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»Was soll das?«, erkundigt sich Nick und wirft einen Blick über Philips Schulter.

»Dumpfbacke.«

Der tote Polizist beginnt zu knurren.

Penny klettert in Brians ausgestreckte Arme. Er tritt einige Schritte zurück und drückt sie fest an sich. »Los, Philip. Verziehen wir uns.«

»Einen Augenblick mal. Nicht so schnell, wenn ich bitten darf«, entgegnet Philip und zieht seine Ruger aus der Jeans.

»He, Mann«, warnt Nick. »Der Lärm zieht doch nur mehr von denen an … Lass uns lieber verschwinden.«

Philip richtet die Waffe auf den Polizisten, der ihn bei dem Anblick noch stärker anknurrt. Aber Philip drückt nicht ab. Er lächelt nur und äfft das Geräusch eines Schusses nach: »Peng!«

»Philip, nun mach schon«, drängt ihn Brian und wiegt dabei Penny hin und her. »Der versteht doch …«

Da hält Brian inne und starrt auf den untoten Cop.

Der Zombie ist bei dem Anblick des auf ihn gerichteten Laufes nun doch wie versteinert. Brian überlegt. Ob sein rudimentäres Nervensystem, das tief im Inneren seiner toten grauen Zellen schlummern muss, irgendwie ein Signal an einen kaum noch existierenden Muskel geschickt hat? Auf jeden Fall verändert sich sein Gesichtsausdruck. Die monströse Abscheulichkeit, die das ursprüngliche Gesicht ersetzt hat, fällt wie ein Soufflé in sich zusammen und zeigt jetzt eine Miene, die man beinahe als traurig hätte bezeichnen können. Oder vielleicht hat er Angst? Bei dieser schrecklichen Visage und der Schicht toter Haut und Gewebe ist das schwer einzuschätzen, aber irgendetwas in diesen trüben Augen blitzte auf. Etwa Furcht?

Brian wird unerwartet von Emotionen erfasst, derer er sich kaum erwehren kann. Es ist schwer, genau zu sagen, was er empfindet, aber Abscheu, Mitleid, Ekel, Trauer und Wut spielen alle eine Rolle. Entschlossen setzt er Penny ab und dreht sie sanft um, sodass ihr der Anblick erspart bleibt.

»Kleine, das ist jetzt ein etwas längerer Weg-Moment«, flüstert er ihr beruhigend ins Ohr und wendet sich dann seinem Bruder zu.

Philip treibt ein Spielchen mit dem Zombie, er verhöhnt ihn. »Entspann dich einfach und folge einfach dem hüpfenden Ball«, spottet er, während er die Pistole vor dessen Augen auf und ab wandern lässt.

»Ich mache es«, sagt Brian.

Philip hält inne. Langsam richtet er sich auf und blickt seinen Bruder an. »Wie bitte?«

»Gib mir die Waffe. Ich werde ihn umlegen.«

Philip schaut Nick an, und Nick wendet sich an Brian. »He, Mann. Jetzt mach keinen …«

»Gib mir die Waffe!«

Das Lächeln, das um Philips Lippen spielt, lässt jeglichen Humor vermissen. »Wie du willst, Bruderherz.«

Brian ergreift die Pistole und macht ohne zu zögern einen Schritt auf den Streifenpolizisten zu. Er hält sie in das Auto und drückt den Lauf gegen die Schläfe des Untoten. Dann drückt er ab … Aber sein Finger will ihm nicht gehorchen. Sein verdammter Finger weigert sich, dem Befehl seines Gehirns zu folgen.

Währenddessen sabbert der Zombie weiter – als ob er auf etwas warten würde.

»Du kannst mir die Kanone jetzt wiedergeben, Kumpel.« Philips Stimme dringt wie aus weiter Ferne an sein Ohr.

»Nein … Der gehört mir.« Brian beißt die Zähne zusammen und versucht erneut abzudrücken. Doch sein Finger gleicht einem Eisbrocken. Seine Augen brennen, und sein Magen verkrampft sich.

Der tote Polizist fletscht die Zähne.

Brian beginnt zu zittern, als Philip einen Schritt auf ihn zutut.

»Gib mir die Waffe.«

»Nein.«

»Na los, Junge. Her damit.«

»Der gehört mir!«, beharrt Brian und wischt sich den Schweiß mit dem Ärmel von der Stirn. »Verdammt noch mal, der hier gehört mir!«

»Lass gut sein«, beruhigt ihn Philip und streckt den Arm nach der Waffe aus. »Genug ist genug.«

»Verdammt!«, entfährt es Brian. Dann lässt er von dem Polizisten ab. Tränen steigen ihm in die Augen. Er schafft es einfach nicht. Damit sollte er sich abfinden. Er reicht seinem Bruder die Waffe und dreht sich gesenkten Kopfes um.

Philip erlöst den Polizisten aus seinem Elend. Ein einziger Schuss, der den Innenraum der Streife mit einem Sprühnebel aus Blut verfärbt. Der Schuss hallt laut über die verwüstete Landschaft hinweg.

Der tote Polizist sackt nun endgültig leblos über seinem Lenkrad zusammen.

Es dauert eine Weile, bis sich Brian erfolgreich gegen die aufwallenden Tränen und den Zitteranfall gewehrt hat. Dann blickt er durch die Fensterscheibe auf die Überreste des Cops. Am liebsten würde er sich bei dem toten Polizisten entschuldigen, tut es aber nicht. Stattdessen starrt er auf den schlaffen Leichnam, der immer noch vom Sicherheitsgurt aufrecht gehalten wird.

Der entfernte Klang einer Kinderstimme, ähnlich dem Flattern von gebrochenen Flügeln, dringt auf einmal in sein Bewusstsein. »Dad … Onkel Brian … Onkel Nick? Äh … Da passiert gerade etwas Schlimmes.«

Die Männer drehen sich um. Sie schauen über den Parkplatz hinweg auf jenen Punkt, auf den Pennys Augen gerichtet sind. »So ein Mist!«, entfährt es Philip beim Anblick des Super-GAUs, der sich ihnen nun bietet.

»Um Gottes willen«, keucht Nick.

»Mist, Mist … Mist!« Brian spürt, wie es ihm eiskalt den Rücken herunterläuft, als er sieht, was vor der Kirche vor sich geht.

»Los, Schatz. Hier entlang.« Philip tritt zu seiner Tochter und zieht sie sanft in Richtung des Wagens. »Wir leihen uns kurz das Auto des netten Polizisten aus.« Er steckt die Hand durch die heruntergekurbelte Fensterscheibe, schließt die Tür auf, öffnet sie, löst den Sicherheitsgurt und zerrt den leblosen Körper aus der Polizeistreife. Der Zombie fällt mit einem Klatschen auf den Asphalt.

»Alle Mann, schnell! Werft eure Sachen hinten hinein und dann nichts wie weg!«

Brian und Nick laufen auf die andere Seite des Autos, öffnen die Türen, schleudern Taschen und Rücksäcke auf die Rückbank und springen hinein.

Philip schnappt sich Penny und setzt sie auf den Beifahrersitz, ehe er sich hinter das Steuer klemmt. Der Schlüssel steckt.

Philip lässt den Wagen an.

Der Anlasser gibt ein klägliches Krächzen von sich.

Das Armaturenbrett leuchtet kaum auf. Die Batterie schafft es gerade noch, die wenigen Lämpchen zu erhellen.

»Verdammt! VERDAMMT!« Philip wirft einen Blick aus dem Fenster auf die Kirche. »Okay. Einen Augenblick. Halt … Halt!« Dann starrt er durch die Windschutzscheibe auf die Straße. Er bemerkt, dass sie zuerst eine leichte Neigung aufweist, die immer weiter abfällt, bis sie steil den Hügel hinunter und durch eine Unterführung führt. Er dreht sich zu Brian und Nick um. »Ihr beiden, raus mit euch!«

Brian und Nick tauschen einen Blick aus. Das, was aus Richtung der Kirche auf sie zukommt – wohl aufgeschreckt durch die lauten Stimmen und den Schuss – brennt sich bereits jetzt in ihr Gehirn ein. Würden sie diesen Eindruck jemals wieder los? Leider hat Penny das Ganze auch gesehen und wird sich daran erinnern – nur noch lebhafter als die Erwachsenen: tote Kreaturen, die aus den kaputten Fenstern und offen stehenden Toren der Kirche kommen. Manche haben noch die Überreste zerfetzter, blutbesudelter Umhänge um, wie Priester und Messdiener sie tragen. Andere stolpern in bester Sonntagskleidung auf sie zu, an der teilweise menschliche Überreste kleben. Der eine oder andere knabbert noch an einem abgerissenen Arm oder Bein, während wieder andere Trophäen mit sich tragen. Die Organe tropfen noch von der grausamen Orgie, die in der Kirche stattgefunden haben muss. Mindestens fünfzig Zombies schleppen sich Seite an Seite mit nur einem Gedanken im Kopf in die Richtung der Lebenden.

Für einen winzigen Augenblick, ehe er die Tür öffnet und sich neben Nick stellt, bewegt Brian ein merkwürdiger Gedanke: Sie bewegen sich wie eine Einheit. Selbst im Tod sind sie noch eine eng zusammengewachsene Gemeinde – wie Puppen, die von einem Spieler kontrolliert werden. Aber er verharrt nicht lange, als er die Stimme seines Bruders hört, der noch immer hinter dem Steuer sitzt.