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»Natürlich … Schließlich ist es dein Passwort. Also darfst du es dir auch aussuchen.«

Das kleine Mädchen zieht konzentriert eine krause Nase, während sie nach einem passenden Wort sucht. Der Anblick des in Gedanken versunkenen Kindes, das so aussieht aus, als ob es über den Satz des Pythagoras sinnieren würde, schnürt Brian erneut das Herz zusammen.

Endlich blickt Penny auf. Es ist das erste Mal, seitdem der Albtraum begonnen hat, dass ein Funken Hoffnung in ihren Augen aufschimmert. »Ich hab’s!« Sie flüstert das Wort ihrem Stofftier zu und blickt dann auf. »Pinguin mag es auch.«

»Super … Aber mach es nicht so spannend.«

»Weg. Das Geheimwort heißt weg.«

Die graue Morgendämmerung zieht langsam herauf. Zuerst wird die Interstate von einer unheimlichen Stille erfasst. Der Wind ebbt ab, ehe ein blass leuchtendes Schimmern hinter dem Wald erscheint, das alle weckt und auf Trab bringt.

Die Dringlichkeit ihrer Situation erfasst fast sofort die gesamte Mannschaft. Ohne ihren Wagen fühlen sich die Männer nackt und ausgeliefert, sodass sie sich auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren: alles zusammenpacken und so schnell wie möglich zurück zum SUV, um den blöden Karren wieder auf die Straße zu bekommen.

Sie brauchen samt ihren Rucksäcken mit dem übrig gebliebenen Essen und den Schlafsäcken eine Viertelstunde für die fünfhundert Meter zurück zum Wagen. Ihren Weg kreuzt lediglich ein Zombie – ein umherirrendes junges Mädchen, das Philip mit Leichtigkeit aus dem Weg räumt, indem er seinen Haarscheitel vertieft. Zuvor flüstert Brian Penny noch das geheime Passwort zu.

Als sie am SUV ankommen, machen sie sich stillschweigend an die Arbeit. Zuerst versuchen sie, mehr Gewicht auf die Hinterachse zu drücken, indem sich Nick und Philip an den Rand des Kofferraums setzen, während Brian Gas gibt. Doch der Wagen steckt zu tief im Morast. Dann suchen sie die unmittelbare Umgebung nach Dingen ab, die man unter die Reifen legen kann, um wieder etwas Bodenhaftung herzustellen. Es dauert eine geschlagene Stunde, ehe sie zwei kaputte Paletten im Abflussgraben entdecken. Sie schleppen sie zurück zum Wagen und keilen sie unter die Reifen ein.

Doch auch das funktioniert nicht.

Der Schlamm scheint so sehr von Öl und sonstigem Unrat durchtränkt zu sein, dass er das Auto immer weiter nach unten zieht. Außerdem rutscht der Wagen bei jedem Versuch, ihn zu befreien, weiter die Böschung hinab. Aber so einfach geben sie nicht auf. Eine Reihe seltsamer Geräusche wie das Knacken von Zweigen und ein tiefes Grollen aus dem angrenzenden Wäldchen sowie die Furcht, dass sie ihr gesamtes Hab und Gut einschließlich des Proviants in dem weiter abrutschenden SUV verlieren, treiben sie an. Niemand will zugeben, dass die Situation immer hoffnungsloser wird.

Am frühen Nachmittag, nachdem sie stundenlang mit nur einer kleinen Essenspause erfolglos versucht haben, den Wagen zu befreien, ist das Auto weitere zwei Meter in den Wald gerutscht. Penny sitzt die ganze Zeit über im SUV, spielt mit ihrem Pinguin und drückt ihr Gesicht ab und zu gegen die Fensterscheibe.

Plötzlich hält Philip inne und starrt in Richtung Westen.

Der bewölkte Himmel wird bereits dunkel, und die Aussicht der einbrechenden Nacht gibt Philip zu denken. Völlig verschmutzt und schweißgebadet nimmt er sein Halstuch und wischt sich damit den Nacken ab.

Nick und Brian wischen sich die Hände ab und treten zu Philip. Keiner sagt ein Wort. In ihren Gesichtern spiegelt sich Hoffnungslosigkeit wider, und als wiederholt das Knacksen eines zerbrechenden Asts zu ihnen dringt – diesmal so laut wie ein Pistolenschuss –, meint Nick leise: »Sieht nicht gut aus, oder?«

Philip steckt das feuchte Halstuch in die Hosentasche. »Nicht mehr lange und es wird dunkel.«

»Philly, was denkst du?«

»Zeit für Plan B.«

Brian schluckt und starrt seinen Bruder an. »Ich wusste gar nicht, dass es einen Plan B gibt.«

Philip erwidert seinen Blick und verspürt einen Moment lang eine bizarre Mischung aus Wut, Mitleid, Ungeduld und Zuneigung. Dann wendet er sich seiner alten Rostlaube zu und kann sich einer gewissen Melancholie nicht erwehren. Es ist fast so, als ob er einen weiteren Freund unter die Erde bringen müsste. »Doch, den gibt es.«

Sie saugen das Benzin ab und füllen es in Plastikbehälter, die sie von Wiltshire Estates mitgenommen haben. Zum Glück finden sie einen großen, modernen Buick LeSabre mit steckendem Zündschlüssel. Er parkt keine zweihundert Meter entfernt auf dem Standstreifen. Sie fahren ihn zum SUV zurück. Erst tanken sie den neuen Wagen auf und packen dann so viel um, wie in den Kofferraum der riesigen Karre passt.

Als sie so weit sind, rasen sie der untergehenden Sonne entgegen. Jeder wirft einen letzten Blick auf den stecken gebliebenen SUV, der langsam wie ein sinkendes Schiff verschwindet.

Zahllose Anzeichen der bevorstehenden Apokalypse finden sich links und rechts entlang der Interstate in besorgniserregend kurzen Abständen. Je näher sie der Stadt kommen, desto schwieriger wird es, den unzähligen herrenlosen Autos auszuweichen. Die Bäume werden weniger und machen Wohnblöcken, Gewerbegebieten und Bürogebäuden Platz. Die Zeichen des Untergangs sind nicht mehr zu übersehen. Sie fahren an einem dunklen, menschenleeren Walmart vorbei. Die Fenster sind eingeschlagen, und ein Meer aus Klamotten und anderen Waren ist auf dem Parkplatz verstreut. Immer öfter sind ganze Häuserblocks in Finsternis getaucht und ragen wie riesige Grabsteine in den Himmel. Einkaufsstraßen sind geplündert, biblische Zitate als Warnungen auf Wände und Schornsteine gepinselt. Sie kommen sogar an einem einmotorigen Kleinflugzeug vorbei, das heftig rauchend in einem gigantischen Kühlturm feststeckt.

Irgendwo zwischen Lithonia und Pathersville fängt das Heck des Buick zu vibrieren an. Philip merkt, dass die zwei Hinterreifen platt sind. Vielleicht waren sie bereits kaputt, ehe sie losgefahren sind. Doch was macht das schon aus? Sie haben weder Zeit noch Lust, die beiden auszutauschen, oder auch nur ein Wort darüber zu verlieren.

Die Nacht bricht herein. Je näher sie an den Stadtrand von Atlanta kommen, desto größer wird die Anzahl der ausgebrannten Wracks auf den Straßen. Niemand spricht es aus, doch jeder fragt sich, ob sie nicht schneller zu Fuß ins Stadtzentrum gelangen konnten. Selbst die zwei doppelspurigen Straßen Hilldale und Fairington neben der Interstate sind mit Autowracks übersät. Wenn es so weitergeht, brauchen sie mindestens eine Woche, um ihr Ziel zu erreichen.

Deshalb trifft Philip den Entschluss, den Buick stehen zu lassen, so viel mitzunehmen, wie sie tragen können, und sich zu Fuß weiter durchzuschlagen. Niemand ist davon begeistert, doch keiner widerspricht ihm. Die einzige Alternative, in dieser Massenkarambolage nach passenden Reifen oder einem funktionstüchtigen Wagen zu suchen, scheint sinnlos zu sein.

Rasch holen sie das Nötigste aus dem Kofferraum und stopfen Taschen und Rucksäcke mit Decken, Essen, Waffen und Wasser voll. Mittlerweile kommunizieren sie einigermaßen erfolgreich mithilfe von Gesten, Nicken und im Notfall mit Flüstern. Das seltsame Dröhnen der Untoten dringt einmal lauter, einmal leiser aus der Dunkelheit hinter dem Highway zu ihnen vor. Es sickert durch die Bäume und hallt von den Gebäuden wider. Philip ist von den drei Männern der durchtrainierteste, und er schnappt sich einen übervollen Rucksack. Auch Penny will ihren Teil beitragen und nimmt einen kleinen Rucksack, in den immerhin ihr Bettzeug passt.

Philip bewaffnet sich mit der Ruger, den beiden scharfen kleinen Äxten, die er sich in den Gürtel steckt, und einem langen Werkzeug, das einer Machete gleicht und mit dem man Unterholz und Gestrüpp entfernen kann. Dieses klemmt er zwischen Rucksack und Rücken. Brian und Nick nehmen sich jeweils ein Marlin-Gewehr und einen Pickel, den sie an ihren Rucksäcken festzurren.

Dann machen sie sich in Richtung Westen auf. Diesmal wirft keiner von ihnen einen Blick zurück.