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Philip steht mit einem Becher Kaffee im Wohnzimmer und späht durch das Rollo auf die Barrikade hinaus. Im fahlen Morgenlicht sieht er, wie die nordöstliche Ecke zu wackeln scheint. »Verdammt«, murmelt er.

»Was ist los?«, fragt Brian und reißt Philip aus seinem Trübsinn.

»Es kommen immer mehr.«

»Mist. Wie viele?«

»Schwer zu sagen.«

»Was schlägst du vor?«

»Bobby!«

Dieser schlendert in einer ausgebeulten Trainingshose barfuß ins Wohnzimmer, in einer Hand hat er eine Banane. »Zieh dich am besten an«, schlägt Philip seinem Kumpel vor.

Bobby schluckt einen Bissen Banane runter. »Wieso? Was ist los?«

Philip ignoriert die Frage und wendet sich an seinen Bruder. »Penny bleibt im Familienzimmer. Okay?«

»Alles klar«, erwidert Brian und eilt davon.

Philip ist bereits auf dem Weg zur Treppe, wobei er den anderen zuruft: »Wir brauchen die Nagelpistole und so viel Verlängerungskabel, wie wir finden können … Und Äxte!«

FFFFFFUUUUUMP! Nummer fünf bricht wie eine riesige, in Fetzen gekleidete Stoffpuppe in sich zusammen. Die toten, milchigen Pupillen rollen nach oben und verschwinden im Kopf, als der Zombie auf der anderen Seite des Zauns zu Boden geht. Philip tritt einen Schritt zurück. Vor Anstrengung ist er ganz außer Atem. Sein Jeanshemd und seine Jeanshose sind feucht vor Schweiß.

Nummer eins bis Nummer vier waren einfach zu erledigen – wie Fische, die man aus einem Aquarium herausfischt. Eine Frau und drei Männer. Philip schlich sich einfach an sie heran, als sie unbeholfen gegen die Schwachstelle im Zaun stießen und an ihr zu kratzen begannen. Philip brauchte nur noch neben der Lücke zwischen den Brettern zu warten, bis er einen guten Zielwinkel auf ihre Stirn hatte. Dann ging es ganz schnell, einer nach dem anderen: FFFFFFUUUUUMP! FFFFFFUUUUUMP! FFFFFFUUUUUMP! FFFFFFUUUUUMP!

Nummer fünf war schwieriger. Er torkelte zufälligerweise im richtigen Augenblick zur Seite und vollführte eine kleine Tanzeinlage wie ein Betrunkener, ehe er sich mit schnappendem Kiefer nach Philip reckte. Philip verschwendete zwei Nägel, die als Querschläger irgendwo auf dem Gehweg landeten, bevor er mit dem dritten endlich die Großhirnrinde des Anzugträgers durchbohrte.

Jetzt holt er tief Luft und krümmt sich einen Moment lang vor Anstrengung. In der rechten Hand hält er noch immer die Nagelmaschine, die an vier sieben Meter langen Verlängerungskabeln hängt. Er richtet sich auf und lauscht. In der Einfahrt herrscht Stille, am Zaun wird nicht mehr gewackelt.

Er wirft einen Blick über die Schulter und sieht Bobby Marsh im Garten, gut dreißig Meter von ihm entfernt. Der Dicke sitzt nach Luft schnappend auf dem Boden und lehnt sich gegen eine kleine Hundehütte, die ein Dach aus Schindeln und ein Schild mit dem Namen LADDIE BOY hat.

Diese Reichen und ihre verdammten Hunde, denkt Philip. Adrenalin pumpt noch immer durch seine Adern. Das Tier hat wahrscheinlich Besseres zu fressen bekommen als die meisten Kinder dieser Welt.

Am hinteren Teil des Zauns, fünf Meter von Bobby entfernt, hängen die Überreste einer Frau über die Latten. Die Axt, mit der ihr Bobby Marsh das Licht endgültig ausgeknipst hat, steckt noch in ihrem Schädel.

Philip winkt Bobby zu und schaut ihn fragend an: Alles senkrecht?

Bobby reckt den Daumen hoch.

In diesem Moment geht alles ganz schnell – ohne jegliche Vorwarnung.

Der erste Hinweis darauf, dass alles nicht senkrecht ist, erfolgt keine Sekunde, nachdem Bobby seinem Freund, Anführer und Mentor den Daumen nach oben zeigte. In Schweiß gebadet, das Herz noch immer unter der Last seines nicht unbeträchtlichen Gewichts wild pochend, schafft es Bobby, Philip zuzulächeln … Dabei nimmt er die Geräusche, die aus dem Inneren der Hundehütte stammen, überhaupt nicht wahr.

Schon seit Jahren versucht Bobby Marsh immer wieder, Philip Blake zu imponieren, und die Tatsache, dass er ihm jetzt nach einer solch blutigen Schlacht einfach den Daumen zeigen und dazu noch lächeln kann, gefällt ihm ungemein.

Als Einzelkind, das es kaum geschafft hat, die Schule abzuschließen, heftete Bobby sich schon an Philips Fersen, als Sarah Blake noch am Leben war. Nach ihrem Tod – und nachdem sich Philip etwas von seinen Trinkkumpanen distanziert hatte – war Bobby verzweifelt darum bemüht gewesen, wieder den Kontakt zu ihm herzustellen. Er rief ihn viel zu oft an. Er redete zu viel, wenn sie sich trafen. Außerdem machte er sich ständig lächerlich, um das drahtige Alphatier, den Anführer und Freund zu beeindrucken. Doch erst jetzt glaubt Bobby – so komisch das auch klingen mag –, dass diese bizarre Epidemie wieder eine echte Verbindung zwischen den beiden Männern ermöglichte.

Daran liegt es wohl auch, dass Bobby das Rumoren in der Hundehütte überhaupt nicht hört.

Als es auf einmal kracht und so klingt, als ob ein Riese von innen gegen die Wände des Hüttchens hämmern würde, erstarrt das Lächeln auf Bobbys Gesicht, und sein Daumen senkt sich langsam. Als er begreift, dass in der Hundehütte etwas ist, das sich bewegt, und der Gedanke über sämtliche Synapsen endlich sein Gehirn erreicht hat, ist es längst zu spät.

Eine schmächtige Kreatur schnellt aus dem gewölbten Eingang der Hundehütte!

Philip hat bereits die halbe Strecke zu Bobby im Sprint zurückgelegt, als er sieht, dass die Kreatur, die gerade aus der Hundehütte hervorgeschossen ist, tatsächlich menschlich ist – oder zumindest das verwesende, bläulich verzerrte Abbild eines menschlichen Wesens. In den verfilzten blonden Strähnen kleben Blätter und Hundekot, und Ketten hängen um seine kleine Taille und an seinen Beinchen.

»MIST!«, brüllt Bobby und schreckt vor dem zwölfjährigen Untoten zurück, als sich das Wesen, das einmal ein Kind gewesen ist, auf Bobbys schinkengroßes Bein stürzt.

Bobby wirft sich zur Seite und reißt sein Bein gerade noch rechtzeitig zurück. Das verzerrte Gesichtchen, das eher einem verschrumpelten Flaschenkürbis mit ausgehöhlten Löchern denn lebendigen Augen gleicht, beißt an jener Stelle in den Rasen, wo Sekundenbruchteile zuvor noch Bobbys Bein gewesen ist.

Philip hat noch gute zehn Meter zwischen sich und Bobby zu überbrücken. Er rennt, so schnell er kann, auf die Hundehütte zu. Wie eine Wünschelrute hebt er die Nagelmaschine und zielt auf das Minimonster. Bobby kriecht krebsartig durch das feuchte Gras davon. Dazwischen schreit er immer wieder mit hoher Stimme auf, sodass man glauben könnte, er wäre ein kleines Kind.

Das Monster bewegt sich mit der wenig eleganten Energie einer Tarantel weiterhin auf Bobby zu. Der dicke Mann versucht, aufzustehen und davonzulaufen. Aber seine Beine wollen ihm nicht gehorchen, sodass er ins Stolpern kommt und rückwärts zu Boden fällt.

Vier Meter trennen Philip noch von Bobby, als er bemerkt, dass Bobbys Schreie höher und schriller klingen. Das Zombie-Kind hat eine Hand wie einen Haken um Bobbys Fußknöchel gelegt, und ehe er das Bein erneut wegreißen kann, senkt es seine verfaulten Beißerchen in Bobbys fleischige Wade.

»MIST! VERDAMMT!«, brüllt Philip, als er mit der Nagelpistole auf die beiden zusprintet.

Dreißig Meter hinter ihm schnellt ein Stecker aus der Steckdose.

Philip setzt die Nagelmaschine an den Nacken des kleinen Monsters, als es sich gerade über den Rest von Bobbys fettem Körperchen hermachen will.

Der Hahn der Maschine klickt, aber nichts passiert. Der Zombie gräbt sich wie ein Piranha in Bobbys dicken Oberschenkel, bis er die Schlagader durchbeißt und dabei den halben Hodensack auch gleich noch mitfrisst. Bobbys schreiende Stimme zittert und verwandelt sich in ein jammerndes Heulen, als Philip die nutzlose Maschine zu Boden wirft, um sich mit bloßen Händen auf die Kreatur zu werfen. Er reißt den untoten Jungen von seinem Freund, als wäre er ein riesiger Blutegel, und schleudert ihn kopfüber über den Rasen, ehe dieser ein weiteres Mal zubeißen kann.