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Die Antwort ertönt kaum hörbar: »Yeah.«

»Ich habe dich nicht gehört!«

Martinez starrt ihn an. »Yeah, ich habe verstanden.«

»Und wie steht es mit dir, Stevens?«

»Ja, Philip.« In der Stimme des Docs klingt völlige Verachtung mit. »Ein wirklich geniales Schlussplädoyer. Du hättest Anwalt werden sollen.«

»Alice?«

Sie nickt rasch, nervös.

Dann wendet der Governor sich an Lilly. »Und wie steht es mit dir? Verstehen wir uns?«

Lilly starrt weiterhin auf den Boden und gibt keinen Ton von sich.

Der Governor geht einen Schritt auf sie zu. »Ich will, dass wir alle einander verstehen. Lilly, ich werde dich noch einmal fragen. Verstehst du die Abmachung?«

Lilly hält noch immer den Mund.

Der Governor zieht seine mit Perlmutt versehene .45er, entsichert ihn und hält Lilly den Lauf an die Schläfe. Aber ehe er noch den Mund aufmachen oder ihr eine Kugel durch den Kopf jagen kann, schaut sie zu ihm auf.

»Ja, ich verstehe.«

»MEINE LIEBEN DAMEN UND HERREN!« Die näselnde Stimme des Bauernjungen ertönt aus der Beschallungsanlage und hallt durch das Chaos in der Arena. Die Zuschauer haben sich über die Tribünen verteilt. Niemand hat die Arena verlassen. Ein paar Zuschauer liegen im Vollrausch auf dem Rücken und starren in den mondlosen Himmel. Andere reichen Flaschen mit Schnaps durch die Gegend, versuchen, sich von den Bildern des Schreckens und der Verstümmelung zu befreien, die sie gerade mit eigenen Augen in der Arena gesehen haben.

Einige der Besoffenen werfen Müll und leere Flaschen in die Arena, um die angebundenen Beißer weiter anzustacheln, die ihre Arme nach ihnen ausstrecken und an ihren Ketten reißen. Aus ihren Mündern fließt schwarzer Speichel. Die beiden toten Kämpfer liegen zusammengesackt außer Reichweite der Zombies, während die Menge sie unentwegt niederpfeift und ausbuht. So geht das schon beinahe eine Stunde lang.

Jetzt ertönt die Stimme wieder. »DER GOVERNOR HAT EINE SONDERDURCHSAGE FÜR SIE!«

Bei der Ansage hören sie auf, und ihr Gegröle verstummt auf einen Schlag. Die aufgeputschten Zuschauer wanken ungelenk zurück zu ihren Plätzen. Manche stolpern, raffen sich aber wieder auf, und in wenigen Minuten sitzt die gesamte Meute auf den vorderen Rängen der Tribünen vor dem Maschendrahtzaun, der einst die Zuschauer vor Autotrümmern und brennenden Reifen schützte.

»UND JETZT EINEN WUNDERBAREN APPLAUS FÜR UNSEREN FURCHTLOSEN ANFÜHRER, DEN GOVERNOR!«

Dann erscheint eine Gestalt in einem langen Mantel, tritt aus dem Schatten des mittleren Tunnels in den grellen Schein der Flutlichter. Die matschigen, blutbesudelten Rockzipfel seines Mantels wehen im Wind. Er macht den Eindruck eines trojanischen Generals, der gerade von der Belagerung zurückgekommen ist. Er schreitet in die Arena, hält bei den auf dem Boden liegenden, toten Wachen inne, reißt an dem Mikrofonkabel hinter sich, hebt das Mikro hoch und brüllt: »FREUNDE, DAS SCHICKSAL HAT JEDEN EINZELNEN VON EUCH HIERHER VERSCHLAGEN … UND ES IST UNSER SCHICKSAL, DIE PLAGE GEMEINSAM ZU ÜBERLEBEN!«

Die Zuschauer, die meisten von ihnen total besoffen, brüllen begeistert.

»UND ES IST MEIN SCHICKSAL, EUER ANFÜHRER ZU SEIN … UND ICH AKZEPTIERE DIESE AUFGABE UND FÜLLE SIE VOLLER STOLZ AUS! UND FALLS IRGENDJEMAND VON EUCH AUF DEN BILLIGEN PLÄTZEN ES NICHT MAG, DANN KANN ER JEDERZEIT ZU MIR KOMMEN UND DIE HERRSCHAFT AN SICH REISSEN! JEDERZEIT! HAT JEMAND VON EUCH GENÜGEND MUMM, UM UNSER STÄDTCHEN HIER AM LAUFEN ZU HALTEN?«

Die trunkenen Stimmen verstummen, die Gesichter hinter dem Maschendrahtzaun erschlaffen. Jetzt hat er ihre Aufmerksamkeit. Der Wind, der durch das Dach pfeift, untermalt das Schweigen auf den Rängen.

»JEDER EINZELNE VON EUCH SOLL HEUTE ABEND ZEUGE EINER GROSSEN VERÄNDERUNG IN WOODBURY WERDEN, DENN AB SOFORT IST DAS TAUSCHSYSTEM ABGESCHAFFT!«

Jetzt herrscht totale Stille. Die Zuschauer haben so etwas nicht erwartet und starren ihn mit offenen Mündern an, als ob sie an jedem seiner Worte hängen.

»VON NUN AN WERDEN VORRÄTE AUSSCHLIESSLICH FÜR DAS GEMEINWOHL GESAMMELT UND GERECHT AN ALLE VERTEILT! UND SO WERDEN DIE LEUTE IN ZUKUNFT SICH IN UNSERE GEMEINDE INTEGRIEREN – INDEM SIE VORRÄTE SAMMELN UND DEM GEMEINWOHL DIENEN!«

Ein älterer Herr einige Reihen über den anderen steht etwas unstet auf wackligen Beinen. Sein Heilsarmee-Mantel hält den Wind eher schlecht als recht ab. Der Mann beginnt zu klatschen, nickt mit dem Kopf und reckt sein haariges, unrasiertes Kinn stolz in die Höhe.

»ICH WERDE DAFÜR SORGEN, DASS DIE NEUEN REGELN DURCHGESETZT WERDEN! ABER SOLLTE SICH HERAUSSTELLEN, DASS JEMAND ETWAS TAUSCHT, UM SICH SOMIT MEHR ESSEN ZU BESCHAFFEN, WIRD ER ALS STRAFE IM RING DES TODES KÄMPFEN!« Der Governor hält inne, lässt den Blick über die Menge schweifen und sieht, welchen Eindruck seine Worte auf sie haben. »WIR SIND KEINE BARBAREN! WIR KÖNNEN AUFEINANDER AUFPASSEN! WIR! SIND! UNSERER! BRÜDER! HÜTER!!«

Jetzt stehen immer mehr Zuschauer auf und beginnen zu klatschen. Einige von ihnen scheinen auf einen Schlag auszunüchtern und beginnen vor Begeisterung laut zu rufen.

Die Predigt des Governors nähert sich dem Höhepunkt: »DAS WIRD EIN NEUES ZEITALTER FÜR WOODBURY EINLÄUTEN. AB JETZT ARBEITEN WIR ZUSAMMEN! WIR WERDEN EINE GLÜCKLICHERE, GESUNDERE, BESSERE GEMEINSCHAFT BILDEN!«

Jetzt steht so gut wie jeder auf den Beinen, und der Klang ihrer Rufe steigt über die Tribünen hinauf in den Nachthimmel. Das Klatschen wird nur von ihren enthusiastischen Rufen übertönt. Sie blicken einander erleichtert an, die Gesichter von angenehmer Überraschung gezeichnet … Vielleicht sogar Hoffnung.

Tatsache aber ist, dass die Zuschauer aus dieser Entfernung und hinter dem Maschendrahtzaun das blutrünstige Funkeln in den Augen ihres gutmütigen Anführers nicht bemerken.

Am nächsten Morgen befindet sich die schlanke junge Frau mit Zöpfen im übel riechenden Schlachthaus tief in den Katakomben des Stadions.

Sie ist in ein zu großes Georgia-Tech-Sweatshirt gekleidet, trägt antiken Schmuck und kaputte Jeans. Lilly zittert nicht, verspürt weder das Verlangen, auf ihren Fingernägeln zu kauen, noch fühlt sie irgendeinen Abscheu oder auch nur den geringsten Ekel angesichts der fürchterlichen Arbeit, die sie als Strafe für ihren Putschversuch auferlegt bekommen hat.

Das Einzige, was ihr durch den Kopf geht, ist eine tief verankerte, brodelnde Wut, als sie mit der großen, mit Teflon überzogenen Axt in dem schummrigen Licht des unterirdischen Schlachthauses ausholt.

Sie schlägt zu, trifft hart und genau und hackt den Knorpel vom bereits abgetrennten Bein des Schweden, das direkt über dem Bodenablauf auf einem Holzblock liegt. Ein feuchtes Geräusch füllt den Raum, als ob man den Deckel eines Dampfkochtopfs unter Druck öffnet. Die Schneide fährt durch das Knie gleich einem Küchenmesser, das einen Hähnchenschenkel durchtrennt. Das Blut spritzt und trifft Lilly an Hals und Kinn, aber sie merkt es kaum, als sie die beiden Hälften in einen Eimer wirft, der neben ihr steht.

Broyles, Manning und Zorn sind bereits verarbeitet, in einzelne Portionen von Eingeweiden, Organen, haarigen Skalps, schleimigen weißen Kugelgelenken und abgetrennten Gliedmaßen aufgeteilt, die anschließend auf Eis gelagert werden, um die Spiele aufrechtzuerhalten, die Zombies in der Arena nicht zu wild werden zu lassen.

Lilly trägt Gummihandschuhe. Während der letzten Stunden hat sich ihre Farbe in ein dunkles Violett verwandelt. Sie benutzt ihre Wut, um härter zuzuschlagen, hat schon drei Leichen zerlegt, ohne es wirklich wahrzunehmen, bemerkt die anderen beiden Personen in dem Schlachthaus, Martinez und Stevens, überhaupt nicht, die in den hinteren Ecken des fensterlosen, dreckigen, stinkenden Raums ihrer grässlichen Arbeit nachgehen.

Die Ausgestoßenen unterhalten sich nicht, hacken und schneiden eine weitere halbe Stunde an den Leichen, ehe gegen Mittag gedämpfte Schritte aus dem Korridor ertönen. Die Tür wird aufgeschlossen.