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Der Governor geht weiter, verschwindet um die nächste Ecke und geht einen weiteren leeren Gang hinunter.

Der gedämpfte Lärm der Zuschauer hallt ihm noch immer nach, als er nach Osten zum Ausgang eilt. Er beginnt zu pfeifen, fühlt sich wie auf Wolke neun, als er plötzlich verstummt und langsamer wird. Instinktiv holt er seine .38er hervor, die in seinem Gürtel steckt. Irgendetwas stimmt auf einmal nicht mehr.

Er hält mitten im Tunnel inne. Der östliche Ausgang, er kann ihn gerade um die Ecke in sechs Metern Entfernung ausmachen, ist völlig unbewacht. Gabe ist weit und breit nicht zu sehen. Das äußere Tor – es ist aus Holz gefertigt – ist geschlossen, und Lichtstreifen von einem Auto scheinen durch die Spalten zwischen den Brettern.

Dann erblickt er den Lauf eines M1-Maschinengewehres. Es kann sich nur um Gabes Waffe handeln, die auf dem Boden liegt.

»Schweinehund!«, schimpft der Governor, hebt seine Waffe und dreht sich um.

Die blauen Funken eines Elektroschockers erwischen ihn mitten im Gesicht, und der Schock lässt ihn rückwärtstaumeln.

Martinez verschwendet keine Zeit, hält den Taser in der einen Hand und einen mit Leder überzogenen Schlagstock in der anderen. Als der fünfzigtausend Volt starke Stromschlag den Governor gegen die Wand wirft, fliegt ihm die Waffe aus der Hand.

Martinez holt aus und trifft den Governor mit dem Schlagstock gegen die Schläfe. Der Aufprall hört sich wie eine tonlose Glocke an, die geschlagen wird. Der Governor krümmt sich, schlägt wild um sich, gibt nicht so schnell auf. Vor ohnmächtiger Wut brüllt er wie ein Stier. Die Venen an Hals und Schläfen schwellen an, als er blindlings in Martinez’ Richtung tritt.

Der Schwede und Broyles stehen links und rechts hinter Martinez und warten darauf, den Governor mit Panzerband und Seil zu fesseln. Martinez holt erneut aus, triff den Governor noch einmal am Kopf, und diesmal funktioniert es.

Der Governor erstarrt und sinkt zu Boden. Seine Augen rollen nach hinten. Der Schwede und Broyles nähern sich dem zuckenden, bebenden Körper, der zusammengekrümmt auf dem Boden liegt.

Sie fesseln und knebeln ihn in weniger als einer Minute. Martinez pfeift kurz, und kurz darauf öffnet sich das Tor.

»Ich zähle bis drei«, murmelt Martinez, steckt den Taser weg und verstaut den Schlagstock in seinem Gürtel. Dann schnappt er den gefesselten Governor an den Fesseln. »Eins … zwei … drei!«

Broyles greift unter die Achselhöhlen, und der Schwede führt sie durch das Tor hinaus in den kalten Wind, wo sie den gefesselten Mann zu einem wartenden Lieferwagen tragen.

Die Ladentür steht bereits offen, so dass sie den Governor schnurstracks auf die Ladefläche werfen können.

Innerhalb von Sekunden sind auch die Männer in dem fensterlosen Lieferwagen verschwunden und haben sämtliche Türen geschlossen. Nach einem Klopfzeichen fährt der Wagen rückwärts weg vom Tor.

Nach wenigen Metern hält er an, der erste Gang wird eingelegt, und er schießt davon.

Kurz darauf ist bereits nichts mehr von ihnen zu sehen, und lediglich eine sich in Luft auflösende Wolke von Abgasen bleibt als Hinweis auf das, was gerade geschehen ist.

»Aufwachen, du krankes Arschloch!« Lilly gibt dem Governor eine Ohrfeige, und seine Augen öffnen sich langsam, während der voll besetzte Lieferwagen aus der Stadt verschwindet.

Gabe und Bruce sind ebenfalls gefesselt und geknebelt und liegen weiter vorne. Der Schwede hält einen .45er Smith & Wesson auf die beiden gerichtet. Sie haben die Augen aufgerissen, wissen gar nicht, wie ihnen geschieht. Der Wagen ist mit Kartons voller militärischer Ausrüstung beladen. Es ist alles dabei, von stahldurchschlagender Munition bis hin zu Brandbomben.

»Immer mit der Ruhe, Lilly«, warnt Martinez sie, der weiter vorne an der Wand zur Fahrerkabine hockt. Er hält ein Walkie-Talkie in seiner behandschuhten Hand. Das Gesicht ist vor Nervosität ganz verzerrt. Er kommt sich vor wie ein Ketzer, der gegen die Kirche aufbegehrt. Martinez dreht sich um, drückt auf den Knopf und sagt mit leiser Stimme: »Folgt einfach dem Jeep. Fahrt ohne Licht und sagt Bescheid, sobald ihr Zombies seht.«

Der Governor kommt langsam zu Bewusstsein, blinzelt, schaut sich um. Er zerrt an dem Seil, checkt, wie belastbar seine Fesseln sind.

»Jetzt hör mal gut zu, Blake«, erhebt Lilly das Wort und blickt hinunter zu dem Mann, der auf dem Wellblechboden liegt. »›Governor‹ … ›Präsident‹ … ›König‹ und all diese Scheiße … Wie auch immer du dich nennst. Glaubst du etwa, dass du ein gutmütiger Diktator bist?«

Die Augen des Governors schwirren ruhelos durch den Lieferwagen, wie ein gefangenes Tier, das darauf wartet, abgeschlachtet zu werden.

»Meine Freunde hätten nicht sterben müssen«, fährt Lilly fort und baut sich über dem Mann auf. Ihr steigen Tränen in die Augen, und sie hasst sich dafür. »Du hättest hier etwas Großes schaffen können … Einen Ort, an dem die Menschen friedlich und in Eintracht leben können … Und was hast du gemacht? Eine kranke Freak-Show hast du ins Leben gerufen!«

Weiter vorne drückt Martinez erneut auf den Sprechknopf: »Stevie, siehst du schon etwas?«

Man hört ein Rauschen und Knistern, ehe die Stimme des jungen Mannes ertönt: »Negativ … Noch nichts … Halt!« Wieder Rauschen, dann Rascheln. Dann nicht ins Mikrofon gesprochen: »Was zum Teufel ist denn das?«

Martinez drückt auf den Knopf. »Stevie, bitte wiederholen. Wir haben hier nichts verstanden.«

Rauschen … Gefolgt von Knistern.

»Stevie? Hörst du mich? Ich will nicht zu weit von der Stadt weg!«

Ab und zu kann man Stevie zwischen dem ganzen Rauschen und Knistern hören: »Stopp, Taggert! … Stopp! … Was zum Teufel! WAS ZUM TEUFEL …!«

Lilly wischt sich die Augen trocken und starrt dann erneut den Governor an. »Sex gegen Essen? Ehrlich? Wirklich? Ist das deine wunderbare neue Gesellschaftsordnung …«

»Lilly!«, ruft Martinez von vorne. »Hör auf damit! Wir haben ein Problem!« Er drückt erneut auf den Knopf. »Broyles, halt sofort an!«

Jetzt ist der Governor wieder bei vollem Bewusstsein. Er erwidert Lillys Blick, starrt sie mit einer stillen Wut an, die Löcher in ihre Seele brennen müsste, aber Lilly stört es kein bisschen. Sie merkt es nicht einmal.

»All das Kämpfen, die Suizide und die Furcht, die jeden dumpf vor sich hin vegetieren lässt …?« Sie würde ihn am liebsten anspucken. »Das ist deine Idee einer perfekten GESELLSCHAFT …?«

»Lilly! Verdammt noch mal!« Martinez dreht sich zu ihr um, schaut sie an. »Würdest du bitte …«

Der Truck hält plötzlich ruckartig an, so dass Martinez gegen die Wand zur Fahrerkabine geworfen wird und Lilly über den Governor hinweg gegen einen Stapel Munition fliegt. Die Kartons kommen ins Wanken und fallen zu Boden. Das Handsprechfunkgerät gleitet Martinez aus der Hand und endet neben einer auf dem Boden liegenden Tasche. Der Governor rollt sich von einer Seite zur anderen, bis das Panzerband über seinem Mund sich löst.

Dann ertönt Broyles Stimme inmitten von Rauschen: »Habe Sichtbestätigung eines Beißers!«

Martinez kriecht zum Handsprechfunkgerät, schnappt es sich und drückt auf den Knopf. »Was zum Teufel war denn das, Broyles? Warum hast du …«

»Und noch einer!«, krächzt die Stimme aus dem winzigen Lautsprecher. »Da kommen ein paar aus … Oh, fuck … Oh, fuck … OH, FUCK!«

Martinez drückt erneut auf den Knopf. »Broyles, was zum Teufel geht da vor?«

»Da sind mehr, als wir …«

Dann Rauschen, ehe Stevies Stimme erneut ertönt: »Verdammte Scheiße, da kommt ein ganzer Haufen aus dem …« Wieder Rauschen. »Die kommen aus dem Wald. Man … Die kommen und kommen und kommen …«

Martinez brüllt ins Handsprechfunkgerät: »Stevie! Sprich mit mir! Sollen wir sie einfach rausschmeißen und abhauen?«