirts, Hamburger, Bier und Zuckerwatte kauften. Jetzt aber liegen sie in immerwährender Finsternis, sind mit Brettern verschlagen, mit Schlössern versehen und als behelfsmäßige Lager für alles, von Kraftstoffbehältern bis zu Kartons, mit gestohlenen Wertsachen der Toten benutzt.

Um halb sieben am frühen Abend ist es so weit. Der Governor befiehlt Gabe und Bruce, sich einander gegenüber in der Arena aufzustellen und etwaige widerspenstige Wettkämpfer oder Zombies in Schach zu halten, die es sich in den Kopf gesetzt haben zu fliehen. Zufrieden mit den Vorbereitungen, macht der Governor sich auf den Weg nach Hause, um sich für die Show anzuziehen: schwarze Lederweste, schwarze Lederhose und schwarze, lederne Motorradstiefel. Zudem bindet er sich eine Feder in den Pferdeschwanz. Er fühlt sich wie ein Rockstar. Das i-Tüpfelchen bildet sein langer, schwarzer Ledermantel.

Kurz nach sieben machen sich die Einwohner Woodburys auf den Weg ins Stadion. Während der vorigen Woche hat der Governor sogar Poster an Laternen und in Ladenfenster anbringen lassen, und ein jeder weiß, dass die Show erst um halb acht beginnt. Aber alle möchten einen guten Platz haben, es sich mit Decken und Kissen gemütlich machen und etwas zu trinken holen, ehe das Spektakel anfängt

Das milde Wetter trägt dazu bei, dass alle mit freudiger Erregung auf die Geschehnisse des Abends warten.

Zwei Minuten vor halb acht wird es plötzlich so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Die Zuschauer sitzen und stehen auf den Tribünen, die Gesichter gegen den Zaun gepresst. Die jungen Männer sind ganz unten, während Frauen, Paare und ältere Bewohner es sich weiter oben mit Decken um die Beine eingerichtet haben, um der Kälte zu trotzen. Jedem Gesicht kann man den Hunger eines Junkies im Entzug ablesen – ausgemergelt, abgemagert, nervös. Sie wissen, dass gleich etwas Außergewöhnliches vor ihren Augen passieren wird. Sie riechen Blut.

Und der Governor wird sie nicht enttäuschen.

Punkt halb acht, zumindest laut der automatischen Fossil-Armbanduhr des Governors, ertönt Musik aus dem Beschallungssystem des Stadions. Sie ist neben dem kontinuierlichen Rauschen des Windes zuerst gar nicht zu hören, lediglich ein Hauch, ein unterirdisches Beben. Die Melodie kennt so gut wie jeder, wenn auch niemand weiß, was es ist: Also sprach Zarathustra von Richard Strauss. Die meisten kennen das Stück von dem Film 2001: Odyssee im Weltraum. Die anschwellenden Töne der Blechbläser erklingen einer nach dem anderen und bauen sich zu einer dramatischen Fanfare auf.

Im Licht der Flutlichter kann man den leichten Schneefall sehen, der jetzt auf sie niederfällt. Die Mitte der schlammigen Arena ist in beißend grelles Licht getaucht. Die Menge stößt begeisterte Rufe aus, als der Governor in den Lichtkegel schreitet.

Er hebt eine Hand, eine majestätische, melodramatische Geste. Die Musik erreicht jetzt ihren Höhepunkt, und der Wind spielt mit den Rockschößen seines Ledermantels. Er taucht fünfzehn Zentimeter tief in den Matsch ein. Die gesamte Arena ist ein einziger Morast, und der Governor glaubt, dass der Schlamm die Show nur noch dramatischer machen wird.

»Freunde! Mitbewohner von Woodbury!«, spricht er mit dröhnender Stimme ins Mikrofon, das an eine PA-Anlage hinter ihm angeschlossen ist. Sein Bariton steigt in den Nachthimmel, das Echo hallt in den leeren Rängen wider. »Ihr habt hart gearbeitet, damit diese Stadt besteht! Und gleich werdet ihr dafür belohnt! Seid ihr bereit, knallharte Action zu erleben?«

Von den Rängen erschallen schrille Schreie und wildes Gegröle.

»Dann raus mit den Kriegern!«

Auf das Stichwort hin fahren riesige Spotlights über die Dächer, werden von unglaublichem Lärm begleitet, ehe sie durch die Arena leuchten. Eins nach dem anderen kommt auf einer Reihe riesiger, schwarzer Vorhänge zum Stehen, die jeweils den Eingang der fünf Tunnel bedecken, welche aus den Katakomben des Stadions in die Arena führen.

Am gegenüberliegenden Ende der Arena öffnet sich ein Garagentor, und Zorn, der jüngere der beiden Wachen, erscheint im Schatten des Tunnels. Gekleidet in behelfsmäßige Schulterpolster und Schienbeinschoner, hält er eine große Machete in der vor latentem Wahnsinn zitternden Hand. Er tritt in die Arena, geht auf die Mitte zu. In seinem Gesicht kann man die wilde, manische Entschlossenheit sehen. Er bewegt sich steif, ruckartig, ein Kriegsgefangener, der sich das erste Mal seit Wochen wieder bewegen darf.

Beinahe gleichzeitig öffnet sich das gegenüberliegende Tor, und Manning, der ältere Soldat, erscheint aus dem Schatten. Er hat wildes graues Haar und blutunterlaufene Augen und trägt eine riesige Streitaxt in der Hand. Seine Bewegungen, als er auf die Mitte zustolpert, gleichen denen eines Zombies.

Als die beiden Kämpfer aufeinander zutaumeln, brüllt der Governor: »Sehr geehrte Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen hiermit voller Stolz den ›Ring des Todes‹!«

Die Menge stöhnt wie eins auf, als die restlichen Vorhänge in der Arena plötzlich fallen, erneut wie auf ein Stichwort, und den Blick auf einen Ring zischender, halb verwester, hungriger Zombies freigibt. Einige der Zuschauer springen auf, wollen instinktiv fliehen, als die Beißer die ersten Schritte tun, die Hände nach dem menschlichen Fleisch ausgestreckt.

Die Zombies legen circa die halbe Strecke zur Mitte der Arena in ihrer eigenartigen, schlurfenden Gangart zurück, ehe die Ketten sich zu spannen beginnen. Einige verlieren durch die plötzliche Bewegungsunfreiheit das Gleichgewicht und stürzen in Slapstick-Manier in den Schlamm, während andere vor Empörung über die Ungerechtigkeit ihrer Gefangenschaft wütend zu knurren anfangen und wild mit den Armen fuchteln. Die Menge johlt begeistert auf.

»LASST DIE SCHLACHT BEGINNEN!«

In der Mitte der Arena stürzt Zorn sich auf seinen Widersacher, ehe Manning weiß, wie ihm geschieht. Selbst der Governor bringt sich nur mit Mühe und Not in Sicherheit, und Manning schafft es gerade noch, die Streitaxt in die Höhe zu halten, um den Schlag zu blockieren.

Die Machete trifft mit voller Wucht auf das Metall der Axt, dass die Funken fliegen.

Die Menge grölt, als Manning nach hinten durch den Matsch torkelt, ins Rutschen kommt und nur wenige Zentimeter vor einem der Zombies zu Boden geht. Der Beißer, die Augen vor Blutrausch weit aufgerissen, schnappt mit den Zähnen nach Mannings Fersen und reißt dabei fast die Kette aus der Verankerung. Manning rafft sich wieder auf, das Gesicht vor Terror und Wahnsinn völlig verzerrt.

Der Governor lächelt, als er die Arena verlässt und durch einen der Tunnel verschwindet.

Das Getöse der Zuschauer hallt in dem Gang wider, umhüllt ihn, während er durch die Finsternis eilt und bei dem Gedanken, dass eine der Wachen gebissen und vor den Augen der Menge selbst zum Zombie wird, vor sich hin kichert. Das wäre Entertainment allererster Klasse.

Er kommt um eine Ecke und sieht einen seiner Männer, der neben einem verlassenen Essensstand steht und ein neues Magazin in seine AK-47 steckt. Der junge Mann, ein groß gewachsener Bauernjunge aus Macon, trägt einen abgewetzten Daunenmantel und eine Mütze. Er blickt auf. »Hey, Gov … Wie läuft es denn da draußen?«

»Nervenkitzel pur, Johnny. Nervenkitzel pur«, erwidert der Governor und blinzelt ihm im Vorbeigehen zu. »Ich schau mal nach Gabe und Bruce an den Ausgängen … Pass du drauf auf, dass die Zombies in der Arena bleiben. Wir wollen schließlich nicht, dass sie in den Tunneln verschwinden.«

»Wird gemacht, Boss.«