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Panzerbrechende Munition zerfetzt die Untoten in tausend Stücke. Anfangs tanzen sie noch wie Marionetten bei einem Erdbeben. Riesige Blutwolken erscheinen, wo gerade noch ihre Köpfe waren. Hines entleert einen ganzen Patronengurt .762er Munition, um auf Nummer sicher zu gehen. Als sie endlich in einem unförmigen, dampfenden Haufen zu Boden sacken, stößt er einen Siegesschrei aus, dreht sich um schaut zum Lieferwagen hinunter.

Aber Martinez und die anderen sind wie vom Erdboden verschwunden.

Neunzehn

Glaubt ihr etwa, dass wir hier eine Scheißdemokratie haben?« Der mit Blut besudelte Mantel des Governors streift auf dem Boden, während seine wütende, heisere Stimme von den Wänden in den Katakomben der Arena widerhallt.

Was einmal als Tresorraum für die Rechnungsstelle der Arena diente, beherbergt noch immer den alten, metallenen Safe in der Ecke, der ein Loch an der Seite aufweist. Ansonsten befinden sich noch ein langer, mit unzähligen Kratzern versehener Konferenztisch, ein paar Kalender mit halb nackten Frauen an der Wand, der eine oder andere Schreibtisch und ein paar umgestürzte Stühle im Raum.

Martinez und Lilly sitzen mit dem Rücken gegen die Wand. Sie sind ganz ruhig, scheinen verstört, während die bis an die Zähne bewaffneten Bruce und Gabe sie bewachen. Man kann die Spannung in der ehemaligen Rechnungsstelle förmlich knistern hören.

»Ihr scheint vergessen zu haben, dass es nur einen Grund gibt, warum das Ganze hier läuft – einen einzigen Grund!« Der Monolog des Governors wird von nervösem Gesichtszucken begleitet, Nachwirkungen von dem herben elektrischen Taser-Schock. Getrocknetes Blut klebt an seinem Gesicht, an seinen Kleidern und in seinen Haaren. »Es funktioniert, weil ich es zum Funktionieren bringe! Seht ihr, was da draußen los ist? Das steht auf der Speisekarte, wenn es euch hier nicht gefällt! Ihr wollt irgendein utopisches Paradies, eine Art Oase, warm und fluffig, einer für alle und alle für einen? Die Leute hier sind keine Musketiere! Nein, wir befinden uns mitten im Krieg!«

Er hält inne, um seinen Worten Nachdruck zu geben. Die Stille liegt über dem Raum.

»Fragt doch irgendeinen Motherfucker da draußen auf den Tribünen, ob sie eine Demokratie wollen! Ob sie es warm und fluffig möchten! Oder ob es ihnen lieber ist, jemanden zu haben, der alles in die Hand nimmt … Und sie davor beschützt, dem nächsten dahergelaufenen Beißer als Mittagessen zu dienen!« Seine Augen funkeln. »Ihr scheint wohl vergessen zu haben, wie es war, als Gavin und seine Wachen noch das Sagen hatten! Erst jetzt gehört die Stadt wieder uns! Wir haben …«

Ein Klopfen an der Tür unterbricht seinen Redeschwall. Der Governor dreht sich genervt um. »WAS?«

Der Türknauf dreht sich, und ein zehn Zentimeter breiter Spalt öffnet sich. Ein schüchtern dreinblickendes Gesicht erscheint, das dem Bauernjungen aus Macon gehört. Seine AK-47 hängt an einem Gurt an seiner Seite. »Boss, die Situation wird langsam brenzlig da draußen.«

»Was?«

»Die beiden Kämpfer sind gleich am Anfang draufgegangen. Jetzt haben wir nur noch Leichen und Beißer an Ketten. Aber die Leute bleiben alle da, besaufen sich mit Whiskey und weiß Gott was und schmeißen alles, was nicht niet- und nagelfest ist, auf die Zombies.«

Der Governor fährt mit den Fingern über seinen Fu-Manchu-Schnurrbart. »Sag ihnen, dass es bald eine wichtige Durchsage geben wird.«

»Aber was ist mit …«

»SAG EINFACH BESCHEID!«

Der Bauernjunge nickt schüchtern und schließt dann die Tür wieder hinter sich.

Der Governor dreht sich um und wirft einen Blick auf den großen schwarzen Mann, dessen Jeansklamotten unter dem ganzen Blut und Fetzen von Gewebe und Organen kaum noch auszumachen sind. »Bruce, hol Stevens und sein kleines Schoßhündchen. Ganz gleich, was sie gerade tun. Ich will, dass sie herkommen, und zwar pronto!«

Bruce nickt, steckt seine Pistole in den Gürtel und eilt davon.

Dann wendet sich der Governor Martinez zu. »Ich weiß nämlich, woher du den Scheißtaser hast …«

Lilly sitzt neben Martinez. Die Zeit scheint still zu stehen, während sie darauf warten, dass Bruce den Doc und Alice anschleppt. Sie ist von oben bis unten mit diversen Zombieüberresten übersät. Die Wunde in ihrem Bein pocht heftig, und sie erwartet jeden Augenblick eine Kugel durch ihren Kopf. Sie spürt Gabes Körperwärme hinter sich, er kann nur Zentimeter von ihr entfernt stehen. Sie riecht seinen Schweiß, hört sein schweres Atmen, aber er gibt während der ganzen Zeit, während sie auf Bruce warten, keinen einzigen Ton von sich.

Auch Martinez sagt kein Wort.

Der Governor verbringt seine Zeit damit, unablässig auf und ab zu gehen.

Lilly macht es nichts mehr aus, ob sie stirbt oder nicht. Etwas Unerklärliches geht in ihr vor. Sie denkt an Josh, wie er im Boden verrottet, aber sie verspürt keinen Funken Emotion. Dann stellt sie sich Megan vor, wie sie an ihrem behelfsmäßigen Galgen baumelt, aber auch der Gedanke lässt sie völlig kalt. Sie taucht in einen Schleier der Vergessenheit ein, ähnlich wie Bob, der sich allerdings bis zur Bewusstlosigkeit besaufen muss, um den gleichen Zustand zu erreichen.

Aber selbst das kratzt sie nicht mehr.

Und das Schlimmste überhaupt ist: Tief in ihrem Inneren weiß sie, dass der Governor recht hat. Sie brauchen einen Wachhund, der auf die Barrikaden geht. Sie brauchen ein Monster, das die anderen in Schach hält.

Endlich bewegt sich der Knauf, öffnet sich die Tür, und Bruce erscheint mit Stevens und Alice. Der Arzt tritt mit seinem knittrigen Kittel ein, gefolgt von Bruce, der seine Waffe auf den Doc gerichtet hält. Alice folgt ihnen dicht auf den Fersen.

»Immer hereinspaziert! Je mehr wir sind, desto lustiger wird es!«, begrüßt der Governor sie mit einem eisigen Lächeln. »Setzen Sie sich doch, entspannen Sie sich. Einfach die ganze Anspannung abfallen lassen und mal richtig durchatmen.«

Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, gehen Alice und Stevens zu den Stühlen neben Lilly und Martinez und setzen sich hin – wie Kinder, die vor den Schulrektor geschickt wurden. Der Arzt sagt kein Wort, starrt nur auf den Boden.

»Jetzt haben wir also alle beisammen«, meint der Governor und geht durch den Raum auf die vier zu. Er hält Zentimeter vor ihnen inne wie ein Trainer beim Halbzeitdonnerwetter. »Ich hätte da einen Vorschlag. Wir treffen ein Abkommen … schließen einen verbalen Vertrag. Ganz einfach. Schau mich an, während ich mit dir spreche, Martinez!«

Es verlangt Martinez ungeheure Selbstbeherrschung ab, den Blick zum Governor zu heben …

… dessen dunkle, funkelnde Augen ihn anstarren. »Und unsere Abmachung lautet wie folgt: Solange ich die Wölfe abhalte und das Volk mit Brot und Spielen bei Laune halte … so lange werde ich nicht hinterfragt.«

Er macht eine Pause, stellt sich vor ihnen auf, wartet, Hände in die Hüften gestemmt. Er blickt einen Verschwörer nach dem anderen mit seinem düsteren, blutverschmierten Gesicht an.

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Vor ihrem inneren Auge sieht Lilly, wie sie aufspringt, den Stuhl umstößt und so laut wie nur irgend möglich aufschreit, sich eine Waffe schnappt und den Governor mit einer Salve ummäht.

Aber sie starrt weiterhin auf den Boden.

Niemand rührt sich.

»Ach, und eins noch«, fügt der Governor hinzu und lächelt, aber seine Augen sind wie tot und völlig freudlos. »Sollte sich irgendjemand nicht an die Abmachung halten, die Nase dort reinstecken, wo sie nicht hingehört, wird Martinez sterben und der Rest von euch vor die Tür gesetzt. Habt ihr alle verstanden?« Er wartet, aber niemand öffnet den Mund. »Antwortet mir, ihr Schwanzlutscher! Versteht ihr die Konsequenzen der Abmachung? Martinez?«