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Der Knall der Ruger hallt in dem Innenraum des SUV so laut wider, dass alle vor Schreck zusammenzucken. Der verkohlte Untote dreht sich einmal um die eigene Achse, Richtung Kühlerhaube. Aus dem Einschussloch nur wenige Millimeter über der linken Schläfe spritzen die Überreste seines Gehirns auf die Windschutzscheibe.

Dann rutscht die Kreatur an der Außenseite der Beifahrertür zu Boden und fällt auf die Straße. Der Aufprall auf dem Teer ist nach dem lauten Knall der Waffe kaum zu hören.

Selbstlader wie die Ruger sind vom Klang her unverwechselbar. Der Schuss ähnelt einem harten, scharfen Schlag, als ob ein Kantholz der Länge nach auf Beton aufkommt. Außerdem springt die Waffe dem Schießenden beinahe aus der Hand.

In dieser Nacht hallt der Schuss vom Wind getragen in der dunklen Landschaft wider, obwohl er im Inneren des Autos abgefeuert wurde.

Er ist laut und deutlich noch in eineinhalb Kilometern Entfernung zu hören, und sein Echo arbeitet sich durch die dichten Wälder bis in die Hörkanäle der Schattenkreaturen, um die bereits toten zentralen Nervensysteme zu neuem, grausamem Leben zu erwecken.

»Alle in Ordnung?« Philip blickt sich um in dem dunklen Auto und legt die Pistole auf die mit Teppich verkleidete Ablage. »Alles senkrecht?«

Nick richtet sich langsam wieder auf, die Augen weit aufgerissen. Er starrt auf die Überreste, die an der Windschutzscheibe kleben. Brian hält Penny in den Armen. Sie hat die Augen noch immer fest zu, während sich ihr Onkel panisch umsieht. Er späht durch jedes Fenster, um nach weiteren Untoten Ausschau zu halten.

Philip legt den Rückwärtsgang ein und gibt Gas. Gleichzeitig lässt er das Beifahrerfenster wieder hoch. Die Köpfe der Mitfahrenden schnellen nach vorne, als das Auto rückwärtsschießt und sich fünfundzwanzig Meter – fünfzig Meter – fünfundsiebzig Meter von dem brennenden Wrack des Tankwagens entfernt.

Dann tritt er auf die Bremse, und der Wagen hält.

Draußen herrscht Stille. Auch im SUV sagt niemand ein Wort. Philip ist sich dennoch sicher, dass er nicht der Einzige ist, der sich fragt, ob diese dreißig Kilometer lange Reise in die Stadt nicht wesentlich schwieriger werden wird, als sie ursprünglich angenommen haben.

Eine Weile sitzen sie da und debattieren, was sie als Nächstes machen sollen, während der Wagen im Leerlauf brummt. Philip wird immer unruhiger. Er will nicht zu lang an einem Ort bleiben – ganz besonders nicht, wenn der Motor läuft und sie nutzlos Benzin und Zeit verschwenden, während sich die Schatten hinter den brennenden Bäumen auf unheimliche Art bewegen. Er tut sein Bestes, den gutmütigen Diktator in seiner kleinen Bananenrepublik zu geben.

»Hört zu. Ich finde immer noch, dass wir versuchen sollten, außen herumzufahren.« Er weist mit dem Kopf nach Süden, wo es stockdunkel ist.

Auf dem Standstreifen der Gegenfahrbahn liegen überall ausgebrannte Autowracks. Doch es gibt zwischen dem Schotter und den Bäumen, welche die Interstate säumen, eine schmale Lücke, die etwas breiter als ihr SUV zu sein scheint. Der Regen und das Öl aus dem umgestürzten Tankwagen haben den festen Untergrund zu einem schmierigen Brei werden lassen. Aber ihr Auto ist groß, schwer und hat breite Reifen. Philip hat es schon über ganz andere Böden gejagt.

»Das ist zu steil, Philly«, gibt Nick zu bedenken und wischt die Blutspritzer, die ins Innere dringen, mit einem schmutzigen Handtuch von der Windschutzscheibe.

»Da muss ich zustimmen«, erklärt auch Brian aus der Dunkelheit der Rückbank, den Arm noch immer um Penny gelegt. Seine besorgte Miene wird ab und zu von den lodernden Flammen erhellt. »Ich bin dafür, dass wir zur Ausfahrt zurückfahren.«

»Aber wir haben keine Ahnung, was uns da erwartet. Das könnte noch viel schlimmer sein.«

»Wissen wir aber nicht«, entgegnet Nick.

»Wir müssen auf jeden Fall weiter.«

»Aber was, wenn es in der Stadt noch mörderischer zugeht? Bisher wird es ja auch immer schlimmer, je näher wir Atlanta kommen.«

»Es sind immerhin noch gute zwanzig Kilometer, und wir haben keine Ahnung, wie es in Atlanta zugeht.«

»Ich weiß nicht so recht, Philly.«

»Ich verrate dir was«, erklärt Philip. »Ich schaue einfach mal nach.«

»Was soll das heißen?«

Philip nimmt seine Pistole. »Ich gehe kurz raus und sondiere die Lage.«

»Einen Moment!«, ruft Brian. »Philip, mach keinen Mist. Wir müssen zusammenbleiben.«

»Ich will mir nur ein Bild von dem Boden machen, ehe wir probieren, da hindurchzufahren.«

»Daddy …« Penny will noch etwas sagen, überlegt es sich dann aber anders.

»Ist schon okay, mein Schatz. Daddy ist gleich wieder zurück.«

Brian starrt aus dem Fenster. Er ist ganz und gar nicht begeistert. »Wir haben abgemacht, dass wir uns nicht trennen würden – komme, was wolle. Philip, überlege es dir doch noch einmal.«

»Bin in zwei Minuten wieder da.« Philip öffnet die Fahrertür und schiebt die Waffe hinten in seine Jeans.

Die kühle Luft, das Geräusch des knisternden Feuers, der Geruch nach Ozon und der nach verbranntem Gummi dringen alle wie ein ungebetener Gast in den SUV. »Rührt euch nicht von der Stelle. Bin gleich wieder zurück.«

Er steigt aus.

Die Tür fällt zu.

Brian lauscht auf das laute Pochen seines Herzens, während Nick Wache schiebt. Er späht durch die Fenster und vergewissert sich, dass ihre nächste Umgebung zombiefrei ist. Doch überall sieht er tanzende, flackernde Schatten. Penny wirkt wie erstarrt. Sie scheint sich in sich selbst zurückgezogen zu haben – wie eine Blüte, wenn es dunkel wird.

»Er kommt gleich wieder, Kleines«, beruhigt Brian seine Nichte. Er leidet mit ihr. Das ist alles so falsch. Ein Kind sollte so etwas nicht ertragen müssen. Brian versteht sehr gut, wie Penny sich fühlt. »Er ist ein starker Mann, dein Vater. Er schlägt jedes Monster, das ihm über den Weg läuft. Das kannst du mir glauben.«

Nick dreht sich zu den beiden um. »Du kannst deinem Onkel glauben, meine Süße. Er hat völlig recht. Dein Vater kann auf sich selbst aufpassen, nicht nur auf andere.«

»Ich habe mal gesehen, wie dein Vater einen tollwütigen Hund fing«, erzählt Brian. »Damals war er neunzehn oder so, und es gab diesen Schäferhund, vor dem kein Kind in der Nachbarschaft sicher war.«

»Daran kann ich mich auch noch erinnern«, erklärt Nick.

»Das Tier hatte schon Schaum im Maul, und dein Daddy ist ihm bis in ein trockenes Flussbett gefolgt, wo er es niedergerungen und in eine Mülltonne gesperrt hat.«

»Ich kann mich noch bestens daran erinnern«, wiederholt Nick. »Er hat den Hund mit bloßen Händen gepackt und ihn durch die Luft gewirbelt, ehe er die Tonne über ihn gestülpt hat, als wäre er nichts anderes als eine harmlose Fliege.«

Brian beugt sich zu Penny und streicht ihr behutsam eine Strähne aus dem Gesicht. »Ihm passiert garantiert nichts, mein Kind … Das kannst du mir glauben. Dein Daddy ist ein knallharter Muchacho.«

Draußen stürzt ein brennendes Trümmerstück zu Boden. Der Lärm schreckt alle auf, und Nick sieht Brian an. »He, Mann. Kannst du mal hinter dich in die lange Plastiktasche neben dem Reserverad greifen?«

Brian sieht Nick an. »Was willst du haben?«

»Eines von den Gewehren.«

Brian starrt Nick einen Moment lang an, ehe er nach hinten fasst – und die lange Tasche findet, die zwischen einer Kühlbox und einem Rucksack klemmt. Er öffnet den Reißverschluss und holt ein Marlin 55 hervor.

Als er Nick das Gewehr reicht, fragt er: »Soll ich auch Munition suchen?«